Fusionen Warum Zusammenschlüsse von Unternehmen häufig scheitern

Sie finden häufig statt - und fast ebenso häufig gehen sie schief: Die Liste verkorkster Fusionen und Unternehmenskäufe ist lang. Oft scheitern Übernahmen und Firmenzusammenschlüsse schon, bevor die Kandidatenschau überhaupt begonnen hat. Dabei gibt es einige Grundregeln, die ein Scheitern verhindern.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
DaimlerChrysler Quelle: dpa

Wenn zwei sich zusammentun, kann das wunderbar sein. Klappt es nicht, beginnt das Drama. Die Liste verkorkster Fusionen und Unternehmenskäufe ist lang: Daimler und Chrysler, Wal-Mart und Wertkauf, Adidas und Salomon. Marktchancen und Synergien maßlos überschätzt, die Risiken nicht richtig erkannt oder kleingeredet, bei der Integration Fehler gemacht und dazu noch viel zu viel bezahlt – die Mängelliste ist lang.

„Der große Anteil gescheiterter Fusionen ist darauf zurückzuführen, dass häufig ausschließlich reaktiv vorgegangen wird“, bemängelt Jürgen Rothenbücher, Partner und Leiter des Expertenteams für Fusionen der Unternehmensberatung A.T. Kearney, „was fehlt, sind gut durchdachte Strategien für den gesamten Übernahmeprozess.“ Statt vorab zu überlegen, wohin man will, und dann geeignete Kandidaten zu suchen, wird gekauft, was gerade im Angebot ist. „Notwendig wäre ein nach Branche und Marktsituation differenziertes Handeln.“

Strategische Entscheidungen liegen oft voll daneben

In einer fünfteiligen Serie untersucht die WirtschaftsWoche gemeinsam mit A.T. Kearney das Management von Firmenzusammenschlüssen: im ersten Teil die strategischen Entscheidungen, die ganz am Anfang fallen müssen – oft werden die schlimmsten Fehler bei Mergers and Acquisitions (M&A) schon begangen, bevor die Kandidatenschau begonnen hat. „Nur wer das Ziel kennt, kann den Kurs bestimmen; wenn die richtige Strategie fehlt, fehlt auch das Fundament für den gesamten Prozess einer Unternehmensübernahme oder -fusion“, sagt A.T. Kearneys Zentraleuropa-Chef Dietrich Neumann.

Welches allerdings die richtige Strategie ist, hängt von der Branche und der gerade erreichten Phase im „Merger Endgame“ ab. Der Begriff beschreibt einen vierstufigen Entwicklungszyklus, den alle Branchen in einem Zeitraum von 25 bis 30 Jahren durchlaufen. In der ersten Phase, in der Banken und Versicherungen, aber auch Telekomunternehmen oder Bahngesellschaften stecken, werden Produkte und Geschäftsmodelle entwickelt und Standards für das Business gesetzt. Die zweite Phase – dazu gehören heute etwa Stahlerzeuger, der Lebensmitteleinzelhandel oder Automobilzulieferer – ist geprägt vom Streben nach Größe und globaler Präsenz, um Skaleneffekte zu erreichen.

In der dritten Phase stehen Automobilhersteller, Mineralölindustrie und Textilproduzenten. Die Unternehmen konzentrieren sich auf die Optimierung ihrer Geschäftsmodelle, damit die angepeilten Volumenvorteile auch realisiert werden können. In der letzten Phase, die etwa die Zigarettenindustrie, Schiffbau oder Softdrink-Hersteller erreicht haben, geht es um die Absicherung des Erreichten. Wer jetzt noch wachsen will, muss in neue Produkte oder Märkte diversifizieren.

Dynamik durch Schwellenländer

Für jeden Lebenszyklus gelten andere Spielregeln: Je weiter die Entwicklungsstufe, umso höher ist der Konsolidierungsgrad. Die Zahl der Wettbewerber schrumpft, irgendwann ist der Markt verteilt, mit entsprechend üppigen Renditen. Ihres Erfolges sicher sind Unternehmen aber auch in dieser Phase nicht: Mitunter gefährden technische Neuentwicklungen alte Geschäftsmodelle – wie die Internet-Musikbörsen die CD-Hersteller. Und immer häufiger machen Newcomer aus Schwellenländern den etablierten Produzenten aus den Industrienationen das Leben schwer.

Aus eigener Kraft zu wachsen birgt zwar wenig Risiko, wird in reifen, fest verteilten Märkten aber immer schwieriger und dauert lange. „Wer weiter Gewinne erzielen oder das Erreichte absichern will, muss auch über Fusionen oder Übernahmen nachdenken“, sagt Rothenbücher. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze: Egal, ob es um Volumenvergrößerung oder neue regionale Märkte geht, ob das Produkt- oder Kompetenzportfolio erweitert werden soll, ob vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen integriert werden oder ob es um die Absicherung von Ressourcen geht: „Die M&A-Strategie muss feststehen, bevor nach geeigneten Kandidaten gesucht wird.“

Pepsis Vorzeige-Übernahme von Quaker Oats

Beim Getränkehersteller Pepsi hat das ganz gut geklappt. Schon vor der Brautschau hatte sich der Brausehersteller für Wachstum durch Produktdifferenzierung entschieden. So stand von vornherein fest, welche Kandidaten infrage kamen. Übernommen wurde 2001 der US-Produzent Quaker Oats mit seiner Sport-Getränkemarke Gatorade. „Damit konnte Pepsi sein Produktportfolio erweitern“, sagt Rothenbücher. Gleichzeitig wurden neue Kundensegmente erschlossen. Dass der kalorienarme Fitness-Trunk aus dem gleichen Konzern kommt wie das süße Cola-Gesöff, bekommen die meisten Konsumenten gar nicht mit: „Von Anfang an war klar, dass die beiden Marken unberührt bleiben sollten – harmonisiert wurden nur Prozesse, die für den Kunden nicht sichtbar sind.“

Das war bei der Übernahme der deutschen Einzelhandelsketten Wertkauf und Interspar durch den US-Handelsriesen Wal-Mart anders. Statt auf kulturelle Unterschiede und lokale Marktbesonderheiten zu achten, stülpte Wal-Mart seiner deutschen Tochter das US-Geschäftsmodell über: Die „Morning-Cheer“ genannten Frühappelle in den Supermärkten sollten die Motivation der Angestellten stärken, das Einpacken der Einkaufstüten an den Kassen Kunden begeistern. Die Neuerungen kamen weder bei Kunden noch bei Mitarbeitern an. Dass der Einzelhandel hierzulande vor allem vom Wettbewerb der Discounter geprägt ist, erkannten die Amerikaner zu spät. 2006 verscherbelte Wal-Mart seine Supermärkte an Metro – mit rund einer Milliarde Dollar Verlust.

Solche Pleiten lassen sich vermeiden: Statt auf Mega-Deals mit hohem Risiko zu setzen, sollten die Unternehmen öfter nach kleineren Übernahmekandidaten Ausschau halten. „Vor allem in frühen Lebenszyklusphasen bieten solche Buy-and-build-Strategien mit mehreren kleinen bis mittelgroßen Transaktionen großes Potenzial“, sagt Rothenbücher, „Unternehmen mit dieser Strategie erzielen innerhalb von fünf Jahren im Schnitt jährliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen von über 20 Prozent.“

Gute Chancen in stark fragmentierten Branchen

Die Methode ist vor allem bei Private-Equity-Unternehmen beliebt. Die britische Charlemagne Capital etwa erwarb 2000 das polnische Alkoholika-Unternehmen Central European Distribution Corporation. Durch die Übernahme kleinerer nationaler Konkurrenten stieg der Umsatz binnen sechs Jahren von 148 auf 945 Millionen Dollar, der Nettogewinn von einer auf 18 Millionen Dollar. Geeignete Kandidaten für solche Deals gibt es noch in vielen Bereichen: „Die besten Chancen bieten Branchen, die heute noch stark fragmentiert sind“, sagt Rothenbücher. Dazu zählten zum Beispiel die Landwirtschaft, das Speditionsgewerbe, Restaurants oder Verlage.

Noch geringer ist das Risiko bei der ebenfalls eher selten verfolgten „Acquisition Factory“-Strategie – viele kleine Übernahmen mit hoher Frequenz. Der Vorteil: „Der Kapitaleinsatz ist überschaubar, die Zahl der Kandidaten groß und die Integration durch professionelle M&A-Einheiten ist einfacher“, so Rothenbücher. Erfolgreich war damit etwa der dänische Gebäudedienstleister Integrated Service Solutions (ISS). ISS übernahm in den vergangenen zehn Jahren weltweit knapp 400 kleinere Mitbewerber. Bei jährlichen Umsatz- und Gewinnsteigerungen von knapp 19 Prozent kommt ISS auf einen Umsatz von rund 8,5 Milliarden Euro.

Allzu lange warten sollten Unternehmen mit Übernahmeambitionen allerdings nicht – sonst könnten sie selbst zum Übernahmeziel werden. Einer A.T. Kearney- Studie zufolge gehen Unternehmen aus Schwellenländern immer häufiger in den Industrienationen auf Einkaufstour. Zwar wird für 2008 wegen der Finanzkrise mit einem leichten Rückgang des weltweiten M&A-Volumens gerechnet, Interessenten aus Indien, Malaysia, China, Südafrika und Russland lassen sich davon aber nicht bremsen. „Unternehmen aus den Industrienationen sollten schnell Konsequenzen ziehen und bei der Formulierung ihrer M&A-Strategie auch Übernahmen in Schwellenländern ins Kalkül einbeziehen“, rät Rothenbücher, „sonst droht der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Märkten.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%