Alexander Dibelius „Im Tsunami ertrinkt auch Michael Phelps“

Alexander Dibelius Quelle: Angelika Zinzow für WirtschaftsWoche

Der Ex-Goldman-Chef kauft für den Finanzinvestor CVC Unternehmen. Ein Gespräch über zu hohe Preise, die Generation Snapchat und Langeweile.

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WirtschaftsWoche: Herr Dibelius, für seinen neuen Fonds hat CVC gerade 16 Milliarden Euro bei Investoren eingesammelt. Sollen wir Sie beglückwünschen oder bemitleiden?

Alexander Dibelius: Beglückwünschen natürlich. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass wir erfolgreich arbeiten und uns die Investoren vertrauen.

Ihre Branche befindet sich aber in einem Dilemma. Ihr fließt so viel Geld zu wie nie zuvor, aber es gibt gar nicht genug Unternehmen, die Sie kaufen können.

Die Situation ist nicht einfach. Die Zinsen sind niedrig, und Private Equity ist eine der wenigen Anlageklassen, die nachhaltig vergleichsweise attraktive Renditen verspricht. Gleichzeitig macht die günstige Finanzierung Übernahmen leichter, und bei vielen Unternehmen läuft es so gut, dass die Bewertungen historische Höchstmarken erreichen. Wir müssen deshalb sehr umsichtig sein und im Zweifel auch mal Nein sagen.

Können Sie sich das leisten? Schließlich wollen Ihre Investoren Rendite sehen.

In vielen Fällen haben wir das bereits getan oder anderen den Vortritt gelassen. Wir kaufen nur Unternehmen, bei denen wir einen konkreten Plan dafür entwickeln können, den Wert auch unabhängig von der Entwicklung der Kapitalmärkte zu steigern. Wir übernehmen lieber ein gutes Unternehmen zu einem fairen Preis als ein schlechtes Unternehmen zu einem guten Preis.

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Faire Preise gibt es aktuell nicht. Der Markt ist ähnlich überhitzt wie im Jahr 2006, als Übernahmen von Finanzinvestoren ebenfalls boomten. Kurz danach kam der Crash.

Es gibt vielleicht Parallelen, aber insgesamt ist die Situation doch anders. Zum Beispiel fehlen die ganz großen Übernahmen in zweistelliger Milliardenhöhe, an denen gleich mehrere Private-Equity-Investoren beteiligt sind. Aber ganz klar: Im aktuellen Umfeld gibt es aus meiner Sicht einige für den durchschnittlichen Renditeanspruch der Industrie hoch riskante Transaktionen.

Also wird die Blase platzen.

Es wird ganz sicher irgendwann eine Korrektur geben. Ich denke, dass der Prozess bereits begonnen hat. In den USA steigen die Zinsen, der Brexit dämpft die Erwartungen in Europa, China wächst langsamer. Natürlich lassen sich Szenarien konstruieren, in denen in einer Kettenreaktion alles zusammenbricht. Aber ich hoffe, dass die Industrie besser mit einem Abschwung umgehen kann als 2007.

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Hoffen ist ein ziemlich schwaches Wort

Also gut, ich bin davon überzeugt. Die Private-Equity-Branche ist noch relativ jung, seit der letzten Krise ist sie einen Lernzyklus weiter. Fast alle heute verantwortlichen Manager haben 2007 miterlebt und ihre Lektionen hoffentlich gelernt. Auch die Regulatoren der Finanzmärkte sagen uns, dass sie die Situation besser im Griff haben. Aber komplette Sicherheit gibt es nicht. In einem Tsunami ertrinkt auch Michael Phelps.

Sie versprechen Investoren immer noch Renditen von mehr als 20 Prozent. Müssen Sie das nicht nach unten korrigieren?

Wir versprechen diese Rendite nicht, das ist unser professioneller Anspruch, mit dem wir uns dem Wettbewerb mit anderen Private-Equity-Gesellschaften und alternativen Anlagemöglichkeiten stellen. Wir versuchen so zu kalkulieren, dass wir unsere Ziele über längere Zeit auch unabhängig von Schwankungen der Kapitalmärkte erreichen. Es hat zuletzt große Transaktionen gegeben, bei denen die Käufer offensichtlich darauf wetten, dass die Preise immer weiter steigen. Das ist nicht unser Ansatz.

„Tipico ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir arbeiten und Mehrwert schaffen“

CVC hat die Mehrheit am Sportwettenanbieter Tipico gekauft, dessen Legalität in Deutschland immer noch nicht ganz geklärt ist. Das sieht nach einer Wette aus.

Es geht darum, wann und wie die Länder den Glücksspielstaatsvertrag europarechtskonform umsetzen. Wir gehen davon aus, dass der Rahmen bald abschließend geklärt ist. Im Übrigen ist Tipico ein gutes Beispiel dafür, wie wir arbeiten und Mehrwert schaffen. Die Gründer hatten eine gute unternehmerische Idee und ebensolches Talent, aber an einem bestimmten Punkt der Entwicklung wollten sie einen professionellen Partner mit an Bord haben, um Wachstum und Geschäftschancen optimal zu nutzen.

Geht es Ihnen nicht vor allem darum, die Finanzstruktur in Ihrem Sinne zu optimieren?

Das funktioniert nicht und hat langfristig auch noch nie funktioniert. Unsere Unternehmen sollen nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch bei Themen wie Kundenbindung und Internationalisierung von unserem Fachwissen und unserem Netzwerk profitieren. Und die wichtigsten Entscheidungen treffen immer noch die Manager in den Unternehmen. Wir sind nur relativ engagierte und interessierte Eigentümer.

Bei Tipico gehören den Gründern noch 40 Prozent. Stört es nicht, wenn sie mitreden?

Im Gegenteil: Wir profitieren von ihrer Erfahrung und Marktkenntnis. Es ist ein gutes Zeichen, dass sie den Weg mit uns gehen. Da kann also keiner den anderen über den Tisch gezogen haben.

Und wenn es Konflikte gibt?

Da gibt es klare Regeln. Und wir haben die Mehrheit.

Die haben Sie auch bei Ihrem zweiten größeren Zukauf, dem Schweizer Uhrenhersteller Breitling. Den hätten einige Luxuskonzerne auch gern gehabt. Haben Sie die überboten?

Nein. Ich glaube, hier hat es sich ausgezahlt, wie intensiv wir uns mit dem Unternehmen beschäftigt haben. Wir haben die Marke analysiert, das Potenzial ermittelt, Chancen aufgezeigt. Ich glaube, das hat die Eigentümerfamilie überzeugt. Bei uns wird Breitling nicht eine Marke unter vielen, sondern etwas Besonderes sein.

Tatsächlich ist ein Uhrenhersteller kein typisches Unternehmen für einen Finanzinvestor. Sie brauchen schnelle Erfolge, aber die Branche verändert sich nur langsam.

Vielleicht fanden manche Entwicklungen hier bisher etwas später statt. Es gibt in der Industrie zum Beispiel bisher kaum ausgefeilte Konzepte für Onlineverkauf und Kommunikation in sozialen Netzwerken. Das können und müssen wir weiter entwickeln. Und für die jüngere Generation, die mit dem Smartphone aufwächst, müssen Uhrenhersteller den Wert ihres Produkts viel stärker herausarbeiten.

Bei Breitling ist CVC der erste Finanzinvestor als Miteigentümer. Mittlerweile gibt es Unternehmen, die schon beim dritten oder vierten Private-Equity-Käufer angekommen sind. Wie lässt sich da noch Wert steigern?

Es gibt Unternehmen, bei denen das weiter möglich ist, etwa durch Synergien mit den anderen Unternehmen im Portfolio. Aber es gibt auch solche, bei denen ich kaum noch Potenzial für Wertsteigerungen sehe. Bei denen besteht die Gefahr, dass der letzte Käufer bei einem entsprechend hohen Preis dann im nächsten Abschwung das Licht ausmachen muss.

„Bei Kion und Wincor Nixdorf sitze ich noch heute im Aufsichtsrat“

Mit der Parfümeriekette Douglas hat auch CVC ein Unternehmen übernommen, das vorher schon einem Finanzinvestor gehörte. Und das zu einem stolzen Preis.

Douglas hat dem Voreigentümer Advent nur relativ kurz gehört. Der hat vor allem das Portfolio erfolgreich restrukturiert, indem er die anderen Ketten wie Christ, Thalia und Hussel abgetrennt und verkauft hat. Wir kümmern uns stärker darum, das Parfümgeschäft operativ zu verbessern. Und wir sehen Erfolge: Das neu aufgestellte Onlinegeschäft wächst deutlich zweistellig, ohne dass der Verkauf in den Läden leidet. Vor allem haben wir die Entwicklung einer Eigenmarke forciert und mit Zukäufen in Italien und Spanien weiter internationalisiert.

Bei allen Unternehmen bauen Sie das Digitalgeschäft aus und kaufen zu, wenn es passt. Das wirkt wie ein recht oberflächliches Rezept.

Das täuscht. Bei Douglas und anderen Unternehmen haben wir uns tief in das Geschäftssystem eingearbeitet. Wir wissen etwa, dass längst nicht alle potenziellen Kunden, die einen Laden betreten, tatsächlich etwas kaufen. Daran kann das Unternehmen arbeiten, wir entwickeln spezifische Konzepte dafür. Vor allem jüngere Kunden haben die Kette zudem unberechtigterweise als teuer und vielleicht nicht ganz auf der Höhe der Zeit wahrgenommen. Auch deshalb bietet Douglas mit der eigenen Marke jetzt tolle dekorative Kosmetik an. Gerade bei der Generation „Snapchat, Selfie und Co.“ sind diese Produkte besonders angesagt.

Als Deutschland- und Zentraleuropachef von Goldman Sachs haben Sie die ganz großen Deals begleitet, nun beschäftigen Sie sich mit dem Schminkverhalten von Teenagern. Macht das Spaß?

Sehr viel sogar. Ich habe schon früher versucht, möglichst nah am Geschäft der Goldman-Sachs-Klienten zu agieren. Die Bank hatte auch ein großes eigenes Private-Equity-Geschäft. Ich selbst war unter anderem an den Investitionen in Messer und Kabel Deutschland beteiligt. Deren Weg habe ich aktiv mit betreut, bei Kion und Wincor Nixdorf sitze ich noch heute im Aufsichtsrat.

Es gibt sehr gute Fonds, die keine weiteren Anleger brauchen. Sie öffnen sich nur gelegentlich. Was hinter dem "Soft Closing" steckt und warum Anleger solche Fonds besonders im Blick behalten sollten.

CVC galt als konservativer Investor. In der Branche heißt es, dass Sie vor allem die Zahl der Transaktionen erhöhen sollen.

Wir bleiben risikobewusst, ich würde das aber nicht notwendigerweise konservativ nennen. Wenn sich interessante Chancen für Investitionen bieten, können das ruhig auch mehrere sein.

Als Sie bei Goldman Sachs aufgehört haben, haben viele erwartet, dass Sie sich aus der Branche zurückziehen. Warum haben Sie das nicht getan?

Nichts zu tun erscheint nur in den ersten Monaten attraktiv, dann wird es einem doch etwas langweilig. Letztlich hat es mich gereizt, in einer kleineren Organisation in einer Eigentümerrolle ganz nah mit Unternehmen am ökonomischen Fortschritt teilzuhaben. In einer großen Bank gibt es so viele organisatorische Aufgaben, so viele Meetings, so viele regulatorische Themen, dass dafür irgendwann die Zeit fehlt. Ich genieße es, in einer etwas anderen Rolle sozusagen wieder an die Basis des Geschäfts zurückzukehren.

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