Die düsteren Nebel des vergangenen Jahres als vor allem der russisch-ukrainische Konflikt sowie die Kämpfe in Syrien und im Irak den Ausblick auf das neue Jahr belastet haben, haben sich verflüchtigt – und das nicht zuletzt wegen der Euro-Schwäche. Viele Experten gehen davon aus, dass sich der Abwärtstrend des Euro und der konjunkturelle Aufwärtstrend der deutschen Wirtschaft im laufenden Jahr fortsetzen werden.
Die EZB setzt alles daran, das Gespenst der Deflation durch eine schwache Währung und längerfristig niedrige Zinsen zu bekämpfen. Experten halten eine Währungsparität, also ein Wechselkurs von 1:1 zwischen Euro und US-Dollar, in der nächsten Zeit nicht für unwahrscheinlich.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es noch tiefer geht. Im Oktober 2000 wurden nur rund 0,82 US-Dollar für einen Euro gezahlt. Wie stark die schwache Gemeinschaftswährung wirkt, darüber sind die Experten uneins. Skeptiker verweisen darauf, dass 40 Prozent des deutschen Exports in Euro-Länder geht, woraus zunächst kein direkter positiver Währungseffekt für die Unternehmen erwächst.
Allerdings stärkt der schwache Euro nicht nur die Stellung Deutschlands an den Weltmärkten, sondern auch die der krisengeplagten südeuropäischen Länder. Sollte es gelingen, dass Spanien, Portugal und Co. wieder konkurrenzfähiger werden, steigt aus diesen Ländern auch wieder die Nachfrage nach deutschen Produkten.
Damit kann sich für deutsche Unternehmen quasi ein positiver Währungseffekt über Bande ergeben. Direkt vom schwachen Euro profitieren Flugzeughersteller wie Airbus, deren produzierte Flieger in US-Dollar abgerechnet werden. Rückenwind verspüren auch Rohstoffveredler wie der Kupferhersteller Aurubis. Das Schmelzen von Kupfer wird dem Konzern ebenfalls in US-Dollar vergütet.
USA befinden sich in einer Phase der Reindustrialisierung
Der Export Deutschlands in den Dollar-Raum ist mit 20 Prozent durchaus überschaubar. Die USA befindet sich allerdings nach Auffassung von Experten in einer Phase der Reindustrialisierung, die in besonderem Maße auch Nachfrage nach Maschinen „Made in Germany“ nach sich zieht. Von noch größerer Bedeutung sind die Emerging Markets.
Ein schwacher Euro bietet der deutschen Wirtschaft entscheidende Wettbewerbsvorteile im Kampf um Marktanteile gegenüber den Nordamerikanern und Asiaten in den schnell wachsenden und heiß umkämpften Schwellenländern. Viele Unternehmen wie etwa Siemens versuchen Wechselkursschwankungen dadurch zu umgehen, dass sie in dem Währungsraum produzieren, in dem sie die Produkte auch verkaufen.
Hoffnung schöpfen aber auch die Leuchttürme der Industrie in den schwächeren Nachbarländern wie etwa die französische Renault SA. Das gleiche Bild bei Sanofi: ein Prozent Wertverlust des Euro gegenüber dem Dollar steigert hier den Gewinn je Aktie um 0,5 Prozent.
Importeure haben Gegenwind
Die Kosten für importierte Güter, die entweder zum Endverbraucher gelangen oder als Zulieferung für die Produktion benötigt werden, steigt durch die Euro-Schwäche erheblich. Teurer wird auch die Produktion im Euroraum beheimateter Unternehmen außerhalb der heimischen Währungszone. Infineon lässt einen großen Teil ihrer Silizium-Wafer Malaysia herstellen, die Basis für Computerchips. Im abgelaufenen Geschäftsjahr, das bis
Ende September lief, erzielte der bei München beheimatete Siemens-Ableger fast 50 Prozent vom Umsatz in fremden Währungen, zumeist in US-Dollar; die Gesamtbilanz sieht jedoch vorerst noch verhalten positiv aus.
Und dann sind da noch die Unternehmen, die sowohl auf der Gewinner- wie auch auf der Verliererseite sind: zum Beispiel die Deutsche Telekom. Die Dienstleistungen, die im Dollarraum angeboten und abgenommen werden, sind in der jetzigen Lage erfolgversprechend – 29 Prozent des Konzerngewinns stammen von der US-Tochter T-Mobile. Zugleich erhöhte sich jedoch die Nettoverschuldung der Bonner in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres um 2,7 Milliarden Euro, ein Hauptgrund dafür war der schwächere Euro.
Inflation ist erwünscht
Vor nicht allzu langer Zeit sah sich die EZB als Hüterin der Währungsstabilität in vorderster Front im Kampf gegen die Inflation. Mittlerweile wird zur Bekämpfung der Deflation gern gesehen, dass über eine schwache Währung Inflation quasi importiert wird. Urlauber, die beispielsweise in die USA reisen, müssen mit einer geringeren Kaufkraft des Euro zurechtkommen. Die preisgünstige Jeans aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten gehört dann der Vergangenheit an. In Mitleidenschaft gezogen werden dann natürlich auch Reiseunternehmen.
Aber nicht nur die Touristik-Branche wird durch einen starken US-Dollar und einen schwachen Euro belastet. Rohstoffe werden zumeist in US-Dollar abgerechnet. Durch einen starken US-Dollar verteuern sich grundsätzlich Materialien, die beispielsweise von der Chemie-Industrie weiterverarbeitet werden. Allerdings wird dieser Währungs-Effekt momentan dadurch gemildert, dass sich die Rohstoffpreise in US-Dollar, allen voran das „schwarze Gold“ Öl, nach unten tendieren.
Bei einem Durchstarten der globalen Konjunktur kann sich diese Situation allerdings schnell ändern, so dass eine Kombination aus steigenden Rohstoffpreisen und einem starken US-Dollar für Unternehmen wie beispielsweise BASF zum Problem werden kann. Zudem können sich High-Tech-Produkte aus den USA für Konsumenten und Unternehmen in der aktuellen Währungskonstellation verteuern.
Deutschen Unternehmen dürfte durch den starken US-Dollar der Übernahme-Appetit auf US-amerikanische Firmen vergehen. Im Gegenzug dazu werden europäische und damit auch deutsche Unternehmen preislich attraktiver für Übernahmen aus den USA. Währungspsychologie Grundsätzlich negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung durch eine weitere Verbilligung des Euro können nicht ganz ausgeschlossen werden, so rosig sich die Situation sich momentan für die Exportunternehmen auch darstellt. Das könnte vor allem dann der Fall sein, wenn die Euro-Abwertung nicht nach und nach in eher gedrosseltem Tempo vonstatten geht, sondern rasch und unkontrolliert.
Ein extremer Fall des Euro könnte zu einem erneuten Vertrauensverlust in die Gemeinschaftswährung führen, die die positiven Aspekte für den Export überkompensiert. In nächster Zukunft dürften allerdings die Kurse vieler Aktien des Dax und des MDax vom billigen Euro profitieren, da er tatsächlich und aus Sicht der Investoren wie eine Vitaminspritze beziehungsweise ein Konjunkturprogramm wirkt.