Anlegeranwälte Abkassieren ohne Aussicht auf Erfolg

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Probleme trotz Prozesserfolg

Doch zehn Jahre später sollen viele trotzdem mehrere Tausend Euro zahlen. „Einige Anwälte haben es versäumt, in den Vergleichen mit den Sparkassen die Innenhaftung auszuschließen“, sagt Hindahl. Während sie von den privaten Krediten befreit sind, müssen sie als Exanteilseigner deshalb nun für Schulden einstehen, die auf Fondsebene gemacht wurden.

Die lückenhaften Vergleiche seien „ein klarer Fall von anwaltlicher Falschberatung“, sagt Hindahl, der mehrere Haftungsklagen vorbereitet. Auch in anderen Fällen wenden sich Anleger gegen ihre Anwälte. „Früher war das die Ausnahme, inzwischen kommt fast wöchentlich eine Anfrage.“

Tücken im Kleingedruckten einer Rechtsschutzversicherung

Fälle gibt es genug, immer wieder haben Kanzleien im Massengeschäft schwere Fehler gemacht. So hat der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr in mehreren Urteilen Anträge auf Schlichtungen für ungültig erklärt, die eine Kanzlei aus Süddeutschland für Dutzende Mandanten eingereicht hatte (III ZR 189/14, 191/14, 198/14 und 227/14).

In dem Fall ging es um Anleger, die von Mitarbeitern des Finanzvertriebs AWD um die Jahrtausendwende in geschlossene Immobilienfonds gelockt wurden. Die brachten ihnen später Verluste ein. Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist Ende 2011 reichte die Kanzlei zahlreiche Güteanträge bei einer Schlichtungsstelle in Freiburg ein. Dies sollte vor allem die Verjährung hemmen: Anleger hätten also auch noch vor Gericht ziehen können, wenn die Schlichtung scheitert. Eine beliebte und oft sinnvolle Strategie, denn Schlichtungen sind günstiger als Prozesse.

Doch daraus wurde nichts. Die obersten Zivilrichter rügten, dass die Anträge schlampig formuliert waren – und stellten klar: Die Anträge müssten Informationen zum Investment, zur Anlagesumme und zum Beratungszeitraum enthalten und zumindest grob umreißen, wie die Beratung lief. Da diese Anforderungen nicht erfüllt seien, hätten die Anträge die Verjährung nicht gehemmt.

Auch ein weiteres BGH-Urteil macht den Massen-Akquisiteuren unter den Anlegeranwälten zu schaffen. Ende 2015 haben die Richter klargestellt: Rechtsschutzversicherer können ihre Verpflichtung gegenüber Anlegern nicht nur erfüllen, indem sie das Vorgehen gegen Banken, Fondsanbieter oder Vermittler bezahlen. Stattdessen können sie auch Prozesse gegen fragwürdige Honorarforderungen von Anwälten finanzieren (IV ZR 266/14). Wer Prozesse oder Anträge ohne Erfolgsaussichten einreicht, muss deshalb nun mit Gegenwind rechnen, sobald Versicherer im Boot sind.

Dabei ging es erneut um die Göttinger Gruppe: Eine Kanzlei hatte im Jahr 2011 Schlichtungsanträge eingereicht, um die Verjährung von Anlegeransprüchen zu verhindern. Der Rechtschutzversicherer der Anleger argumentierte aber, die Kanzlei hätte genug Zeit gehabt, Ansprüche fristgerecht geltend zu machen – und Klagen womöglich bewusst verzögert. Denn für die Schlichtungsanträge konnten die Anwälte Gebühren abrechnen: Je mehr Anträge, desto mehr kassieren sie.

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