Doch zehn Jahre später sollen viele trotzdem mehrere Tausend Euro zahlen. „Einige Anwälte haben es versäumt, in den Vergleichen mit den Sparkassen die Innenhaftung auszuschließen“, sagt Hindahl. Während sie von den privaten Krediten befreit sind, müssen sie als Exanteilseigner deshalb nun für Schulden einstehen, die auf Fondsebene gemacht wurden.
Die lückenhaften Vergleiche seien „ein klarer Fall von anwaltlicher Falschberatung“, sagt Hindahl, der mehrere Haftungsklagen vorbereitet. Auch in anderen Fällen wenden sich Anleger gegen ihre Anwälte. „Früher war das die Ausnahme, inzwischen kommt fast wöchentlich eine Anfrage.“
Tücken im Kleingedruckten einer Rechtsschutzversicherung
In den Vertragsbedingungen sollte eine allgemeine Deckungssumme von mindestens 500.000 Euro vereinbart sein. Es gibt aber auch viele Tarife mit unbegrenzter Deckung. Für den Rechtsschutz weltweit empfiehlt der Bund der Versicherten mindestens 25.000 Euro. Soll die Versicherung bei Strafsachen eine Kaution stellen, sollten dafür im In- wie Ausland mindestens 100.000 Euro zur Verfügung stehen.
Schon eine Selbstbeteiligung von 150 Euro sorgt für deutlich niedrigere Beiträge. Aber selbst 500 Euro sind für die vergleichsweise teuren Gerichtsverfahren eigentlich keine unvertretbare Größe. Die Selbstbeteiligung ist sinnvoll, weil der Versicherer keine Klageflut wegen Bagatellfällen fürchten muss und dadurch die Prämien niedrig gehalten werden. Einige Versicherer nutzen die Selbstbeteiligung für einen Schadenfreiheitsrabatt. Mit den Jahren sinkt dann die Selbstbeteiligung, wenn kein Versicherungsfall eingetreten ist.
Ist der Versicherer nicht von den Erfolgsaussichten eines Gerichtsverfahrens überzeugt, kann er den Rechtsschutz verweigern. Ist laut Vertragsbedingungen aber der sogenannte Stichentscheid zulässig, kann der Versicherte seinen Anwalt mit einem Gutachten zu den Erfolgsaussichten eines Prozesses auf Kosten der Versicherung beauftragen. Kommt der Anwalt zu der Einschätzung, dass gute Chancen bestehen, muss die Rechtsschutzversicherung die Kosten für die erste Instanz übernehmen.
Die Rechtsschutzversicherung sollte in ihren Bedingungen die sogenannte Ereignis-Theorie zulassen. Als Eintritt eines Versicherungsfalles gilt dann der Zeitpunkt, in dem das geschützte Rechtsgut beeinträchtigt wurde - und nicht der Zeitpunkt, an dem das Ereignis seinen Anfang nahm. Beispiel: Taucht ein verdeckter Mangel an einem Neuwagen erst später auf, hilft die Rechtschutzversicherung Schadenersatz oder Garantieansprüche durchzufechten. Auch wenn der Zeitpunkt des Neuwagenkauf lange vor Abschluss der Rechtsschutzpolice erfolgt ist.
Die Streitschlichtung durch einen unparteiischen Mediator ist prinzipiell eine gute Sache. Problematisch sind aber Versicherungsbedingungen, die sie für bestimmte Fälle zwingend vorschreiben. Dann laufen Versicherte Gefahr, die Fristen für ein ordentliches Gerichtsverfahren zu verpassen. Sind die Fronten verhärtet, fehlt zudem oft die Bereitschaft zur Kompromisssuche. Unzulässig sind voraussichtlich Klauseln, die nur dem Versicherer die Auswahl des Mediators gestatten. Selbst in Bereichen, in denen der Versicherer kein Gerichtsverfahren abdeckt, sollte zumindest die Mediation oder eine außergerichtliche Beilegung durch den Versicherer abgedeckt sein. Viele Tarife bieten diese Möglichkeit zum Beispiel für Erbstreitigkeiten oder Scheidungsfälle.
Viele Versicherungstarife schließen Rechtsschutz in Kapitalanlageverfahren kategorisch aus. Einige Anbieter haben jedoch auch Tarife, die Kapitalanlegerklagen abdecken. Diese sind in der Regel deutlich teurer. Versicherungskunden sollten darauf achten ob und in welcher Höhe Prozesskosten oder Anlagen bis zu einer bestimmten Höhe gedeckelt sind.
Wer mit der Regulierung durch seine Versicherung unzufrieden ist und sich zu Unrecht falsch behandelt fühlt, kann den Ombudsmann der Versicherungswirtschaft anrufen, sofern der Versicherer dem Trägerverein dieser Schlichtungsstelle angehört. Bis zu einem bestimmten Streitwert kann er Urteile zum Versicherungsfall treffen, die für die Versicherung dann bindend sind. Jährlich bearbeitet der Ombudsmann mehr als 15.000 Streitfälle mit Versicherungen. Die Kosten dafür tragen die Versicherungen.
Es ist ähnlich wie mit dem Werkstattnetz der Kfz-Versicherer: Viele Rechtsschutztarife sind günstiger, wenn die Versicherung einen Anwalt auswählt, beziehungsweise nur einen Anwalt aus dem eigenen Netzwerk erlaubt. Solche Tarife sind eher zu vermeiden. Eine Umfrage unter Versicherten, die ihre Rechtsschutzversicherung bereits in Anspruch genommen hatten, ergab, dass die freie Wahl des Anwalts sogar als noch höheres Gut gesehen wird als eine hohe Deckungssumme.
Die Rechtsschutzversicherer befinden sich im Verdrängungswettbewerb und bemühen sich daher um besseren Service. Sehr sinnvoll sind telefonische Rechtsberatungen durch Juristen der Versicherung. Einige Tarife bieten diese Rechtsberatung auch für Fälle und Rechtsgebiete an, die nicht im Leistungskatalog der Versicherung stehen. Solche Angebote helfen dabei, Prozessrisiken und den Nutzen den damit verbundenen Kosten gegenüberzustellen.
Fälle gibt es genug, immer wieder haben Kanzleien im Massengeschäft schwere Fehler gemacht. So hat der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr in mehreren Urteilen Anträge auf Schlichtungen für ungültig erklärt, die eine Kanzlei aus Süddeutschland für Dutzende Mandanten eingereicht hatte (III ZR 189/14, 191/14, 198/14 und 227/14).
In dem Fall ging es um Anleger, die von Mitarbeitern des Finanzvertriebs AWD um die Jahrtausendwende in geschlossene Immobilienfonds gelockt wurden. Die brachten ihnen später Verluste ein. Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist Ende 2011 reichte die Kanzlei zahlreiche Güteanträge bei einer Schlichtungsstelle in Freiburg ein. Dies sollte vor allem die Verjährung hemmen: Anleger hätten also auch noch vor Gericht ziehen können, wenn die Schlichtung scheitert. Eine beliebte und oft sinnvolle Strategie, denn Schlichtungen sind günstiger als Prozesse.
Doch daraus wurde nichts. Die obersten Zivilrichter rügten, dass die Anträge schlampig formuliert waren – und stellten klar: Die Anträge müssten Informationen zum Investment, zur Anlagesumme und zum Beratungszeitraum enthalten und zumindest grob umreißen, wie die Beratung lief. Da diese Anforderungen nicht erfüllt seien, hätten die Anträge die Verjährung nicht gehemmt.
Auch ein weiteres BGH-Urteil macht den Massen-Akquisiteuren unter den Anlegeranwälten zu schaffen. Ende 2015 haben die Richter klargestellt: Rechtsschutzversicherer können ihre Verpflichtung gegenüber Anlegern nicht nur erfüllen, indem sie das Vorgehen gegen Banken, Fondsanbieter oder Vermittler bezahlen. Stattdessen können sie auch Prozesse gegen fragwürdige Honorarforderungen von Anwälten finanzieren (IV ZR 266/14). Wer Prozesse oder Anträge ohne Erfolgsaussichten einreicht, muss deshalb nun mit Gegenwind rechnen, sobald Versicherer im Boot sind.
Dabei ging es erneut um die Göttinger Gruppe: Eine Kanzlei hatte im Jahr 2011 Schlichtungsanträge eingereicht, um die Verjährung von Anlegeransprüchen zu verhindern. Der Rechtschutzversicherer der Anleger argumentierte aber, die Kanzlei hätte genug Zeit gehabt, Ansprüche fristgerecht geltend zu machen – und Klagen womöglich bewusst verzögert. Denn für die Schlichtungsanträge konnten die Anwälte Gebühren abrechnen: Je mehr Anträge, desto mehr kassieren sie.