Na, das klingt doch fantastisch: „Sprudelnde Erfolgsaussichten für das Neue Jahr“, verkündete die Texxol Mineralöl AG gegen Jahresende. „Nach einem erfolgreichen 2014“ habe man schon wieder „ein paar Asse im Ärmel“. Aktuelle Bohrprojekte in Texas liefen hervorragend, die Ergebnisse im Öl- und Gasgeschäft seien „eine Bestätigung der langjährigen Firmenpolitik“.
Und daran will Texxol Anleger teilhaben lassen. Über „stille Beteiligungen“ können sie ihr Geld dem Unternehmen aus dem norddeutschen Buchholz anvertrauen. Wenig vertrauenserweckend sieht allerdings der Jahresabschluss 2013 aus, der seit Ende August im Bundesanzeiger zu finden ist. Demnach ist Texxol – wie in den Vorjahren – „buchmäßig überschuldet“.
Bei Öl- und Gasbohrungen sind anfangs hohe Investitionen nötig, erklärt Texxol-Chef Sönke Harrsen das „schlechte Bilanzbild“. Es gebe aber hohe stille Reserven, ermittelt durch „unabhängige anerkannte Sachverständige“. Bislang seien die „Endauszahlungen an Anleger“ stets erfolgt.
Ein großer Teil steht aber noch aus, da erste Ausschüttungen – je nach Beteiligungsmodell – erst nach fünf bis zwölf Jahren anstehen. Zudem liegt keine geprüfte Leistungsbilanz vor. Die sei „in Arbeit“, sagt Harrsen.
Registriert, nicht überwacht
Anleger müssen dem Unternehmen aus Buchholz einen gehörigen Vertrauensvorschuss gewähren – zumal die Aufsicht BaFin nicht genau hinschaut. Als Anbieter stiller Beteiligungen muss sich Texxol nur registrieren lassen; anders als Banken oder Fonds wird Texxol nicht streng überwacht. Beteiligungsprospekte prüfen die Aufseher nur grob nach formalen Kriterien.
Das Beispiel zeigt: Der graue Kapitalmarkt ist längst nicht ausgetrocknet. Noch immer können Anbieter fast unkontrolliert um Investoren für Immobilienprojekte, Ölbohrungen oder Tropenholz-Plantagen werben. Sicher, darunter sind auch seriöse Konzepte. Aber mangels Kontrolle ist die Gefahr hoch, an Blender oder Betrüger zu geraten. Dabei hatte die Regierung Besserung versprochen: Nach den Graumarkt-Skandalen um den Windparkbetreiber Prokon, den Finanzdienstleister Infinus sowie die Immobiliengruppen S&K und Wölbern sollte das Kontrollnetz engmaschiger werden. Doch Fortschritte können die Koalitionäre bislang nur bei „geschlossenen Fonds“ vorweisen, dem langjährigen Lieblingsvehikel des grauen Kapitalmarkts. Anbieter anderer Anlageformen werden erst später enger an die Kandare genommen – weshalb nun ein Schlussverkauf läuft, weil Anbieter ihre Schäflein ins Trockene bringen wollen. Doch bei welchen Produkten sollten Anleger besonders vorsichtig sein? Und was taugen die Gesetzespläne?
Prokon: Die Sicht der Bafin
Frage: Warum ist die Bafin ihrem Auftrag im Fall Prokon nicht nachgekommen und hat ihre Spielräume vollständig ausgenutzt?
Bafin: Bei Prokon handelt es sich um ein nicht von der Bafin beaufsichtigtes Unternehmen. Gesetzliche "Spielräume" sind daher nicht vorhanden. Die Bafin hat lediglich dann Ermessensspielräume, wenn sie zum einen gesetzlich zur Aufsicht über ein Unternehmen befugt ist und dieses Gesetz zum anderen auch einen Ermessensspielraum einräumt.
Bafin: Die Bafin überprüft jedoch den Vermögensanlagenprospekt, der für jedes öffentliche Angebot von Vermögensanlagen (also auch von Genussrechten) notwendig ist. Sowohl für Wertpapiere als auch für Vermögensanlagen ist ein Prospekt zu erstellen, wenn diese Produkte öffentlich angeboten werden sollen - entweder für Wertpapiere nach dem Wertpapierprospektgesetz oder für Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagegesetz (bis zum 1. Juni 2012 Verkaufsprospektgesetz). Der Prospekt wird auf die Vollständigkeit, Verständlichkeit und innere Widerspruchsfreiheit, die so genannte Kohärenz, geprüft. Das bedeutet zum einen, dass Angaben zu allen Mindestinformationen über die jeweilige Anlage und den Emittenten dieser Anlage im Prospekt enthalten sein müssen, also der Prospekt vollständig sein muss.
Bafin: Diese Mindestinformationen sind im Gesetz näher festlegt. So muss der Emittent beispielsweise über wesentliche Risiken der Anlage informieren. Zudem müssen die Informationen im Prospekt für den Anleger verständlich sein. Außerdem müssen die Prospektangaben widerspruchsfrei sein. Eine inhaltliche Prüfung der Prospektangaben findet nicht statt. Darauf ist im Prospekt an herausgehobener Stelle auch hinzuweisen. Die BaFin billigt den Prospekt, nicht jedoch das Produkt als solches. Sie trifft auch keine Aussage über die Seriosität oder die Bonität des Emittenten bzw. des Anbieters.
Bafin: Für den hier gegenständlichen Prospekt der PROKON Regenerative Energien GmbH & Co. KG aus dem Jahr 2005 galt jedoch noch das VerkProspG. Dieses sah einen Prüfungsumfang in Bezug auf die Vollständigkeit der Mindestangaben vor. Der Prospekt vom 19.10.2005 war vollständig und daher zu billigen, weil alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten wurden. Aus diesem Grund war das öffentliche Angebot von Genussrechten der PROKON Regenerative Energien GmbH & Co. KG auch zulässig und konnte nicht von der BaFin untersagt oder gestoppt werden, da es hierfür keine rechtliche Grundlage gab.
Bafin: Zum Nachtrag gilt, dass die BaFin einen Emittenten oder Anbieter nicht zur Erstellung eines Nachtrags zwingen kann. Die Verpflichtung des Anbieters einen Nachtrag zu veröffentlichen, ergibt sich aus § 11 VermAnlG bzw. aus § 11 VerkProspG für Altfälle (also vor dem 01. Juni 2012 hinterlegte Verkaufsprospekte). Diese Vorschrift enthält jedoch keine Ermächtigungsgrundlage für die BaFin, einen Nachtrag zu erzwingen, sondern lediglich eine Verpflichtung des Anbieters, deren Erfüllung diesem in eigener Verantwortung obliegt. Der Emittent muss die Wichtigkeit einer Veränderung oder einer etwaigen Unrichtigkeit im Hinblick auf die Vermögensanlage oder den Emittenten selbst beurteilen, auch die Festlegung des richtigen Zeitpunkts für einen Nachtrag liegt im Ermessen des Anbieters.
Bafin: In den Anwendungsbereich des erst im Jahr 2013 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) fallen auch bestimmte Unternehmen, die Anlegergelder einwerben. Die BaFin hat auf dieser gesetzlichen Grundlage vor der Stellung des Insolvenzantrags im Januar 2014 eine Prüfung eingeleitet, ob die Firma Prokon mit ihrem Geschäftsmodell den verschärften Anforderungen des KAGB entsprechen muss.
Frage: Wie konkret setzen Sie die neuen Vorgaben des BMF bei der Aufsicht von Graumarkt-Unternehmen um?
Bafin: Zur Verfolgung eines risikoorientierten Ansatzes hat die BaFin Unternehmen, die aufgrund ihrer bisherigen Geschäftsmodelle unter das KAGB fallen könnten, die aber bisher noch nicht an die BaFin im Hinblick auf eine Anpassung an das KAGB herangetreten sind, angeschrieben, mit der Aufforderung zu erläutern, welche Maßnahmen zur Umstellung auf das KAGB eingeleitet wurden/werden.
Frage: Wie möchte Ihre Behörde in Zukunft Fälle wie Prokon verhindern?
Bafin: Etwaige regulatorische Schlüsse sind auf Ebene des Gesetzgebers zu ziehen, so dass ich Ihnen hierzu keine Informationen geben kann.
Zu den beliebtesten Produkten auf dem grauen Kapitalmarkt gehören – neben stillen Beteiligungen à la Texxol, die keine Anteile am Unternehmen, sondern nur an etwaigen Gewinnen gewähren – Genussrechte à la Prokon. Es handelt sich um einen Mix aus Aktie und Anleihe, bei Pleiten werden Anleger erst nach anderen Gläubigern bedient – wenn Geld übrig ist.
Genauso ist es bei „nachrangigen Darlehen“. Diese sind oft zudem „partiarisch“ – Anleger kassieren also keinen Festzins, sondern nur Gewinnanteile. Falls das Unternehmen Gewinne macht.
Bereits im August 2013 – kurz nach der Regulierung geschlossener Fonds – konstatierte das Bundesfinanzministerium einen „Trend hin zur Nutzung von Nachrangdarlehen als Kapitalanlageangebot gegenüber Kleinanlegern“. Kein Wunder: Anders als bei stillen Beteiligungen und Genussrechten ist hier bislang nicht mal ein Prospekt nach den BaFin-Mindestkriterien vorgeschrieben.
Vermittlerliebling Graumarkt
Unter Finanzvermittlern sind Graumarktprodukte beliebt, weil der Aufwand deutlich geringer ist als bei regulierten Produkten. „Vermittler müssen bisher keine Beratungsprotokolle ausfüllen und nach aktueller Rechtsprechung auch nicht gesondert über ihre Provision aufklären“, sagt Udo Brinkmöller, Partner der Kanzlei BMS
Rechtsanwälte in Düsseldorf. Außerdem müssen sie ihre „Sachkunde“ nicht nachweisen.
Nachschub für Vermittler gab’s reichlich: Laut einer Umfrage der Ratingagentur Dextro planten allein die etablierten deutschen Emissionshäuser, die ansonsten vor allem geschlossene Fonds auflegen, für das zweite Halbjahr 2014 Graumarkt-Offerten von 106,8 Millionen Euro.