Argentinien Luxuskarossen als Schutz vor Inflation

Die Inflation beutelt Argentinien. Die Einwohner haben jetzt ein Mittel gegen den Wertverlust ihres Geldes entdeckt. Sie kaufen Luxuskarossen. Deutsche Automarken profitieren von der Flucht in Sachwerte.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Als Wertanlage begehrt: BMW. Quelle: ap

Die Argentinier lieben ihre Autos. Sie pflegen sie und hegen sie. Je größer und teurer ein Fahrzeug, desto besser. Die Liebe zum Auto liegt vielfach aber nicht an der Freude an PS und Hubraum. Viele Argentinier kaufen Luxusfahrzeuge als Geldanlage, um ihr Geld gegen die horrende Inflation im Land zu schützen. Die Teuerung frisst ihre Spareinlagen auf und zehrt am Wert der Staatsanleihen.

Besonders begehrt ist klassischer Luxus. Die Autoverkäufe von BMW und Jaguar konnten im April den stärksten Zuwachs unter allen in Argentinien angebotenen Marken verzeichnet. Insgesamt betrachtet schoss der Autoabsatz im April auf Jahressicht um 30 Prozent in die Höhe, wie Daten des argentinischen Verbands der Autohersteller zeigen. Das war der stärkste Zuwachs seit August 2011.

In Argentinien ist es verboten, Dollar zu kaufen, und der Peso dürfte Prognosen zufolge in diesem Jahr um 17 Prozent fallen. Die Inflation ist nach Venezuela die höchste Teuerungsrate in der westlichen Hemisphäre. Vor diesem Hintergrund versuchen die Argentinier ihr Erspartes durch den Kauf von Autos, Gold oder virtuellen Währungen wie Bitcoin zu schützen.

Insbesondere Luxusmodelle werden bei den Argentiniern immer gefragter, da sie zum offiziellen Dollar-Kurs eingeführt werden, erklärt Gonzalo Dalmasso, Analyst für die Autobranche beim Beratungsunternehmen Abeceb.com. Argentinier, die über Dollar- Guthaben verfügen, können die Autos etwa zum halben Preis kaufen, wenn sie ihre Mittel am Schwarzmarkt tauschen. Der offizielle Wechselkurs beträgt 5,2330 Peso je Dollar, der inoffizielle etwa zehn Peso je Dollar.

„Es gibt viele Menschen, die erstmals Autos im oberen Preissegment kaufen, die Minis gegen Mittelklassewagen eintauschen“, sagt Ignacio Monteserin, Verkäufer bei einem Mini-Cooper-Autohaus von BMW in Buenos Aires. „Es ist generell praktisch, einen Luxuswagen zu besitzen, wegen der hohen Differenz bei den Wechselkursen. Man erhält ein Qualitätsprodukt, das den Geldwert im Laufe der Zeit bewahren wird.“


Warum BMW Reis und Porsche Wein exportiert

Im April wurden in Argentinien insgesamt 88.323 Autos verkauft, das war nach Angaben des Autoverbands Adefa der zweithöchste Wert der Datenreihe. Seit Jahresbeginn haben sich die Argentinier 1.588 BMWs zugelegt, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Der Autoabsatz von Jaguar und Land Rover kletterte den Daten zufolge um 200 Prozent beziehungsweise um 278 Prozent.

Im vergangenen Jahr sind die Preise von Gebrauchtwagen um etwa 25 Prozent gestiegen, also im Rahmen der Verbraucherpreis- Entwicklung. Der offizielle Verbraucherpreisindex stieg zuletzt um 10,6 Prozent, unabhängige Beobachter gehen aber davon aus, dass der tatsächliche Preisauftrieb etwa doppelt so hoch sein dürfte.

Inflationsindexierte Peso-Anleihen haben im bisherigen Jahresverlauf 3,4 Prozent verloren, nach einem Minus von 13 Prozent im Jahr 2012, denn sie sind an den offiziellen Inflationsindex gebunden. Die Durchschnittsrendite der in Dollar denominierten Staatsanleihen lag zuletzt bei 13,92 Prozent - etwa drei Mal so hoch wie der Durchschnittswert für Schwellenländer.

Die hohe Inflationsrate und die Differenz zwischen offiziellem Wechselkurs und Schwarzmarkt-Kursen treiben zwar die Autoverkäufe im Lande an. Dieselben Gründe behindern aber auch Investitionen in die Autoindustrie, erklärt Cristiano Rattazzi, President von Fiat Auto Argentina.

„Es gibt keine Gewissheit“, sagt Rattazzi, der auch dem Verband der Autohersteller vorsitzt, in Buenos Aires. „Das Umfeld ist sehr instabil. Was geschieht, wenn sie abwerten? Was geschieht, wenn es mehrere Wechselkurse gibt? Alle diese Fragen und die hohe Inflationsrate bremsen die Investitionen deutlich.“

Im März 2011 hat die argentinische Regierung den Autoimporteuren zur Auflage gemacht, eben so viel aus dem südamerikanischen Land auszuführen wie importiert wird. Damit soll der Handelsbilanzüberschuss des Landes aufgebessert werden.

Daher hat BMW mit dem Export von argentinischem Reis begonnen. Porsche führt Oliven und Malbec-Rotwein aus und Shizuoka Subaru Hühnerfutter. Hyundai Motor liefert Sojamehl nach Vietnam, und Mitsubishi Motors exportiert Erdnüsse. Die Autohersteller gewährleisten damit, ihre im Ausland produzierten Wagen nach Argentinien einführen zu können.

Autos und andere langlebige Güter sind nach Einschätzung des ehemaligen Wirtschaftsministers Jorge Remes Lenicov, der von Januar 2002 bis April 2002 im Amt war, allerdings nur eine temporäre Lösung im Kampf gegen den Kaufkraftverlust. „Man kann sein Geld nirgendwo mehr reinstecken“, meint Lenicov. „Wegen der Inflation verliert man seine Mittel fast überall, aber wenn man ein Auto kauft, dann kann man es wenigstens genießen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%