Balkanisierung der Euro-Zone

Neuerdings liegt es allein im Ermessen der nationalen Zentralbanken in der Eurozone, welche Vermögenswerte sie von ihren Geschäftsbanken als Sicherheiten akzeptieren. Die Abkehr von einer einheitlichen Geldpolitik besiegelt den Anfang vom Ende der Eurozone.

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Der reflexartige Griff zur Notenpresse wirkt ab einen gewissen Punkt kontraproduktiv. Quelle: dpa

Nie zuvor haben Zentralbanken kollektiv soviel Geld gedruckt wie heute. Die Höhe ihrer Bilanzsummen bestimmen, ob Konjunktur und Vermögenspreise steigen oder fallen. Das sind Merkmale einer zentral gesteuerten globalen Planwirtschaft. Ein weiteres Merkmal einer Planwirtschaft aber ist, dass sie immer in der Pleite endet.

Ab einem gewissen Punkt wirkt der reflexartige Griff zur Notenpresse nämlich kontraproduktiv. Dieser Punkt kann mit Blick auf das exponentielle Wachstum der Notenbank-Bilanzsummen nicht mehr allzu fern sein. Viele Forderungen werden sich als ebenso toxisch erweisen wie die wertlosen und unverkäuflichen Finanzinstrumente aus den Giftküchen der Investmentbanken in den Bilanzen deutscher Landesbanken.

Die heutige Krise ist das Ergebnis eines künstlichen Booms, der angefeuert wurde durch die zügellose Ausweitung der Geld- und Kreditmenge im Bankensystem. In den vergangenen 30 Jahren erhöhte sich die Papiergeldmenge in den 34 OECD-Staaten um das Achtzehnfache. Dagegen stieg deren gemeinsame Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum nur um das Sechsfache.

Das Einkommen reicht also bei Weitem nicht, um die Schulden auch nur ansatzweise zu begleichen. Diese Schere weitet sich noch weiter aus, wenn die Zentralbanken noch mehr Geld und Kredit in das System pumpen.

Das Geld fließt in minderwertige Anlagen

Die EZB und die nationalen Zentralbanken des Eurosystems akzeptieren europäische Staatsanleihen, die private Anleger längst als Ramsch eingestuft haben. Quelle: dpa

Faktisch sind die Zentralbanken natürlich heute schon bankrott. In den USA und in Europa fließt das frisch gedruckte Geld in minderwertige Anlagen. Diese dienen die Banken ihren Zentralbanken dann als Sicherheit an für noch mehr Kredit. So akzeptiert die EZB und die nationalen Zentralbanken des Eurosystems nach wie vor alle europäischen Staatsanleihen, obwohl die Bonität einzelner Euro-Staaten von privaten Anlegern längst als Ramsch eingestuft wird. In der Bilanz der EZB liegt der Anteil der Anlagen, die nicht mit der Top-Bonität „AAA“ eingestuft werden, inzwischen beim 33-fachen des Eigenkapitals. Das dürfte EZB-Präsident Mario Draghi aber vermutlich noch als moderaten Hebel bezeichnen. Schließlich war der Italiener einst Mitarbeiter bei der weltweit erfolgreichsten Hebelwerkstatt Goldman Sachs.

In einigen Euroländern gehen den Banken nun trotzdem die Sicherheiten aus, die sie bei ihrer Notenbank noch beleihen können. Aus diesem Grund kassierte der EZB-Rat jetzt mit einem Federstrich die einheitlichen Sicherheitsanforderungen, die bisher für alle 17 nationalen Zentralbanken im Eurosystem galten. Welche Forderung als sicher eingestuft wird oder nicht, liegt also jetzt ganz allein im Ermessen der jeweiligen nationalen Zentralbank. An sie hat die EZB die Notenpresse weitergereicht. Theoretisch käme jetzt auch Klopapier als Refinanzierungsinstrument in Frage. Der Währungsraum verabschiedet sich damit von einer einheitlichen Geldpolitik, die Balkanisierung der Euro-Zone hat begonnen.

Auch dieser Prozess wird angeführt von Griechenland. Seit 2010 hat sich die Bilanzsumme der griechischen Notenbank nahezu verdoppelt. Sie entspricht inzwischen 70 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes – ein Spitzenwert im internationalen Vergleich.

Während die Notenbanken der Krisenländer wachsende und immer riskantere Forderungen gegenüber ihren heimischen Banken aufbauen, türmen sich im Gegenzug bei anderen Notenbanken im Euroraum, vor allem bei der Deutschen Bundesbank, über das Target-2-Zahlungssystem gewaltige Forderungen gegen die Notenbanken aus dem Club Med auf. Bei einer Insolvenz einer oder mehrerer dieser Notenbanken fielen die Verluste auf das Euro-System zurück und wären vor allem vom deutschen Steuerzahler zu tragen. „Wenn die Menschen wüssten, wie unser Geldsystem funktioniert, dann hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh", sagte einst Henry Ford

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