Bank für Vermögen Möglicherweise unqualifizierte Anlageberater unterwegs

Bevor Berater Kunden beraten dürfen, müssen sie beweisen, dass sie qualifiziert sind. Das ist Gesetz. Die Bank für Vermögen interpretiert dies allerdings sehr eigenwillig.

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Ein Mann hält eine Check-Liste in den Händen Quelle: Fotolia
Staßenschilder warnen Fußgänger vor herabfallenden Steinen Quelle: dpa
Alternativen einfordernOft präsentieren Berater ihren Kunden nur ein Produkt – nach dem Motto „Das habe ich nur für Sie ausgewählt“. Nicht selten sind das die Produkte, für die der Berater die höchste Provision bekommt, aber eben nicht die für den Kunden passenden Anlagen. Sparer sollten unbedingt Alternativen einfordern, um vergleichen zu können. Genauso ist es wichtig, nicht nur eine Bank nach guten Anlagen zu fragen. Gehen Sie lieber zu mehreren Geldinstituten und vergleichen die Angebote. Quelle: Fotolia
Eine Dame in einem Beratungsgespräch Quelle: Fotolia
Ein Mann schaut durch eine Lupe Quelle: Fotolia
KostenrechnungHohe Gebühren fallen auch dann an, wenn der Kunde nicht in Wertpapiere investiert. Bei Bausparverträgen etwa verlangen Banken in der Regel einen Prozent der Bausparsumme als Abschlussgebühr. Anleger sollten eine genaue Übersicht einfordern, auf der alle anfallenden Gebühren und Provisionen aufgeführt sind. Wer ein kompliziertes Produkt wie einen Bausparvertrag nicht braucht, sollte sich nicht scheuen, nach einfacheren Anlagen wie einem Banksparplan zu fragen. Quelle: Fotolia
Ein Beratungsgespräch Quelle: Fotolia

Ralf Berndt, Vorstand der Stuttgarter Versicherung, liegt das Wohl der Verbraucher am Herzen. Anlageberater, die nicht ausreichend qualifiziert seien, sagte er bei einer Podiumsdiskussion in Leipzig, müssten „aus der Branche gedrückt werden“. Richtig. Berndt will die Forderung aber offenbar nur auf Wettbewerber angewandt wissen: Denn für den Finanzdienstleister BCA, an dem die Stuttgarter Versicherung beteiligt ist und bei dem Berndt im Aufsichtsrat sitzt, sind möglicherweise Berater tätig, die nicht über die gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation verfügen.

Ein Fall für die Finanzaufsicht BaFin.

Kein Vertrauensvorschuss. Kunden sollten fragen, welche Ausbildung ihr Berater hat. Quelle: Fotolia

An BCA sind neben der Stuttgarter auch die Barmenia, die Signal Iduna, der Volkswohl Bund und die Ideal Lebensversicherung beteiligt. Zum Konzern gehören mehrere Gesellschaften, die Dienstleistungen für Makler und Anlageberater anbieten. Makler sind selbstständige Berater, die Kunden, anders als etwa Versicherungsvertreter, Produkte verschiedener Anbieter verkaufen können. Der BCA-Konzern ist mit 10 000 Beratern und einem Vertriebserlös um die 50 Millionen Euro eine der größten Finanzmaklerorganisationen („Maklerpool“) hierzulande.

Den Versicherern Kopfschmerzen bereiten könnte die Bank für Vermögen (BfV) – eine Wertpapierhandelsbank, der sich Anlageberater anschließen können. Sie treten ihren Kunden gegenüber wie Bankangestellte auf und vertreiben deren Produkte. Formal bleiben sie aber selbstständig. Im Gegenzug haftet die Bank für sie – die Berater gehen unter das „Haftungsdach“ der Bank, wie es im Fachjargon heißt.

Seit November 2012 müssen Berater jedoch nachweisen, dass sie Fachwissen haben, bevor sie auf Kunden losgelassen werden. Das macht es schwieriger, neue Produktverkäufer zu finden. Die Anforderungen könnten „von etlichen Bewerbern nicht erfüllt werden“, sagt Sebastian Grabmaier, Vorstand des Finanzvertriebs Jung, DMS&Cie.

Als qualifiziert gelten Anlageberater nur noch, wenn sie eine IHK-Prüfung bestanden oder eine Ausbildung, etwa als Bankkaufmann, absolviert haben. Ein gleichwertiger Uni-Abschluss tut es auch. Zudem kann die Sachkunde „in anderer geeigneter Weise“ nachgewiesen werden. Dieser Gummiparagraf sollte laut Nero Knapp, Geschäftsführer des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter, allerdings nur ausnahmsweise angewendet werden – und diese Ausnahmen müssten gut begründet werden.

Ausgenommen sind auch „alte Hasen“ – Berater, die bis spätestens Mai 2013 nachgewiesen hatten, dass sie über sechs Jahre ununterbrochen in der Anlageberatung für ein von der BaFin reguliertes Unternehmen tätig waren. Berufserfahrung zählt also nur, wenn diese in einem überwachten Institut gesammelt wurde. Ahnungslose Vermittler sollten so aus dem Markt gespült werden – ganz so, wie Stuttgarter-Vorstand Berndt es sich wünscht.

Nur interessiert das die Bank für Vermögen offenbar nicht. Ein BfV-Sprecher beteuert zwar, die Berater der Bank wären ausreichend qualifiziert. Doch was qualifiziert ist, definiert die BfV recht eigenwillig: Qualifikation werde etwa „in anderer geeigneter Art und Weise“ durch die bisherige Anbindung an einen Maklerpool nachgewiesen, so die Bank.

"Die BfV schafft sich ihre eigenen Regeln."

Dumm nur, dass Maklerpools normalerweise nicht von der BaFin reguliert werden. „Die mehrjährige Tätigkeit für einen Maklerpool reicht nicht einmal, um die Ausnahmeregel für alte Hasen in Anspruch zu nehmen“, sagt Verbandsgeschäftsführer Knapp. „Dementsprechend absurd wäre es, wenn hierdurch nun die Sachkunde des Beraters nachgewiesen werden könnte.“

Die BfV schafft sich offenbar ihre eigenen Regeln. So erklärt sie in einer Stellungnahme weiter, dass Vermittler entsprechend ihrer Qualifikation unterschiedlichen Haftungsdachstufen zugeordnet würden. In Stufe 1 dürfen sie etwa zu Riester-Verträgen beraten. In Stufe 2 kämen Investmentfonds hinzu. „Das dürfte den gesetzlichen Vorgaben kaum gerecht werden“, meint Knapp. „Es gebe im Wertpapierbereich grundsätzlich keine auf einzelne Produkte beschränkte Qualifikationsanforderung“, sagt er. Das Gesetz sieht vielmehr einen breit angelegten Ausbildungsstandard für Anlageberater vor. Punkt.

Die BCA-Wettbewerber Jung, DMS und Netfonds erklärten denn auch, dass für alle ihre Berater dieselben Anforderungen an die Qualifikation gelten würden. Wie viele schlecht ausgebildete Berater im Namen der BfV ahnungslosen Kunden Finanzprodukte andrehen, lässt sich nicht überprüfen. Die BaFin führt zwar alle Vermittler von Finanzprodukten in einem Register. Welche Qualifikation diese haben, fragt die Behörde allerdings nicht ab. Dafür ist die Organisation verantwortlich, die für den Berater haftet – also etwa die BfV.

„Lässt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Berater für die Anlageberatung zu, die nicht über die gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation verfügen, wäre das ein Verstoß gegen das Gesetz“, sagt eine Sprecherin der BaFin. Dieser könne von der Aufsicht geahndet werden – im schlimmsten Fall mit dem Entzug der Lizenz.

Es besteht nicht nur der Verdacht, dass die BfV Anlageberater mit mangelhafter Qualifikation zulässt. Hinzu kommt, dass der BfV-Generalbevollmächtigte Jörg Strobel vor zwei Jahren in einem Artikel davor warnte, dass der 31. Oktober 2012 zum „Schicksalstag“ für Finanzvermittler werden könnte, die sich in Sachen Qualifizierung „nicht gerade auf dem Höchststand“ befänden. Ihnen empfahl er bis Ende Oktober einen Anschluss an ein Haftungsdach „noch zu den derzeit gültigen Qualifikationsvoraussetzungen in Erwägung zu ziehen“. Wohlgemerkt: Im November 2012 traten die neuen Berater-Regeln in Kraft.

Bislang seien die Anforderungen der Haftungsdächer nicht allzu streng, lockte Strobel weiter. Künftig müssten aber auch sie sicherstellen, dass die bei ihnen untergekommenen Vermittler sachkundig seien. Die Botschaft an die Berater: Wer sich uns jetzt noch anschließt, entkommt den strengen Regeln des neuen Gesetzes. Wie Strobel zu dieser Einschätzung der Rechtslage kam, wollte die Bank nicht erklären.

Sie ist auch falsch.

Für Anleger tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf

Denn die Qualifikationsanforderungen galten ab November 2012 für alle Berater, unabhängig davon, wann sie einem Haftungsdach beigetreten sind. Grabmaier von Jung, DMS sagt, dass der Zeitpunkt des Beitritts eines Vermittlers keine Rolle spiele bei der Bewertung, ob er qualifiziert sei. Von Netfonds hieß es, sie forderten Nachweise zur Berufsqualifikation, wie sie heute das Gesetz fordert, bereits seit 2005.

Doch der Trick der Bank funktionierte. Aktuell sind rund 400 Personen und Unternehmen, die auch mehrere Berater beschäftigen, der BfV angeschlossen. Davon sind rund 200 zum 31. Oktober 2012 beigetreten.

Zum Vergleich: Dem Haftungsdach von Jung, DMS trat im Oktober 2012 kein einziger Berater bei. Netfonds verzeichnete nur zwei Anmeldungen. Die Vermutung liegt nahe, dass ein Großteil der BfV-Neuzugänge sich gezielt der Bank angeschlossen hat, um weitermachen zu können – ohne Qualifikation und ohne alter Hase zu sein.

Die Bank für Vermögen erklärt hierzu, ihr Zuwachs sei darauf zurückzuführen, dass Vermittler aus dem Maklerpool der BCA unter das BfV-Haftungsdach gewechselt seien. „Dies geschah unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.“

Für Anleger, denen von schlecht ausgebildeten Vermittlern miese Finanzprodukte aufgedrückt wurden, tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf:

Verkaufe eine Bank Produkte, ohne dass sie die erforderliche Lizenz besitzt, sagt der Kapitalmarktrechtler Klaus Rotter, „ist der Kunde gemäß der geltenden Rechtsprechung so zu stellen, als habe er das Geschäft nie abgeschlossen“. Er bekommt also sein Geld zuzüglich entgangener Zinsen einer geeigneten Alternativanlage zurück. „Diese Rechtsprechung dürfte auch für Anleger gelten, die von einem Vermittler beraten wurden, der diese Tätigkeit nicht hätte ausüben dürfen“, sagt Rotter.

Jedes schlecht laufende Produkt und jeder unzufriedene Kunde würde damit für die BfV zu einem finanziellen Risiko. Ralf Berndt muss nun handeln. Nicht nur zum Wohl der Verbraucher, sondern auch zum Wohl der Bank.

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