Bausparkassen Niedrige Zinsen rechtfertigen keine Kündigung

Alte Bausparverträge bieten noch hohe Zinsen, langjährige Sparer wollen sie deshalb behalten. Zwei Frankfurter Juristen erteilen Massenkündigungen von Bausparverträgen durch Bausparkassen nun eine Absage.

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Das wurde im ersten Halbjahr aus 100.000 Euro
Platz 20: Aktien VenezuelaDie Börse in Caracas ist winzig, nur wenige Aktien sind dort notiert und die Umsätze liegen oft bei nur ein paar tausend Dollar pro Tag. Internationale institutionelle Investoren meiden venezolanische Aktien. Die Inflation im Land galoppiert, der Versorgungsmangel eklatant, die Währung Bolivar ist auf Talfahrt. Anleger, die im Januar 100.000 Euro in den IBC-Index investierten, haben so jetzt nur noch 54.320 Euro. Im Vorjahr hatten sich die Kurse noch mehr als vervierfacht.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 19: Aktien ChinaDie Wirtschaft in China macht Anlegern seit über einem Jahr Sorgen. Die Börse stürzte entsprechend weiter ab. Der Leitindex CSI 300, der die 300 größten Aktien Festlandschinas erfasst, brach um 15,6  Prozent ein. Da gleichzeitig der Yuan zum Euro leicht abwertete blieben Anlegern von 100.000 Euro nur 80.900 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016,  Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 18: Aktien Euro-ZoneDer Jahresauftakt an Europas Börsen war schon ein Horror, dann kam noch das Debakel um den Brexit hinzu. Die Folge: Die Aktien in der Euro-Zone notieren tief im Minus. Wer Anfang des Jahres 100.000 Euro in den Leitindex Euro Stoxx 50 investierte, verfügt angesichts des Minus von 12,3 Prozent jetzt nur noch über 87.670 Euro. Am schlimmsten erwischte es dabei Anleger in Italien – der FTSE MIB 100 Index verlor fast ein Viertel seines Wertes.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: REUTERS
Platz 17: Britisches PfundInvestoren haben die britische Währung nach dem Brexit-Votum regelrecht heruntergeprügelt. Schon vorher litt es deutlich, am Tag nach der Bekanntgabe des Referendums stürzte es dann zum US-Dollar um bis zu knapp 14 Prozent und zum Euro um mehr als acht  Prozent ab. Zur US-Währung liegt das Pfund auf dem niedrigsten Stand seit über 30 Jahren. Zum Euro liegt das Pfund „nur“ auf dem niedrigsten Stand seit rund zwei Jahren. In diesem Jahr wurden aus 100.000 in Pfund angelegten Euro 88.620 Euro.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: dpa
Platz 16: Aktien DeutschlandAuch Aktienanleger in Deutschland hat bislang kein schönes Jahr. Gleich zu Beginn des Jahres stürzte der Leitindex Dax ab. Danach erholte er sich zwar – machte die Verluste vom Jahresanfang aber nie ganz wett. Der Brexit-Schock setzte dem Dax dann erneut zu. Aus 100.000 im Dax investierten Euro sind innerhalb von sechs Monaten nur noch 90.110 Euro geworden.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: AP
Platz 15: Aktien SchweizAuch die Aktien der Schweiz gingen auf Talfahrt. Der Franken legte dabei zum Euro nur ganz leicht zu. Im vergangenen Jahr hatte er kräftig aufgewertet, nachdem die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs für den Franken aufgegeben hatte. Von daher machten Anleger mit Franken in diesem Jahr keine Währungsgewinne. Von 100.000 Euro blieben 91.320 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters
Platz 14: Aktien GroßbritannienDas Brexit-Votum hat der britische Leitindex rasch verkraftet.  Der Leitindex „Footsie“ war zwar am 24. Juni heftig eingebrochen, holte die kurzfristigen Verluste dann aber wieder auf. Trotzdem sind Experten skeptisch, da wegen des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU eine lange Phase der Ungewissheit droht. Dennoch notiert der Footsie auch auf Halbjahressicht 4,2 Prozent im Plus. Da der Euro jedoch zum Pfund kräftig zulegte, machten Euro-Anleger, die ihre Positionen nicht absicherten, einen Verlust von 8,01 Prozent und hatten bei einer Anlagesumme von 100.000 Euro so nur noch 91.990 Euro auf dem Konto.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters

Nach Auffassung des Frankfurter Juraprofessors Tobias Tröger und seines Mitarbeiters Thomas Kelm ist die derzeitige Kündigungspraxis von Bausparkassen nicht mit der Rechtslage vereinbar. Da für Altverträge feste Zinsen vereinbart wurden, entpuppen diese sich in der aktuellen Niedrigzinsphase als äußerst attraktive Geldanlage für die Bausparer. Statt das angesparte Geld für den Kauf oder Bau eines Eigenheims abzurufen, lassen Kunden die lukrativen Verträge daher lieber weiter laufen.

Glaubt man den Argumenten der Bausparkassen, widerspricht dieses Verhalten der Kunden dem Zweck des Bausparens. Sie kündigen die Verträge daher einfach. Viele Sparer ließen sich das nicht gefallen und zogen vor Gericht. Zum Showdown wird es vor dem Bundesgerichtshof (BGH) kommen, Deutschlands oberstem Zivilgericht.

Wie der BGH urteilen wird, lässt sich noch nicht absehen, doch die beiden Frankfurter Wissenschaftler geben den Verbrauchern Recht.

Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen

Die massenhaften Kündigungen erfolgen, weil die Kassen sich die hohen Zinszahlungen an die Sparer nicht mehr leisten können, schließlich wirft das Eigenkapital der Institute wegen der gesunkenen Kapitalmarktzinsen immer weniger Rendite ab. Doch das Niedrigzinsumfeld rechtfertigt aus Sicht der beiden Frankfurter Wissenschaftler Tröger und Kelm keine Kündigung von Bausparverträgen durch den Anbieter. Ihr Argument: Es sei eine originäre Leistung von Kreditinstituten und Bausparkassen, das Risiko von Zinsänderungen in ihrem Geschäft zu berücksichtigen. Würde man ihnen in einem ungünstigen Zinsumfeld ein Sonderkündigungsrecht zugestehen, belohnte man solche Institute, die dieser ökonomisch elementaren Aufgabe nicht gerecht geworden sind.

Zinsrisiko ist Geschäftsrisiko der Bausparkassen

Für Juristen ist es durchaus ungewöhnlich, solche ökonomischen Begründungen ins Feld zu führen. Und es geht noch weiter: Mit einem Sonderkündigungsrecht in Niedrigzinszeiten entstünde die Gefahr eines systematischen moralischen Fehlverhaltens, was Institutionenökonomen als Moral Hazard bezeichnen.

Diese Gefahr liegt laut Tröger und Kelm darin, dass Kreditinstitute, wenn sie jederzeit kündigen dürften, keinen Anreiz mehr hätten, Zinsrisiken überhaupt noch in ihre Verträge einzukalkulieren. Sie würden in guten Zeiten Gewinne mitnehmen und in schlechten Zeiten einfach die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden beenden.

Doch was passiert, wenn Bausparkassen die Belastung nicht mehr schultern können und reihenweise Pleite gehen? Für eine solche systematische Schieflage mit Gefahr für die Finanzstabilität sehen die beiden Juristen einen anderen rechtlichen Ausweg. Dann nämlich wäre die Finanzaufsicht gefragt, sich eine Lösung des Problems zu überlegen.

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