Benzinpreis Teures Öl ist an der Zapfsäule zweitrangig

Der Ölpreis kennt seit Jahren nur eine Richtung; nach oben. Das wird aus guten Gründen auch so bleiben. Aber der Benzinpreis muss deswegen nicht zwangsläufig steigen. Andere Faktoren sind wichtiger.

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Diese Autos verbrauchen unter vier Liter
Mit einem Verbrauch von 3,9 Litern auf 100 Kilometer kommt der Fiat 500 1.3 Multijet gerade so unter die 4-Liter-Marke. Das gilt auch für das Schwestermodell Panda mit dem selben 95 PS starken Dieselmotor. Der kleine Turiner im Retro-Design kostet mindestens 16.400 Euro. Der sparsamste Benziner im 500, der 0.9 Twinair-Zweizylinder (ab 14.400 Euro), kommt im Normverbrauch auf 4,0 Liter. Quelle: dapd
Im Panda kostet der 1.3 Multijet mindestens 13.790 Euro. In beiden Modellen ist der Motor mit einer Start-Stopp-Automatik kombiniert. Quelle: Reuters
Der Audi A1 1.6 TDI kommt auf einen Verbrauch von 3,8 Litern. Wie bei den beiden Fiat Modellen kommt auch bei dem kleinsten Audi mit 105-Diesel-PS ohne Hybrid-Unterstützung auf diesen Normverbrauch. Erhältlich ist der sparsame Dieselmotor im A1 (ab 18.200 Euro), der fünftürigen Variante A1 Sportback (ab 19.050 Euro) und dem (noch) aktuellen Audi A3 (ab 24.050 Euro). Der neue A3 startet im Sommer vorerst nur mit dem 150 PS starken 2.0 TDI. Quelle: obs
Anders sieht das beim Lexus CT 200h aus. Das "h" im Namen verrät es, der Kompaktwagen der Toyota-Tochter hat zwei Herzen, die gemeinsam auf eine Systemleistung von 136 PS kommen. Damit verbraucht der CT 200h im EU-Zyklus 3,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Für den Kompakt-Hybrid werden mindestens 29.200 Euro fällig. Quelle: Toyota
Der Lexus hat den kompletten Antriebsstrang aus dem Hybrid-Vorreiter Toyota Prius übernommen. Daher überrascht es an dieser Stelle nicht, dass der Prius auch auf 3,8 Liter kommt. Ohne den Premium-Anspruch von Lexus gibt es die Technik bei Toyota ein gutes Stück günstiger, der Basis-Prius kostet 25.750 Euro. Quelle: Toyota
Im VW Golf Bluemotion kommt der bereits im Audi A1 erwähnte 1.6 TDI mit 105 PS zum Einsatz. Für den Spar-Golf verlangt Volkswagen 22.150 Euro. Quelle: VW
Wer den Fahrspaß eines Mini genießen, aber gleichzeitig auch sparen will, der muss zum Mini One D oder zum Cooper D greifen. Beide kommen auf 3,8 Liter in der Norm. Der One D (90 PS) kostet in der Basisversion 18.450 Euro, den stärkeren Cooper D mit 112 PS gibt es ab 21.250 Euro. Quelle: BMW

Selbst die relativ schwache Weltkonjunktur infolge der anhaltenden Schuldenkrise hat - anders als in früheren Wirtschaftskrisen – den Ölpreis nicht gebremst. Im Gegenteil: Seit dem kurzen, krisenbedingten Tief bei rund 40 Dollar für das Fass (159 Liter) im Winter 2008/09 hat sich der Ölpreis bereits wieder verdreifacht. Allein seit Anfang des Jahres 2012 hat er für die europäische Sorte (Brent) um 17 Prozent zugelegt. Im vergangenen Jahr kletterte der Preis in Europa schon um ebenfalls 17 Prozent.

Woran liegt das? Da wäre zunächst die Politik. Wie kein anderer Rohstoff ist der Ölpreis abhängig von politischen Strömungen; und die wirken auf die Dauer leider nicht preisberuhigend. Denn die heute weltweit bekannten und wirtschaftlich ausbeutbaren Ölvorkommen liegen zu mehr als 75 Prozent in politischen Krisenregionen – oder zumindest in potenziellen Krisengebieten. Der Großteil der bekannten Vorkommen, die seicht und daher relativ kostengünstig gefördert werden können, befinden sich in wenigen Metern Tiefe unter dem Wüstensand, vor allem das qualitativ eher minderwertige (saure) Rohöl auf der Arabischen Halbinsel.

Aktuell treibt die Sorge vor einer Eskalation im Atomstreit mit dem Iran und einem möglichen Militärschlag Israels gegen die Atomanlagen des Landes den Ölpreis. Die EU-Regierungen haben sich geeinigt, das iranische Öl ab dem 1. Juli 2012 zu boykottieren. Das dürfte die Ölpreise in Europa noch weiter anheizen. Der Iran ist nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Anbieter in der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec).
Doch nicht nur die Lagervorkommen, vor allem die Transportwege des Nahost-Öls liegen in politischen Brennpunkten.

Iranische Militärübungen in der Meerenge von Hormus

Immer wieder hat der Iran in der Vergangenheit damit gedroht, die für den Rohölhandel immens wichtige Meerenge von Hormus (zwischen Iran und der Arabischen Halbinsel im Indischen Ozean gelegen) zu blockieren. Dazu ist es bislang noch nicht gekommen. Doch im vergangenen Winter hat das iranische Militär die Blockade der Meerenge in Manövern geübt.

Die Meerenge ist nicht zuletzt wichtig für die schnell wachsenden Schwellenländer in Asien wie China und für das drittgrößte Industrieland der Erde, Japan; die Asiaten beziehen fast ihre gesamtem Öl-Importe aus dem Nahen Osten und über die Straße von Hormus; sie würden von einem Konflikt um den Iran viel schlimmer getroffen als Europa und die USA.

Saudi-Arabien will Lieferungen temporär erhöhen

Raffinerie Quelle: dpa

Saudi Arabien hat zwar bereits angekündigt, seine Lieferungen temporär zu erhöhen. Allerdings dürfte das, wenn überhaupt, nur kurzfristig Entlastung bringen. Denn auch Saudi Arabien hat kein Interesse an niedrigen Ölpreisen. In einem Interview deutete der saudische Ölminister Ali al Naimi im Januar an, dass der Zielpreis seines Landes nicht mehr bei 75 US-Dollar liegen würde, sondern bei 100 US-Dollar. Das bedeutet, dass Saudi-Arabien – das mit Abstand größte Ölförderland der Erde – seine Fördermengen jederzeit wieder drosseln dürfte, sollte sich der Ölpreis entspannen.

Langfristig ist ein Preis von unter 100 Dollar je Fass (159 Liter) ohnehin nicht zu erwarten. Denn auf die Dauer wird das Öl knapp. Das Maximum der konventionellen Ölförderung wurde nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris bereits vor sechs Jahren erreicht. Seitdem stagniert die Förderung laut Daten der IEA.

Rückgang alter Felder kann nicht ausgeglichen werden

Was unterm Strich an neuer Öl-Produktion hinzukommt, kann den Rückgang der alten Felder nicht mehr ausgleichen Quelle: dpa

Doch dieser Stand wird sich nicht mehr lange halten lassen. Zwar investieren die Öl-Konzerne laufend in neue Technik, die es erlaubt, Ölfelder zu bis zu 70 Prozent auszubeuten und nicht, wie bis vor kurzem, nur zu rund 30 Prozent. Und sie haben ihre Suchanstrengungen nach neuen Feldern (Exploration) laufend erhöht.

Doch was dank all dieser Anstrengungen unterm Strich an neuer Öl-Produktion hinzukommt, kann den Rückgang der alten Felder nicht mehr ausgleichen. Viele unabhängige Experten mutmaßen zudem, dass die meisten der größten Felder der Welt, die fast alle in Saudi Arabien liegen, schon sehr viel weniger hergeben, als die Saudis öffentlich zugeben. Neue so genannte Giant Fields werden trotz aller Anstrengungen kaum entdeckt, und wenn, dann lagern sie oft in mehreren tausend Metern unter dem Meer, etwa vor Brasilien oder Westafrika.

Theoretisch genug Öl für die nächsten zwei Jahrzehnte

Dort gibt es zwar theoretisch noch genug Öl für die nächsten zwei Jahrzehnte, doch ob es sich jemals komplett fördern lässt, ist unklar. Mit welchen Gefahren die Förderung aus so großen Tiefen unter dem Meer verbunden ist, zweigte die Katastrophe um die havarierte Bohrinsel Deepwater Horizon im April 2010.

Neben der angespannten Angebotssituation treibt vor allem die in den vergangenen zehn Jahren schnell gestiegene und kontinuierlich hohe Nachfrage aus den Schwellenländern für teures Öls. Das rasante Wirtschaftswachstum von Ländern wie China, Indien und Brasilien verschlingt immer mehr Öl. Schon jetzt ist China der zweitgrößte Ölimporteur der Welt, nach den USA, obwohl die Motorisierung der chinesischen Bevölkerung mit eigenen Autos gerade erst begonnen hat. Noch vor wenigen Jahren war China nur auf Platz zehn der weltgrößten Öl-Importeure.

Rohölpreis - und Steuern

Genervte deutsche Autofahrer, die nicht in ein paar Jahren – wie die meisten Chinesen heute – mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren wollen, sollten auf einen Rückgang der Rohölpreise lieber nicht zählen, meinen Experten. "Hält der China-Trend an, wird die Welt in 20 Jahren etwa um 40 Prozent mehr Öl verbrauchen als heute", schätzt der Chef des britischen Ölkonzerns BP, Robert Dudley. Und es wird nicht weniger kosten.

Was wir nach dem Besuch an der Zapfsäule dann tatsächlich zahlen, hängt in 20 Jahren wie schon heute von etlichen weiteren Faktoren ab. Der Rohölpreis allein hat eigentlich noch nicht einmal den größten Einfluss auf den Benzinpreis. Ein anderer ragt deutlich heraus: Von den 1,70 Euro, die der Liter Superbenzin zur Zeit kostet, entfällt bereits heute der größte Teil auf Steuern.

Vielfältiger Einfluss auf den Preis

Der Preis orientiert sich am Spotmarkt von Rotterdam Quelle: dpa

Die Tankstellenbetreiber kaufen das Benzin bei den Mineralölkonzernen, wobei sich der Preis am Spotmarkt in Rotterdam orientiert. Dort wird das zu Benzin aufbereitete, also bereits raffinierte Öl verkauft. Was dort für den Liter Super berechnet wird, zahlen die Tankstellenbetreiber an die Mineralölkonzerne. Ihr sogenannter Wareneinstandspreis liegt bei etwa 42 Prozent des Verkaufspreises, macht beim genannten Benzinpreis also rund 71 Cent aus. Darin ist der Rohölpreis, sowie Kosten für die Raffinerie und den Rohöltransport schon enthalten.

Die Benzinpreise in Rotterdam schwanken naturgemäß und sind auch abhängig vom Rohölpreis. Hinzu kommen aber auch noch der Wechselkurs vom Dollar zum Euro und natürlich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. So kostete der Liter Superbenzin Anfang Juli 2008, als die Preise an den Tankstellen in Deutschland neue Rekordstände erreichten, 0,55 Euro pro Liter. Am 1. April kostete der Liter Super in Rotterdam schon 68 Cent. Damals war noch das Rohöl deutlich teurer als heute, dafür aber auch der Euro im Verhältnis zum Dollar deutlich stärker.

Drei Prozent vom Verkaufspreis

Der Tankstellenbetreiber muss mit dem Benzinverkauf seine Kosten für Pacht, die Anlieferung des Benzins, und Instandhaltung und Wartung der Tankstelle, Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie eventuell notwendige Institutionen oder Umrüstungen – wie etwa 2011 auf den Kraftstoff E10 – decken. Und dafür erhält der Tankwart ungefähr drei Prozent vom Verkaufspreis, aktuell etwas mehr als fünf Cent je Liter. Darin enthalten ist eine fixe Marge von durchschnittlich einem Cent je Liter, die er auf der Gewinnseite verbuchen kann, von der er aber auch Investitionen bestreiten muss.

Dementsprechend muss der Tankwart versuchen, so viel Sprit wie möglich zu verkaufen. „Wie viel der Tankstellenbetreiber verdient ist nicht abhängig vom Benzinpreis, sondern nur von der Absatzmenge“, sagt Karin Retzlaff, Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbands MWV in Berlin.

Die Ölmultis geben die Preise vor Quelle: dpa

Ölmultis geben die Preise vor

Den größten Posten in der Spritpreiszusammensetzung beanspruchen jedoch die Steuern für sich: Mineralölsteuer, Ökosteuer und Mehrwertsteuer machen zusammen 46 Prozent des Literpreises aus, bei 1,70 Euro für den Liter Super also gut 78 Cent.

Dass die Ölmultis willkürlich die Preise hochsetzen, weil die Marktmacht es ihnen erlaubt, mag stimmen. Aber mindestens ebenso schnell müssen sie ihre Preise auch wieder senken, wenn die Autofahrer bei der Konkurrenz ein paar hundert Meter weiter billiger tanken. Bei den großen Tankstellenketten der Ölmultis geben die Konzernzentralen die Preise auf den Anzeigentafeln vor. Die Tankwarte haben wenn überhaupt nur mittelbaren Einfluss. Sie können von der Konzernzentrale per E-Mail oder SMS eine Preissenkung zu fordern, wenn die Kunden weg bleiben.

Zentrale prüft den Preis

Die Preise für Benzin- und Dieselkraftstoff halten sich seit Wochen auf Rekordniveau Quelle: dpa

Dann prüft die Zentrale den Preis mit dem der Wettbewerber und den eigenen Einkaufspreisen und stimmt möglicherweise der Preissenkung zu. Oder sie wird von sich aus aktiv, weil die sinkenden Preise der Konkurrenz im Blick hat.

Sowohl der ADAC als auch der Mineralölwirtschaftsverband vermuten, dass dieses Prozedere mehrmals täglich vonstatten geht und im Tagesverlauf zu sinkenden Preisen führt.

Morgens teuer, abends billig

Das Vorgehen der Ölmultis lässt die Beobachtungen des ADAC nur logisch erscheinen. Der Automobilclub hatte Ende März etwa 33 Tankstellen eine Woche lang beobachtet und dreimal täglich die Preise erfasst. Demnach ist Benzin vor allem morgens teuer und abends billig. „Im Tagesverlauf bröckeln die Preise“, sagt Experte Jürgen Grieving vom ADAC. „Bei mehr als der Hälfte der Tankstellen haben wir auch drei unterschiedliche Preise festgestellt. Im Tagesverlauf gab es Sprünge von acht bis zehn Cent je Liter.“

Ob der Tankstellenbesitzer allerdings auch Meldung macht, wenn sein Preis im Verhältnis zur Konkurrenz zu niedrig ist, muss bezweifelt werden. Lange Schlangen vor seinen Zapfsäulen beleben nämlich sein Zusatzgeschäft. „Es ist immer noch so, dass der Tankstellenbetreiber vor allem am Shop-Geschäft und Autowäschen verdient. Das sind die Ertragsbringer“, so Retzlaff.

Zusätzlicher Frust

Dass der Benzinpreis so stark schwankt, sorgt bei vielen Autofahrern für zusätzlichen Frust – weil die vermeintlich billige Tankstelle vielleicht auf dem Weg dorthin den Preis schon wieder erhöht oder andere Tankstellen inzwischen noch billiger geworden sind. „Die Regulierungsmodelle werden daran nicht viel ändern. „Das Beispiel Österreich zeigt, dass wir dann insgesamt höhere Benzinpreise zu erwarten haben“, sagt Grieving vom ADAC. An eine Senkung der Steuern mag er auch nicht glauben, obwohl die freien Tankstellen dies fordern. Deshalb fordert der Automobilclub eine Erhöhung der Pendlerpauschale. „Das ändert zwar nichts an den hohen Benzinpreisen, aber sorgt wenigstens bei denen für Entlastung, die auf das Auto angewiesen sind“, sagt Grieving.

Ansonsten haben die Autofahrer nur zwei Möglichkeiten, etwas gegen die hohen, stark schwankenden Preise zu tun: Spritsparend fahren und immer dann tanken, wenn sie gerade ein einer günstigen Tankstelle vorbeikommen. Denn die nächste Zapfsäule könnte schon deutlich teurer sein.

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