Bert Flossbach im Interview "Der größte Fehler wäre, jetzt noch gute Aktien zu verkaufen"

Der Chef von Deutschlands größtem Vermögensverwalter glaubt weder an steigende Zinsen noch an einen schlimmen Börsencrash wie 2008. Warum Bert Flossbach Gold und bestimmte Aktien nachkauft.

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Bert Flossbach, Chef von Deutschlands größtem Vermögensverwalter, im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Flossbach, der Dax startete so schlecht in ein neues Jahr wie noch nie. Anleger sind tief verunsichert. Wie tief fallen die Kurse noch?

Bert Flossbach: Das Schlimmste sollte jetzt hinter uns liegen.

Also halten Sie die aktuellen Sorgen um China, den Ölpreiskollaps oder die wieder aufflammende Bankenkrise für überzogen?

Da haben wir schon einen Teil des Problems: Sie nennen drei Faktoren in einer Frage, die derzeit oft zusammengerührt werden. Das trägt zu der herrschenden diffusen Crash-Angst bei. Die Dinge müssen einzeln analysiert werden, da sie wenig oder nichts miteinander zu tun haben.

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Das große Bild, die Aussicht für die Weltkonjunktur, hat sich zuletzt wieder eingetrübt. Der Grund ist China; das Land wächst nicht mehr so stark und trägt damit nicht mehr so stark zum Weltwirtschaftswachstum bei, unabhängig davon, ob man die offiziellen Zahlen oder andere Kriterien heranzieht. Darauf reagiert der Dax zur Recht empfindlich, weil unsere Wirtschaft stärker als etwa die der USA von China abhängt. Der schwache Ölpreis ist dagegen ein Segen für die Ölimportländer, zu denen vor allem China und die EU zählen. Die Verlierer sind die Ölexporteure, denen das Geld ausgeht und die, wie Saudi Arabien, an die Devisenreserven müssen oder, wie Venezuela, vor der Staatspleite stehen. Dabei wuchs zuletzt auch die Furcht, dass die großen Staatsfonds Aktien aus Finanznot verkaufen müssen, was kurzfristig Druck auf die Börsen ausüben könnte.

Die Zinswende in den USA drückt die Kurse.

Welche Wende? Die Zinserhöhung wird eine rein kosmetische bleiben. Was wir stattdessen erleben, ist ein Abwertungswettlauf wie aus dem Lehrbuch. Mal ist es der Yen, dann der Yuan, dann der Euro, der von den Notenbanken geschwächt wird. Keiner will in einer Welt schwacher Zinsen und Währungen der einzige mit einer Hartwährung sein; es würde seine Industrie ersticken. Das wird auch die US-Notenbank von nennenswerten Zinssteigerungen abhalten. Dass die Zinsen in den USA bei weitem nicht so stark angehoben werden, wie von der Masse der Volkswirte bis dato erwartet, schlägt sich in der aktuellen Dollarschwäche nieder.

Wie gefährlich ist die Lage in China?

Ernst, aber einige Crash-Propheten übertreiben maßlos; eine Implosion Chinas ist nicht zu erwarten. Natürlich hängt ein großer Teil der Gewinne vieler internationaler Konzerne, insbesondere der deutschen, am Chinageschäft. Das fällt aber nicht auf null. Ein deutlicher Rückgang der Chinaerlöse ist damit längst in den Kursen eingepreist. Auch das Risiko bzw. das Ausmaß einer Abwertung des chinesischen Yuan ist überschaubar. Einen Kollaps erwarten wir nicht, eine sukzessive Abwertung um weitere fünf bis zehn Prozent ist aber durchaus wahrscheinlich. Der starke Wachstumsimpuls fällt weg, aber der reale Umsatz bleibt. Apple beispielsweise macht in China nach wie vor blendende Geschäfte; deutliche Gewinneinbußen sind im Aktienkurs längst eingepreist. Ganz Ähnliches gilt für Daimler. Die Absatzzahlen deutscher Autobauer in China können sich immer noch sehen lassen. China wird seine großen Banken oder Konzerne zudem nicht pleitegehen lassen, was Hunderttausende neue Arbeitslose und soziale Unruhen bedeuten würde. Die chinesische Notenbank hält das System am Laufen und wird indirekt über ihre Banken marode Kredite übernehmen.

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