Herr Friedrich, Herr Weik, Sie propagieren den Zusammenbruch des Finanzsystems als Lösung. Wie kommen Sie denn darauf?
Das tun wir keinesfalls. Wenn jedoch kein Umdenken in der Finanzbranche und bei den Notenbanken stattfindet, wird der Crash die Lösung sein. Denn bisher wurde keines der Probleme gelöst, geschweige denn die Ursache der Probleme. Stattdessen wird schlichtweg volkswirtschaftliche Schadensmaximierung betrieben.
Hat die Marktwirtschaft ausgedient?
Wir leben längst nicht mehr im Zeitalter des Kapitalismus: Banken werden mit Steuergeldern gerettet oder gar verstaatlicht, Notenbanken greifen in die Märkte ein und Aktionäre werden enteignet. Der real existierende Kapitalismus bedient sich Mittel des Kommunismus, um sich selbst zu retten. Wie im Kommunismus profitiert nur eine kleine Elite von diesem System. Mit Gelddrucken wurde bisher noch keine Krise gelöst. Was wir derzeit in Europa beobachten, ist weder im Sinne Europas noch entspricht es unserem Demokratieverständnis. Gesetze und Verträge werden auf oberster Ebene gebrochen und es wird krampfhaft an einer bereits gescheiterten Währung festgehalten - auf Kosten der Menschen und insbesondere auf Kosten der Jugend Europas. Geld, das wie der Euro gerettet werden muss, ist kein Geld.
Zu den Personen
Marc Friedrich studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre und beschäftigte sich intensiv mit der Wirtschaft und den Finanzmärkten. Während eines Arbeitsaufenthalts in Argentinien erlebte er 2001 einen Staatsbankrott und dessen verheerende Folgen selbst mit. In Großbritannien, der Schweiz und den USA sammelte Marc Friedrich wertvolle Arbeitserfahrungen. Gemeinsam mit Matthias Weik hält Marc Friedrich seit mehreren Jahren Seminare und Fachvorträge bei Unternehmen, Verbänden, Stiftungen, auf Kongressen, Fachmessen, sowie an Universitäten und Hochschulen. Marc Friedrich und Matthias Weik sind seit Jahren gern gesehene Wirtschaftsexperten bei Print, Funk und Fernsehen.
Matthias Weik hat “International Business“ in Australien studiert und erfolgreich abgeschlossen. Er befasst sich seit über einem Jahrzehnt eingehend mit der globalen Wirtschaft und ihren Finanzmärkten. Während seiner Tätigkeit für einen deutschen Konzern hat Matthias Weik einen berufsbegleitenden Masterstudiengang (MBA) abgeschlossen. Durch berufliche und studienbegleite Stationen in Südamerika, Asien und Australien sammelte Matthias Weik umfassende Einblicke in die internationale Finanz- und Wirtschaftswelt. Seine gemeinsam mit Marc Friedrich verfassten Bücher „Der größte Raubzug der Geschichte“ und „Der Crash ist die Lösung“ schafften es beide auf die Spiegel-Bestsellerliste.
Warum soll ein Crash die einzige Chance zu einem Neubeginn sein?
Der Mensch lernt offensichtlich zumeist durch Scheitern. Ein drastisches Beispiel ist die Energiewende in Deutschland – ob sie richtig oder falsch ist, sei dahingestellt. Nichtsdestotrotz musste erst eine Katastrophe in Japan geschehen, damit die Energiewende in Deutschland möglich war. Offensichtlich muss uns erst unser Finanzsystem um die Ohren fliegen, damit die Menschen zu der Erkenntnis gelangen, dass wir ein neues Finanzsystem implementieren müssen, welches allen Menschen dient und nicht nur einem kleinen Prozentsatz.
Was passiert nach einem Crash? Wie lange kann es dauern, bis sich die Gesellschaft von so einem Crash erholt?
Was exakt nach einem Crash geschieht, kann niemand sagen, weil niemand die Psychologie der Menschen vorhersagen kann. Niemand weiß, wie die Menschen reagieren, wenn sie vor verschlossenen Banken stehen und möglicherweise eines Großteils ihrer Ersparnisse beraubt werden. Es war noch nie mehr Geld im System, nie war die Wirtschaft aufgrund der Globalisierung so eng miteinander verwoben wie heute. Auch die Dauer, bis sich die Gesellschaft von einem Crash erholt hat, ist schwer zu prognostizieren, ohne zu wissen in welcher Intensivität der Crash stattfinden wird.
Wo wird sich der Crash – wenn er kommt, zuerst zeigen?
Es sind etliche Variablen im System, die es zum Kippen bringen können. Angefangen bei der katastrophalen Kamikaze-Politik Japans mit seiner horrenden Verschuldung über das extrem aufgeblähte Schattenbankensystem in China; drastische politische Verwerfungen im Mittleren Osten; der Ukraine-Konflikt; ein Flash Crash an den Börsen; eine große Bank, die umkippt; der Dollar- oder Eurocrash; der Staatsbankrott von Griechenland, Italien oder Spanien; oder der Staatsanleihen-Blase, die platzt. Fakt ist: Es ist nicht die Frage, ob der Crash kommt, sondern lediglich wann.
"Wir sind keine Crashproheten"
Auf so einen Crash dürften die Eliten am besten vorbereitet sein.
Wir werden alle abgeben müssen. Vor allem der Mittelstand wird einen Großteil der Zeche bezahlen. Besitzer von Sachwerten sind erfahrungsgemäß durch große Krisen immer besser gekommen als Besitzer von Papierwerten. Denn Sachwerte können zweifellos im Wert fallen, sie können jedoch nicht wertlos werden. Leider lernt der Mensch nicht aus der Vergangenheit. Denn hätten wir unseren Großeltern zugehört, wüssten wir, dass eine Lebensversicherung nicht sinnvoll ist und auch das Geld auf dem Sparbuch das Risiko des Vermögensverlustes mit sich bringt.
Bricht das System erst nach einem starken Anstieg der Inflation oder schon vorher zusammen?
Beides ist möglich. Es könnte auch durchaus sein, dass wir zuerst einen deflationären Schock erleben, bevor die große Überraschung kommt. Der Ablauf ist nicht vorhersehbar.
Warum ist die Inflation bisher ausgeblieben?
Wenn wir betrachten, wie die Inflation anhand eines Warenkorbs berechnet wird, dann können wir nur mit dem Kopf schütteln. Der Warenkorb bildet nicht die Realität ab. Dass die Inflation bisher ausgeblieben ist, kann nur jemand behaupten, der keine Wohnung, keinen Strom und keine Heizung braucht, nicht tankt und auch nichts isst. Der durchschnittliche Bundesbürger aber gibt das meiste von seinem Einkommen aus für Wohnen, Energie und Essen aus.
Viele Crashpropheten schüren Ängste unter den Bürgern. Auch Sie verdienen Sie nicht schlecht am Verkauf ihrer Bücher.
Wir sind weder Crash-Propheten noch schüren wir Ängste. Als rational denkende Ökonomen und Realisten arbeiten wir rein faktenbasiert. Und wir sind nun mal aufgrund unserer gewonnenen Erkenntnisse überzeugt, dass Schulden auf Dauer nicht mit Schulden bezahlt werden können. Zweifellos schreiben wir unsere Bücher und halten unsere Vorträge aus missionarischem Eifer. Aber es ist eine Illusion, dass man als Autor mit dem Verkauf von Wirtschaftsbüchern reich wird. Die müssen wir Ihnen leider nehmen.
Bei ihren Argumenten besteht die Gefahr, dass rechtspopulistische und anti-europäische Gruppen und Parteien Sie vor den Karren spannen.
Nein, wir sind überzeugte Demokraten und überzeugte Europäer. Der Binnenmarkt ist eine große Errungenschaft, die bewahrt werden muss. Aber der Euro spaltet Europa, anstatt es zu einen. Wer gegen den Euro ist, muss nicht gegen Europa sein.
Werfen wir einen Blick auf die wichtigsten EU-Partnerländer von Deutschland. Wie sehen Sie die Lage in Frankreich?
Die wirtschaftliche Lage ist verheerend. In Frankreich ist die Staatsverschuldung inzwischen auf über 94 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Mehr als jeder vierte Jugendliche ist dort ohne Arbeit, die Arbeitslosenquote hat mit über zehn Prozent ein Rekordhoch erreicht. Die Industrieproduktion ist zurückgefallen auf den Stand von vor 25 Jahren. Eine von Frankreichs Schlüsselindustrien – die Automobilindustrie – liegt am Boden und produziert nur noch halb so viel Autos wie 2005. Die Zahl der PKW-Zulassungen ist niedriger als Ende der Siebzigerjahre.
"Eine breite Streuung ist essenziell"
Mit Italien ist noch ein weiteres EU-Schwergewicht in der Bredouille.
Dort sieht es noch katastrophaler aus. Die Staatsverschuldung beträgt über 2,15 Billionen Euro, das sind 127 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Euro-Ländern sind laut Maastrichter Vertrag aber nur 60 Prozent erlaubt. Die Arbeitslosenquote beträgt mittlerweile 12,6 Prozent - dies ist die höchste Arbeitslosenzahl seit Einführung der Statistik 1977. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt skandalöse 43,3 Prozent und die Industrieproduktion befindet sich auf dem Niveau von 1986. Auch bei den Kreditausfällen ist ein neuer Höchststand.
Zumindest in Spanien gibt es Anzeichen einer Besserung.
Nein, im Gegenteil. Der Niedergang der Immobilienpreise ist trotz eines Rückganges um 40 Prozent noch nicht gestoppt. Kredite im Volumen von fast 200 Milliarden Euro oder knapp 14 Prozent der Gesamtausleihungen des spanischen Bankensystems sind notleidend. Die Arbeitslosenquote befindet sich weiterhin bei 28 Prozent und knapp mehr als die Hälfte aller Jugendlichen ist ohne Job.
Sie betonen die Gefahr von Kreditausfällen. Könnte der Stresstest der Europäischen Zentralbank das Vertrauen in die Finanzinstitute zurückbringen?
Lassen wir uns überraschen. Wir geben nicht viel auf Stresstests. Im Sommer 2011 hat die belgische Großbank Dexia den EU-Banken-Stresstest mit Bravour überstanden. Nur drei Monate später stand Dexia de facto vor einem Zusammenbruch und musste mit Steuergeldern gerettet werden.
Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt einmal jährlich im Auftrag von pro aurum die Deutschen nach ihren Anlagestrategien. Hier die Ergebnisse vom Juni 2015 - im Vergleich zu den Vorjahren. Zuerst wurden den Bürgern fünf Geldanlagen genannt, mit der Bitte, anzugeben, welche davon aus ihrer Sicht derzeit am besten als langfristige Geldanlage mit mindestens drei Jahren Laufzeit geeignet ist.
Gold platziert sich zum fünften Mal in Folge an erster Stelle, diesmal allerdings deutlicher vor Aktien, die seit 2011 Zuwächse erzielten, aber aktuell in der Anlegergunst gesunken sind: 30 Prozent der Bürger würden sich heute für Gold entscheiden, weil sie vermuten, dass diese Anlage nach mindestens drei Jahren Laufzeit im Vergleich zu den vier anderen Geldanlagen den meisten Gewinn bringt. Gold konnte somit um zwei Prozentpunkte zulegen.
Nur noch 23 Prozent halten Aktien für besonders lukrativ, wenn es um langfristige Geldanlagen geht. Im Vorjahr hatte dieser Wert mit 27 Prozent offenbar einen Gipfel erreicht.
Es folgen Fondsanteile mit zwölf Prozent. Fonds sind in der Gunst der Anleger wieder leicht gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 hatte dieser Wert mit 13 Prozent noch ein Hoch erreicht, war aber 2014 auf elf Prozent zurückgefallen.
Fest- beziehungsweise Termingeld hielten sieben Prozent der Befragten für die lukrativste langfristige Geldanlage. Seit 2011 ist diese Anlageklasse deutlich ins Hintertreffen geraten, damals glaubten noch 22 Prozent der Befragten, Termin- und Festgelder würden auf drei Jahre betrachtet den meisten Gewinn abwerfen.
Drei Prozent nannten Anleihen als aussichtsreichste Anlageklasse, im Vorjahr waren es nur zwei Prozent. Anleihen spielen somit für Privatanleger praktisch keine Rolle. Ernüchternd: Knapp jeder vierte Bürger (24 Prozent) kann nicht sagen, welche dieser Anlagen am besten geeignet wäre, um langfristig möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Angaben "weiß nicht" oder "keine davon" kamen bereits in den Vorjahren ähnlich häufig vor.
Sie raten Anlegern „Raus aus Papierwerten – rein in Sachwerte“. Auf welche sollten Anleger setzen?
Eine breite Streuung an Investments ist essenziell. Höchstens ein Drittel des Gesamtvermögens sollte in eine Anlageklasse investiert werden. Beispielweise ein Drittel Immobilien, ein Drittel Gold und ein Drittel Geld. Wir empfehlen eine wesentlich breitere Streuung über zehn und mehr Anlagen. Dann steht das Vermögen erheblich stabiler, auch wenn das eine oder andere Bein wegbrechen sollte. Auch Landbesitz kann interessant sein.
Bei Immobilien droht bereits eine Preisblase...
Eine eigengenutzte schuldenfreie Immobilie ist eine gute Sache, wenn noch ein finanzieller Puffer da ist, und zwar nicht nur für die Instandhaltung. Das Finanzministerium kann Immobilien durchaus heftig besteuern.
Wovon raten Sie Sparern und Anlegern generell ab?
Seitdem in Zypern die Bankkonten von Sparern drastisch rasiert wurden, um die dortigen Banken zu retten, wissen wir: Geld gehört überall hin, aber nicht auf das Konto. Das Geld auf dem Konto gehört der Bank. Ich gebe damit der Bank, die bis unters Dach verschuldet ist, einen äußerst günstigen Kredit, der nicht einmal dinglich abgesichert ist. Wenn die Bank Ihnen beispielsweise einen Kredit für den Erwerb einer Wohnung gewährt, lässt sie sich diesen durch ein Pfändungsrecht auf die Immobilie absichern. Wir sollten Bundesfinanzminister Schäuble genau zuhören, wenn er sagt, dass wir bei der nächsten Bankenrettung die Gläubiger mit an Bord nehmen müssen. Gläubiger sind nicht nur Aktien- und Anleihebesitzer, sondern eben auch die Sparer.