Nasdaq und die Deutsche Börse testen Konzepte, die es Aktionären ermöglichen, ihre Stimmen während der Hauptversammlung digital in Echtzeit abzugeben.
Und der US-Versandhändler Overstock hat erste Anleihen und Aktien über seine digitale Handelsplattform T0 ausgegeben. Im digitalen Register werden die Besitzverhältnisse festgehalten, ohne dass Banken und Verwahrdienstleister als Mittler eingespannt werden müssen.
"Gerade in der Finanzbranche mit ihren großen Datenmengen, zahlreichen Intermediären und Dienstleistungen, die abgesichert und verifiziert werden müssen, ergeben sich für Blockchain viele Anwendungsmöglichkeiten", erklärt Roland Berger-Partner Sebastian Steger.
Die Autoren der Studie sehen noch weitere Anwendungsfelder, etwa zur Absicherung von Transportrisiken beim Schiffstransport im Fernhandel: Statt Unterlagen zum Wert der Waren und jeden Verladeschritt mit Papierdokumenten festzuhalten, könnten die Unterlagen in der Blockchain mit Zeitstempel digital erfasst werden. Jeder Logistikpartner hätte damit immer Zugriff auf die Unterlagen. Die Lieferung könnte beschleunigt werden, und Handelspartner ihre Zahlungen schneller erhalten, so die Analysten von Roland Berger.
Bei allem Optimismus müssen noch einige Hürden überwunden werden, um die Chancen der Blockchain weltweit nutzen zu können. Insbesondere in solchen Fällen, wo Industrien nicht auf private Blockchains setzen, die nur innerhalb eines geschlossenen Teilnehmerkreises zugänglich sind, etwa für Kunden oder andere Finanzinstitute zur Abwicklung von Transaktionen. Diese ließen sich wohl ohne große regulatorische Änderungen schon heute einführen.
Digital Handeln per Blockchain
Die Blockchain könnte ein weltweites Netzwerk zwischen Privatanlegern, Banken und Börsen spannen. Kauft ein Privatanleger eine Aktie, würde die Übertragung des Besitzrechtes sofort in einem digitalen Register erfasst und verifiziert. Bisher brauchen Anleger dafür eine Bank, die den Kauf noch von einer Abwicklungsstelle bestätigen lässt.
20 Milliarden Euro könnten Anleger mit der Blockchain-Technik jährlich sparen. Das Einsparpotenzial bei Lagerung und Abwicklung von Wertpapieren und dem Handel damit wird auf 90 Prozent geschätzt.
Die großen Investmentbanken zeigen bereits großes Interesse an der neuen Technik. Das New Yorker Start-up R3 CEV konnte bereits 25 internationale Großbanken für das Vorhaben interessieren, darunter JP Morgan, HSBC, Goldman Sachs, UBS, Deutsche Bank und Commerzbank. Gemeinsam arbeiten sie an Standards für den digitalen Wertpapierhandel.
Wenn aber eine öffentlich zugängliche Blockchain implementiert werden soll, die wie bei der Kryptowährung Bitcoin jedem Interessierten zugänglich ist, müssen kritische Fragen geklärt werden. Die Autoren von Roland Berger haben insbesondere mit Fokus auf die Finanzindustrie sechs Herausforderungen identifiziert:
- Eine neue Infrastruktur, die auf der Blockchain basiert, muss mit den enormen Datenmengen umgehen können, die heute in Sekundenbruchteilen verarbeitet werden müssen.
- Weltweit müssten Aufsichtsbehörden einheitliche Richtlinien für Blockchain-Lösungen aufstellen. Das dürfte noch vor der technischen Umsetzung die größte Herausforderung der nächsten Jahre darstellen.
- Verschiedene Anwendungen in der Blockchain müssen miteinander kommunizieren können. Deshalb haben sich in mehreren Forschungsgruppen schon die größten Banken und IT-Unternehmen zusammengeschlossen, um an einheitlichen Standards für die Verwendung von Blockchain-Lösungen zu arbeiten.
- Wenn bestehende IT-Infrastruktur mit einer völlig neuen Technologie ersetzt wird, bedeutet das für Unternehmen vor allem Kosten und auch die Suche nach neuen Mitarbeitern, die eine Blockchain-Infrastruktur verwalten können. Die Roland Berger-Analysten sehen hier einen Mangel an qualifizierten Fachkräften auf die Unternehmen zukommen.
- Damit die Blockchain ihr Potenzial ausspielen kann, müssen insbesondere Finanzkonzerne ihre Kultur verändern. Statt kurzfristig und profitorientiert zu denken, sollten sie für die Umsetzung neuer Blockchain-Lösungen mehr Risiken eingehen und langfristig planen.
- Investitionen zur Digitalisierung der Geschäftsmodelle müssen mit Blick auf die Blockchain gestemmt werden. Wer jetzt in neue Systeme investiert, ohne dass sie in den kommenden Jahren mit neuen Blockchain-Lösungen kompatibel sind, verschwendet Ressourcen.
Denn bei allem Eifer in der Industrie kann die Blockchain ihr revolutionäres Potenzial erst dann ausschöpfen, wenn sie dezentral und weitreichend implementiert wird. Setzen Unternehmen lediglich private, geschlossene Register im eigenen Unternehmen um, verkommt die neue Technologie zu nichts anderem als einem simplen IT-Update.