Mit den Verpackungskünsten der Finanzbranche wurde die Welt der börsengehandelten Indexfonds, die nach ihrer englischen Bezeichnung Exchange Traded Funds als ETF abgekürzt werden, bunter und komplizierter. Ist das gestiegene ETF-Angebot für die Anleger ein Segen? Oder bedrohen sie traditionelle Vermögensverwalter und das Finanzsystem? Wir haben zwei Experten zum Streitgespräch geladen.
Zu den Personen
Heike Fürpaß-Peter leitet den Privatanleger-Vertrieb von ETFs bei der Société-Générale-Tochter Lyxor (52 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen) in Deutschland. Die Kosten von ETFs sind gering, die Anbieter müssen sich bescheiden. Die Wirtschaftswissenschaftlerin arbeitete zuvor bei Merrill Lynch und Nomura.
Mathematiker Georg Graf von Wallwitz verteidigt Fondsmanager gegen den Vorwurf, zu teuer zu sein und sich auszuruhen. Der promovierte Philosoph war unter anderem bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS, bevor er die Vermögensverwaltung Eyb Wallwitz (650 Millionen Euro verwaltetes Vermögen) mitgründete.
WirtschaftsWoche: Frau Fürpaß-Peter, US-Prädidentschaftskandidatin Hillary Clinton setzt bei ihrer Vermögensanlage auf ETF, Warren Buffett rät zu günstigen Indexfonds auf den Aktienindex S&P 500. Sie haben nicht nur populäre Befürworter, jetzt kommen die ETF auch bei den hippen Fintechs zum Einsatz. Mehr Zuspruch und positives Image könnten Sie sich kaum wünschen.
Fürpaß: Die Unterstützung freut uns natürlich. Die ETF sprechen aber als transparente, liquide und günstige Anlageprodukte für sich. Sie sind für viele Anleger interessant und das einzige Fondsprodukt, bei dem Groß- und Privatanleger zu den gleichen Kosten investieren können. Aber gerade aus deutscher Sicht, ist es wichtig, dass Sparer überhaupt in Wertpapieren anlegen. Die Frage, welches Produkt man wählt, ob einen ETF oder einen aktiv gemanagten Fonds, steht dann am Ende. Zunächst einmal sollte sich jeder Investor über seine Risikoneigung und seinen Investmenthorizont klar werden.
von Wallwitz: Ein ETF wird oft als Allheilmittel dargestellt, das ich kaufe und dann wird alles gut. Aber so ist es nicht. Der US-Investor Buffett hat ein Vermögen von 50 Milliarden Dollar. Wenn er einen Aktien-Indexfonds kauft und der mit dem Markt 50 Prozent fällt, wird es auch mit 25 Milliarden noch für eine warme Mahlzeit reichen. Wer 50.000 Euro gespart hat und die Hälfte verliert ist in einer anderen Situation. Buffett setzt ETFs auch nicht für sich selbst ein, sondern rät seinen Erben dazu, denen er nicht so ein gutes Händchen beim Anlegen zutraut. Sie sollen dann aber auch nicht in die neueste ETF-Kreation des Marktes investieren, sondern eher in einen breitgemischten Index wie den S&P 500. Clinton darf vermutlich gar nicht in einzelne Aktien investieren, weil es sie in Interessenkonflikte bringen könnte. Es gibt Anleger, für die ein ETF auf einen breiten Markt das richtige Mittel sein kann, aber es zählt immer die individuelle Situation.
Aktiv gesteuerte Fonds, bei denen ein Manager Aktien oder Anleihen auswählt, geraten zunehmend wegen schwacher Leistungen und hoher Kosten unter Druck und Donald Trump als Investor ist nicht gerade ein Aushängeschild. Droht ein Untergang?
Fürpaß: Nein, das glaube ich nicht. Es sagt niemand, es muss alles ETF sein oder nur aktiv gemanagt. Wir sehen uns als Baustein in einem Portfolio. Es ist eher ein symbiotisches Miteinander. Wichtig ist, dass Anleger ihr Geld überhaupt einsetzen und nicht auf dem Sparbuch vergammeln lassen. Am gefährlichsten ist es, nichts zu tun. Dann kommt die Entscheidung aktiv oder passiv für das Einzelinstrument ganz am Ende. Aber die Erfolgsquote der Fondsmanager ist wirklich nicht gut, wenn über lange Zeiträume nur 20 Prozent es schaffen, überhaupt den Index zu schlagen.
von Wallwitz: Ohne Fondsmanager gäbe es auch für die ETF keine effizienten Märkte mehr. Die Maler des Impressionismus bekamen einen Schock, als die Fotografie aufkam, die billiger, schneller, genauer war und sie dachten, sie würden überflüssig. Aber so wie es noch Maler gibt, gibt es auch das Bedürfnis danach, dass sich jemand Gedanken macht bei der Portfoliokonstruktion, also warum man sich bei einer Firma engagiert oder auch nicht. Wie die Fotografie viele schlechte Maler überflüssig gemacht hat, so werden auch viele Vermögensverwalter verschwinden. Um die, die keinen Nutzen gebracht haben, ist es auch nicht schade. Wenn ein Anleger einen guten nicht von einem schlechten Fondsmanager unterscheiden kann – und das ist nicht einfach – dann ist er mit einem ETF mitunter besser dran.
Marktbreite, große Indizes für langfristige Anleger
Sie haben beide viel Kontakt zu Anlegern. Reichen deren Kenntnisse über Märkte und Produkte, um Anlagefehler zu vermeiden?
Fürpaß: Es gibt Anleger, die sich sehr interessieren und über sehr viel Detailwissen verfügen. Diese unterstützen wir durch Seminare und Börsentage. Aber es gibt auch Anleger, die weniger Wissen haben, denen die Geldanlage zu kompliziert erscheint. Diese unterstützen wir mit Musterportfolios, in denen wir je nach Risikoneigung verschiedene geeignete ETF aus den diversen Anlageklassen vorschlagen, also mit Aktien und Anleihen. Grundsätzlich gilt: Für den langfristigen Anleger sind marktbreite, große Indizes in einem gut diversifizierten Portfolio von Vorteil. Es gibt die Anleger, die wirklich zu Tiefständen im Jahr 2008 ein weltweit diversifiziertes Aktien-ETF-Depot zusammengestellt haben, dieses heute noch besitzen und sich über fantastische Renditen freuen können. Für den Anleger ist es ideal, sich in den großen bekannten Indizes zu bewegen und ein sehr breit gestreutes Portfolio aufzubauen.
Indexfonds-Geschichte: Zufälle und Pioniere
Ökonom Harry Markowitz entwickelte das Grundprinzip der Geldanlage weiter und bekam dafür den Nobelpreis: Durch die Streuung (Diversifikation) ist es möglich, bei gleichen Renditechancen die Risiken zu verringern.
Die Fondsidee bekam erste Kratzer, weil ein mittels Dart-Pfeil von Redakteuren des „Forbes“- Magazins zusammengestelltes Depot später eine bessere Rendite hatte als professionell verwaltete Investmentfonds.
Ein Erbe des Kofferimperiums Samsonite verzichtete auf einen Fondsmanager und ließ den ersten Indexfonds konstruieren aus 1500 Aktien, die an der New Yorker Börse notiert waren.
Vanguard wird in den USA von John Bogle als erster reiner Indexfondsanbieter gegründet und ist heute Nummer zwei unter den weltgrößten Vermögensverwaltern hinter Blackrock, auch groß geworden mit Indexfonds der Marke iShares.
Indexfonds von Commerzbank und Bankhaus Oppenheim mit deutschen Aktien kommen an den Markt.
Standard & Poor’s Indexfonds starten mit geringen Umsätzen im US-Börsenhandel, heute kommen ETFs auf 20 Prozent des Handels.
Mit der HypoVereinsbank-Tochter Indexchange startet der erste reine ETFAnbieter in Deutschland (gehört heute zu iShares).
Erstmaliger Handel von ETFs an der Frankfurter Börse.
von Wallwitz: Doch bis der Anleger so weit ist, dass er sagt, ich möchte einen Dax-ETF oder deutschen Aktienfonds kaufen, das dauert. Die Entscheidung vorher, ob er überhaupt in den Aktienmarkt oder Anleihen investiert, ist viel wichtiger. Und da sind der Berater und der aktive Fondsmanager enorm wichtig, der ihm erklärt, warum was richtig ist und ihn bei der Entscheidung unterstützt. Diese wird ihm kein Roboter abnehmen können. Früher hat der Anleger Aktien bei hohen Kursen teuer gekauft und bei niedrigen billig verkauft. Dieselben Fehler machen die Anleger jetzt mit den ETF. Denn die Branche suggeriert, die seien für die Daytrader geeignet, weil man sie minütlich handeln kann. Man sollte der Branche vorwerfen, dass sie die tägliche Liquidität bieten, denn eigentlich müssen die Anleger die ETF zehn Jahre halten.
Fürpaß: Das ständige rein und raus empfehle ich natürlich nicht. Bei Privatanlegern Wir versuchen wir immer herauszustellen, dass man in ETF langfristig für die Altersvorsorge anlegt und dazu einen Sparplan mit monatlichen Einzahlungen langfristig nutzen sollte. Eine Beschränkung der Liquidität, also des täglichen Handels, halte ich nicht für sinnvoll, weder für Privatanleger noch für institutionelle Investoren, die etwa 80 Prozent des ETF-Marktes ausmachen.
Indexfonds-Geschichte: Zocker und Gefahren
Ausweitung des ETF-Spektrums auf Schwellenländer, Branchenindizes für Immobilienaktien, Goldminen und Dividenden-Indizes.
Die ETFs von Lyxor und iShares auf den Euro Stoxx 50 sind mit zusammen zehn Milliarden Euro die meistverkauften in Europa.
Drei globale Aufsichtsbehörden (IWF, FSB und BIS) warnen vor Risiken der ETFs für die Finanzmärkte. In Europa werden bei 45 (USA: 3) Prozent der ETFs die Indizes mit einem Tauschgeschäft (Swap) mit Banken nachgebildet.
An der Deutschen Börse wurde der 1000. ETF gelistet. Heute gibt es dort rund 1200 von 21 Anbietern.
Großanleger Carl Icahn bezeichnet ETF- und Fondsanbieter Blackrock bei einer Diskussion als „extrem gefährliche Firma“.
Mit 88 Prozent plus seit Jahresbeginn ist der UBS Solactive Global Pure Gold Miners-Aktien ETF Topperformer. Schlusslicht mit 30 Prozent minus ist der RBS Market Access MSCI Emerging Africa ETF.
von Wallwitz: Der Privatanleger braucht genau genommen nur einen ETF und das ist der MSCI Welt. Denn als ich anfing, hieß es, Deutschland ist ein toter Hund, alles muss nach Europa fließen. Alles Geld floss in den Euro Stoxx 50, der ab dem Jahr 2000 furchtbar schlecht gelaufen ist. Seitdem ist der Dax fantastisch gelaufen, und jetzt sagen alle, Du musst den Dax kaufen. Ich fürchte, das ist jetzt nicht mehr die beste Wahl. Deshalb das Beste das breitest gemischte, was es gibt, den MSCI Welt möglichst in der Variante All-Countries, dann sind auch noch Schwellenländer mit drin. Und von 1400 ETF können sie 1399 zumachen. Dann würden sie ihren Anlegern einen Gefallen tun, mit dem ganzen Rest bringen sie die Anleger nur durcheinander. Und dann mit monatlicher Handelbarkeit, dann wird es für den Anleger noch günstiger. Genauso wie der aktive Fonds Geld für die Gesellschaft bringt, so bringt auch der ETF für den Anbieter Geld und nicht dem Anleger.
Fürpaß: Die Diversifikation über Titel, Branchen und Regionen ist das A und O der Geldanlage. Diesem Prinzip würde die Begrenzung des ETF Universums entgegenlaufen. Natürlich wollen wir mit ETF auch Geld verdienen – wir sind ja kein karitativer Verein.
von Wallwitz: Dann können Sie sich auch in den dicken Sessel setzen.
Fürpaß: Die ETF sind günstig. Und die Handelbarkeit hat einen gewissen Preis, dieser steckt aber eher in der Geld-Brief-Spanne und nicht in der jährlichen Managementvergütung.
von Wallwitz: Es ist ein Mythos, dass ETF so billig sind. Wenn man die Wertentwicklung eines ETF gegen einen Index vergleicht, dann liegt der ETF häufig pro Jahr 0,8 Prozentpunkte hinter dem Index. Das hängt häufig mit Steuern und Handelskosten zusammen, die der ETF genauso zahlen muss wie ein aktiver Fonds.
"Langfristig kann der ETF nicht liquider sein als der Markt, den er abbildet"
Fürpaß: Es ist so, dass es große Indizes mit hunderten und tausenden Einzelpositionen gibt, die man kaum 1:1 darstellen kann. Da kommt es schon mal zu einer Abweichung, allerdings liegt diese bei unserem MSCI World ETF bei 0,08 Prozentpunkte, also deutlich unter der jährlichen Verwaltungsgebühr und die haben einen Drift. Aber der ETF auf den US-Index S&P 500 ist bei uns sogar besser als der Index. Ähnlich ist es beim Euro Stoxx 50, aber dies funktioniert zum Beispiel nicht beim Dax. Er ist ein so genannter Performanceindex, in den auch die Dividenden einfließen. Man bekommt aber nach Steuern als Anleger die Dividenden nicht zu 100 Prozent. Bei Preisindizes wie dem Euro Stoxx 50 können wir leichter eine Mehrrendite gegenüber dem Index bekommen, weil wir als Fonds die Dividenden wieder in das Fondsvermögen aufnehmen müssen und dem Anleger gutschreiben. Es gibt viele Studien, die nachweisen, dass die ETF immer effizienter werden und näher an ihre Benchmark-Indizes herankommen.
Wildwuchs herrscht bei dem Produktangebot. Jeder noch so kleine Markt wird mit ETF abgedeckt. Wird das nicht gefährlich?
Fürpaß: Es gibt rund 1400 ETF in Europa, aber Millionen an Zertifikaten. ETF sind viel selektiver, weil sie gesetzlich streng regulierte Fonds sind. Sie haben hohe Auflagen zur Transparenz wie etwa Jahresberichte und Kontrollen etwa durch Wirtschaftsprüfer. Da wird mehr selektiert als bei Zertifikaten. Bevor wir einen ETF neu auflegen, schauen wir uns immer an, wie viel Geld in dem Markt gehandelt wird und ob er liquide genug ist, so dass wir schnell bei den Indexpositionen aufstocken oder abbauen könnten. Wir haben uns etwa gegen einen Wandelanleihen-ETF entschieden, weil es dort die Liquidität nicht gibt. Langfristig kann der ETF nicht liquider sein als der Markt, den er abbildet.
von Wallwitz: Da mag es ja Liquiditätsstudien geben, aber die kann man, wenn alle Anleger zur selben Zeit aus derselben Tür rauswollen, in die Tonne treten. Es gab in den letzten 20 Jahren zweimal die Situation, dass Unternehmensanleihen etwa von Daimler oder BMW praktisch nicht mehr handelbar waren, nach er Lehman-Pleite und nach dem Platzen der Dotcom-Blase. Auch die ETF sind dann nicht mehr handelbar. Die Gefahr ist jetzt eher größer geworden, weil die Banken sich aus dem Handelsgeschäft zurückgezogen haben und die EZB auch noch Anleihen aufkauft. Das wird uns um die Ohren fliegen – irgendwann.
Fürpaß: Jeder Anleger muss sich überlegen, ob er in diesen den Markt, den er gewählt hat, auch mit Einzeltiteln gehen würde und ob dieser auch in Stressphasen beweglich genug ist. Er sollte sich auch überlegen, ob er es zeitweise verkraften kann, nicht über sein Vermögen zu verfügen.
von Wallwitz: Anleihenmärkte tauen immer wieder auf und dann geht der Handel weiter, aber wenn es sich knubbelt, dann werden manche ETF älter aussehen als ein gemanagter Fonds, der immer eine gewisse Cashquote vorhält und diese, wenn er gut ist, rechtzeitig erhöht. Wir sind von Aufsicht gezwungen, drei Prozent liquide in der Kasse zu halten, obwohl wir auch liquide Aktien und Anleihen haben, aber bei den gemanagten Fonds ist die Aufsicht sehr streng.
Fürpaß: Wir unterliegen denselben Regularien und der gleichen Aufsicht wie aktive Fonds. Wir müssen keinen Cash vorhalten, haben aber externe Market-Maker, die für die Liquidität sorgen. Diese haben eine gewissen Puffer-Funktion.
Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt einmal jährlich im Auftrag von pro aurum die Deutschen nach ihren Anlagestrategien. Hier die Ergebnisse vom Juni 2015 - im Vergleich zu den Vorjahren. Zuerst wurden den Bürgern fünf Geldanlagen genannt, mit der Bitte, anzugeben, welche davon aus ihrer Sicht derzeit am besten als langfristige Geldanlage mit mindestens drei Jahren Laufzeit geeignet ist.
Gold platziert sich zum fünften Mal in Folge an erster Stelle, diesmal allerdings deutlicher vor Aktien, die seit 2011 Zuwächse erzielten, aber aktuell in der Anlegergunst gesunken sind: 30 Prozent der Bürger würden sich heute für Gold entscheiden, weil sie vermuten, dass diese Anlage nach mindestens drei Jahren Laufzeit im Vergleich zu den vier anderen Geldanlagen den meisten Gewinn bringt. Gold konnte somit um zwei Prozentpunkte zulegen.
Nur noch 23 Prozent halten Aktien für besonders lukrativ, wenn es um langfristige Geldanlagen geht. Im Vorjahr hatte dieser Wert mit 27 Prozent offenbar einen Gipfel erreicht.
Es folgen Fondsanteile mit zwölf Prozent. Fonds sind in der Gunst der Anleger wieder leicht gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 hatte dieser Wert mit 13 Prozent noch ein Hoch erreicht, war aber 2014 auf elf Prozent zurückgefallen.
Fest- beziehungsweise Termingeld hielten sieben Prozent der Befragten für die lukrativste langfristige Geldanlage. Seit 2011 ist diese Anlageklasse deutlich ins Hintertreffen geraten, damals glaubten noch 22 Prozent der Befragten, Termin- und Festgelder würden auf drei Jahre betrachtet den meisten Gewinn abwerfen.
Drei Prozent nannten Anleihen als aussichtsreichste Anlageklasse, im Vorjahr waren es nur zwei Prozent. Anleihen spielen somit für Privatanleger praktisch keine Rolle. Ernüchternd: Knapp jeder vierte Bürger (24 Prozent) kann nicht sagen, welche dieser Anlagen am besten geeignet wäre, um langfristig möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Angaben "weiß nicht" oder "keine davon" kamen bereits in den Vorjahren ähnlich häufig vor.
von Wallwitz: Die Market-Maker sind nur da, wenn die Börsenlage gut ist. Es wurden doch schon manche ETF vom Handel ausgesetzt, etwa als der griechische Markt geschlossen war oder in Russland mal nichts mehr ging.
Fürpaß: Mit den Problemen sind aber aktive Fonds ebenfalls konfrontiert. Als die griechische Börse über Wochen geschlossen war, konnten wir uns ja keine Aktienpreise ausdenken, wir müssen den ETF immer auf Basis der Aktienpreise bewerten und können keine Mondpreise stellen.
"Auf Fünfjahressicht werden Aktien besser dastehen als Staatsanleihen"
von Wallwitz: Wozu bieten sie einen Griechenland-ETF? Damit verlieren die meisten Anleger doch nur Geld.
Fürpaß: Er wird aber nachgefragt, das ist die freie Entscheidung des Investors. Wir sind ja nicht im Sozialismus, wo vorgeschrieben wird, das ist schlecht für dich, das darfst Du nicht.
von Wallwitz: Dafür gibt es den aktiven Manager, der den Anleger vor diesen Narreteien bewahrt. Der muss kein Sozialist sein.
Fürpaß: Die aktiven Fonds auf diese Länder gibt es ja auch.
Der US-Großanleger Carl Icahn hat 2015 gegen den weltgrößten ETF-Anbieter Blackrock gewettert, das Unternehmen sei eine gefährliche Firma, die das Finanzsystem in die Luft jagen könne. Ist das übertrieben?
von Wallwitz: Ja, da geht es auch um die Liquidität und die tägliche Handelbarkeit der ETF. Icahn hat Fink vorgeworfen, Liquidität zu verkaufen, die er aber im Ernstfall nicht bieten könne. Es gibt bei Anleihen sicherlich Segmente, in denen es brenzlig werden kann durch einen Herdentrieb. Aber bei Aktien ist das Volumen der ETF nicht gefährlich hoch. Erst, wenn über 50 Prozent des Vermögens in ETF steckten, würde es scheußlich.
Fürpaß: Der gesamte ETF Markt in Europa ist 440 Milliarden Euro groß und macht damit nur etwa sechs Prozent am gesamten europäischen Fondsmarkt aus. Auch nur 1,5 Prozent der Unternehmensanleihen werden weltweit in ETF gehalten. Das ist alles noch auf niedrigem Niveau.
von Wallwitz: Der Bereich Unternehmensanleihen ist in den USA ein Sorgenkind und darauf bezogen kann Icahn recht haben.
Drei große Anbieter aus den USA dominieren den ETF Markt. Haben die zu viel Macht?
von Wallwitz: Frau Fürpaß darf nicht über ihre Wettbewerber schimpfen, ich schon. Das Problem ist, dass ein ETF-Anbieter sich nicht in die Firmenpolitik einmischt, er ist kein Aktionär, der sagt, liebe VW-Vorstände, ihr fahrt das Unternehmen vor die Wand und zahlt euch auch noch Boni, die gigantisch sind. Ein Aktionär mischt sich ein oder verkauft ein schlecht geführtes Unternehmen. Dieses Privileg hat der Indexfondsmanager nicht, er mischt sich aber auch nicht auf der Hauptversammlung ein. Das ist für das System ein Problem, wenn sich ein immer größerer Teil der Firmeninhaber tot stellt und dem Management freie Hand lässt. Für die Manager ist ein passiver Investor herrlich. Je höher der ETF-Anteil, desto weniger Kontrolle. Da braucht die ETF-Branche die aktiven Manager, die dafür sorgen, dass die richtigen Unternehmen in die Indizes kommen.
Fürpaß: Darüber freuen sich die Vermögensverwalter auch, die in die ETF investieren.
Wofür interessieren sich die Anleger derzeit am meisten?
Fürpaß: Die Hochzinsanleihen bonitätsschwächerer Unternehmen sind ebenso gefragt wie die Anleihen-ETF zu weniger verschuldeten Unternehmen. Auch bei den Schwellenländer-ETF gab es wieder größere Zuflüsse. In europäischen Aktienprodukten hatten wir eher Mittelabflüsse. Privatanleger bleiben aber ganz klar auf den MSCI Welt und den Dax fokussiert.
von Wallwitz: Wir übernehmen ja die Vermögensanlage und -strukturierung innerhalb des Fonds für unsere Kunden. Wir haben dieses Jahr auch bei den Hochzinsanleihen aufgestockt und bei Anleihen aus der Energie- und Rohstoffbranche, etwa bei Glencore und Pemex, die damals sieben bis acht Prozent Rendite abgeworfen haben. Auch einen kleinen Anteil Schwellenländeranleihen aus Mexiko und Brasilien haben wir aufgenommen. Unsere Anleger möchte ein durchdachtes Portfolio und wir stehen in der Verantwortung, dass der Anleger eine gute Performance bekommt.
Der Aktienmarkt wird in der Niedrigzinsphase als Heilsbringer dargestellt. Zurecht?
Fürpaß: Das Research der Société Générale sieht derzeit Schwellenländer positiv und auch Europäische Aktien. Aber wir haben im Haus auch mit Andrew Edwards einen sehr negativ eingestellten Marktstrategen, der auch einen extremen Kurzsturz für möglich hält.
Wallwitz: Auf Fünfjahressicht werden Aktien besser dastehen als Staatsanleihen, die minus Null bringen. Bei Aktien habe ich eine Dividendenrendite von etwa drei Prozent, die Kurse müssen gar nicht einmal steigen, um vor Staatsanleihen zu liegen. Meine Favoriten sind aber eher ausgewählte Unternehmensanleihen. Ich halte dort das Risiko-Rendite-Profil für gut.
Nimmt der Robo-Advisor und Fintech-Anbieter den traditionellen Vermögensverwaltern die Butter vom Brot?
Fürpaß: Beide setzten bei der Vermögensaufteilung ETF ein. Das ist meist ein standardisierter Prozess, auch transparent und günstig, aber nach jeweils sehr unterschiedlichem Muster. Da gibt es viele verschiedene Varianten, die man sich als Anleger vor einer Investitionsentscheidung genauer ansehen sollte.
von Wallwitz: Aber wenn man die Performance sieht, die meist ja noch nicht sehr lange nachweisbar ist, dann findet man wenig gute. Sie hatten 2015 meist zu viele Schwellenländer-ETF im Depot. Die Fehler der aktiven Fondsmanager sind nur schon viel besser publiziert als die der Fintechs. Die Anleger müssen nicht glauben, dass, wenn sie das Anlagethema abgeben, sie ein Rundum-sorglos-Paket für alle Zeiten bekommen. Das gibt es nicht.