Bundesanleihen Der Leerverkauf des Jahrhunderts

Anlagegurus warnen, und plötzlich fallen die Kurse der als besonders sicher geltenden deutschen Staatsanleihen. Was steckt dahinter?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Was steckt hinter dem Kursverfall der deutschen Staatsanleihen? Quelle: dpa

Was ist da denn los? Plötzlich fallen die Kurse der als ultimativer Hort der Sicherheit geltenden deutschen Staatsanleihen. Seit ihrem Tief Mitte April hat sich die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen verachtfacht; die damit einhergehenden Kursverluste haben vor allem Hedgefonds die Suppe versalzen, die ihre Wetten auf steigende Kurse mit geliehenem Geld aufgeblasen hatten. Auslöser waren die Kommentare einiger Anlagegurus. Noch am 17. April hatte eine zehnjährige deutsche Staatsanleihe gerade mal 0,049 Prozent Zins pro Jahr eingebracht; die Renditen kürzer laufender Bonds sind negativ. Das sei nicht auf Dauer durchzuhalten, meinte Ex-Pimco-Chef Bill Gross und folgerte, mit Wetten auf fallende Kurse könne man das „Geschäft seines Lebens“ machen. Jeffrey Gundlach von DoubleLine Capital sprach gar vom „Leerverkauf des Jahrhunderts“. Mit Leerverkäufen von geliehenen Papieren wetten Anleger auf fallende Kurse.

Zum Autor

Laut Gundlach winkt bei einem Leerverkauf von zweijährigen Bunds, deren Rendite bei minus 0,2 Prozent liegt, ein sicherer Gewinn von 20 Prozent – wenn man das eigene Geld mit dem 100-Fachen an Fremdkapital hebelt; bei kurzfristigen, relativ ausfallsicheren Papieren ist es nicht so abwegig, dass man dafür Kredite bekommt. Denn dass die Anleihe bis zu ihrer Fälligkeit in zwei Jahren genau diese 0,2 Prozent an Kurswert verlieren wird, ist eine Gewissheit, schließlich wird sie zu 100 Prozent zurückbezahlt.

Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten

Jedenfalls gilt das in normalen Zeiten. Aber vielleicht sind deutsche Staatsanleihen nicht der Schutzhafen, für den die Anleger sie seit 2008 halten? Investoren, die US-, britische oder japanische Staatsanleihen kaufen, wissen, dass diese zum Ende der Laufzeit zu 100 Prozent des Kaufpreises in Dollar, Pfund oder Yen zurückgezahlt werden. Wie viel Inflation bis dahin die Anleiherendite real entwertet, steht auf einem anderen Blatt, aber die Rückzahlung 1:1 ist sicher. Bei Euro-Staatsanleihen ist das nicht ganz so trivial. BCA Research schätzt das Risiko eines Euro-Zerfalls bis 2020 auf 20 Prozent, was nach wenig klingt, aber nicht vernachlässigbar ist. Eine neue D-Mark würde angesichts des Produktivitätsvorsprungs der deutschen Wirtschaft um etwa zehn Prozent gegenüber dem Euro aufwerten, meinen die BCA-Analysten, eine neue Lira um zehn Prozent abwerten.

Trendwende zum Schlechten?

Zwar hat Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, bisher sein berühmtes Versprechen „alles Erforderliche tun, um den Euro zu erhalten“ gehalten, aber selbst Super Mario könnte einmal die Luft ausgehen. Fünf Jahre nach der Rettung Griechenlands steht Athen wieder am Rand der Insolvenz. Zwischen den Forderungen der EU nach weiteren Reformen und der Regierung, die mit einer Wirtschaftsdepression konfrontiert ist, liegt nach wie vor eine breite Kluft. Früher hätten schwache Länder jetzt einfach ihre Währung verbilligt und sich so Schwung über ein besseres Exportgeschäft geholt. Wenn Griechenland im Euro bleibt, ist dieser Ausweg versperrt.

So sparen die Deutschen
65 Prozent aller Westdeutschen sparen regelmäßig, im Osten sind es dagegen nur 56 Prozent Quelle: dpa
56 Prozent aller alleinstehenden Deutschen sparen regelmäßig Quelle: dpa
Die finanzielle Bildung hängt offenbar nicht mit der schulischen Bildung zusammen Quelle: dpa
Die Sparsituation hängt in Deutschland stark von der beruflichen Situation ab Quelle: dpa
Wer mehr verdient, der spart auch mehr Quelle: dpa
Wo wird fleißiger gespart: In Großstädten oder auf dem Land? Quelle: dpa/dpaweb
Bei den Bundesländern ist Bayern das Land der Sparer Quelle: dpa

„Gross und Gundlach hätten den Zeitpunkt für ihre Spekulationen nicht besser wählen können“, sagt David Ader, Leiter Staatsanleihestrategie bei CRT Capital, „vielleicht hielten sie ja zufällig selbst schon eine klitzekleine Wette auf fallende Kurse und wollten sie mit ihren öffentlichen Erklärungen absichern“, sagt er sarkastisch. Etwas einfacher machen es sich die Analysten von RBC Capital Markets: „Was hoch gestiegen ist, muss auch wieder herunterkommen.“ Gefährlich sind die Äußerungen, weil sie geeignet sind, eine Kettenreaktion auszulösen.

Auch die Kurse anderer Staatsanleihen gaben nach, besonders die der von Öleinkünften abhängigen Staaten. Die Währungsreserven Saudi-Arabiens schrumpften in zwei Monaten um 36 Milliarden Dollar. Auch Russland soll einige Reserven verbrannt haben. Zuletzt gerieten die Kurse von US-Aktien unter Druck. Laut Louise Yamada, Chefin von Technical Research Advisors, ist der Anteil der S&P 500-Aktien, die über ihrem gleitenden 50-Tage-Durchschnitt notieren, auf unter 250 gerutscht. Das gilt als Zeichen nachlassender Aufwärtsdynamik. Nun liegen Branchen an der Börse vorn, deren Impulse zu schwach sind, als dass sie den Gesamtmarkt anschieben könnten.

Yamada betont, dass dies auch Zeichen einer gesunden Korrektur im Verlauf eines Bullenmarktes sein kann und nicht unbedingt schon eine Trendwende zum Schlechten bedeuten muss. Doch leider mehren sich auch die geopolitischen Risiken. Noch wurde keine Einigung über die Schulden Griechenlands erzielt. Und in Großbritannien finden Wahlen statt: Gewinnen die EU-Skeptiker, verlässt eine der wenigen Zugmaschinen des Bündnisses die EU vielleicht sogar noch vor dem Sorgenkind Griechenland.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%