Bundesbank-Vorstand verteidigt Barzahlung "Bargeld ist geprägte Freiheit"

Das Bezahlen mit Scheinen und Münzen bleibt in Deutschland ein heiß diskutiertes Thema. Der Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele verteidigt das Zahlen in bar. Aus mehreren Gründen.

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Der Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele und Redakteurin Saskia Littmann auf dem Wiwo-Clubabend. Quelle: Bert Bostelmann

Das Bezahlen mit Scheinen und Münzen bleibt in Deutschland ein emotionales und heiß diskutiertes Thema. Das zeigte auch der WiWo-Clubabend, bei dem sich der für Bargeld zuständige Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele vor rund 45 Clubmitgliedern Fragen zur Zukunft des Bargelds stellte.

Herr Thiele, in Indien hat die Regierung gerade große Banknoten über Nacht aus dem Verkehr gezogen, um die Schattenwirtschaft und die Korruption auszutrocknen. Droht uns das in Deutschland demnächst auch?
Nein, die Situation im Ausland ist nicht mit Deutschland vergleichbar. In Indien findet gerade ein Feldversuch statt, den ich noch nicht abschließend bewerten kann und der für mich in Deutschland nicht vorstellbar ist.

Natürlich wird sich auch hier etwas ändern, weil vor allem jüngere Menschen vermehrt andere Zahlungsmittel nutzen. Aber die Deutsche Bundesbank steuert das nicht, das macht der Bürger. Und der entscheidet darüber, ob er bar oder unbar zahlt.

Wo die Deutschen ihr Erspartes verstecken
42 Prozent der Bürger lagern ihr Bargeld aus Verunsicherung zu Hause Quelle: obs
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Das klingt, als blieben uns Scheine und Münzen erhalten. Warum wird das Thema trotzdem so emotional diskutiert?
Weil es den Vorschlag einiger Ökonomen gibt, Bargeld abzuschaffen, um die Zinsen weiter in den negativen Bereich senken zu können. Ferner hat die EZB beschlossen, dass ab 2018 der 500-Euro-Schein nicht mehr ausgegeben wird. Zudem hat das Bundesministerium der Finanzen ein Gutachten in Auftrag gegeben, das eine Obergrenze für Barzahlungen fordert.

Hieraus entsteht bei vielen Bürgern die Sorge, dass dies erste Schritte zur Abschaffung des Bargeldes sein könnten. Da es aber nicht nur um eine volkswirtschaftliche Diskussion geht, sondern um das Geld der Bürger, die es erarbeitet und erspart haben, reagieren sie so sensibel. „Bargeld ist geprägte Freiheit“, die dem Bürger zu Recht sehr wichtig ist.

Wäre eine Obergrenze für Barzahlungen sinnvoll, um Kriminalität zu bekämpfen?
Natürlich muss Kriminalität bekämpft werden. Ob das mit einer Obergrenze funktioniert, bezweifle ich aber. Mir ist nicht bekannt, dass es in Ländern mit einer Bargeldobergrenze weniger Kriminalität gebe.

Der 500-Euro-Schein wird ab 2018 nicht mehr ausgegeben. Was hat sich seit der EZB-Ratsentscheidung verändert?
Der Schein bleibt weiter unbefristet gesetzliches Zahlungsmittel. Allerdings wurden im vergangenen Jahr wegen dieser Entscheidung deutlich mehr 500-Euro-Scheine bei der Bundesbank eingezahlt als ausgegeben. Trotzdem ist der Wert des Bargelds, das die Bundesbank in Umlauf gegeben hat, im Jahr 2016 um über sieben Prozent gestiegen. Das ist schon bemerkenswert.

"Wir gehen davon aus, dass das Bargeld nicht abgeschafft wird"

Heißt das, die Negativzinsen veranlassen die Deutschen dazu, mehr Bargeld zu horten?
Nach unseren Untersuchungen haben wir als Reaktion auf die Negativzinsen nicht feststellen können, dass die Deutschen mehr Bargeld horten. Denn der Bürger ist davon bislang gar nicht betroffen.

Studien beziffern die Kosten für die Ausgabe und das Bezahlen mit Bargeld mit rund zehn Milliarden Euro pro Jahr. Werden Scheine und Münzen irgendwann zu teuer, wenn immer weniger Menschen sie nutzen?
Die Summe ist aus meiner Sicht aus der Luft gegriffen und nicht belegt. Die Bundesbank beispielsweise gibt für den Druck neuer Scheine pro Jahr 60 bis 80 Millionen Euro aus. Zudem wird Bargeld auch vom Handel immer noch als das günstigste Zahlungsmittel beschrieben.


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Eine mögliche Sparmaßnahme wäre ja das Abschaffen der 1–und 2-Cent-Münzen.
Mir ist nicht bekannt, dass der Finanzminister das Abschaffen der 1- und 2-Cent Münzen erwägt. Im Gegenteil, der Finanzminister macht bei kleinen Münzen sogar einen Gewinn, denn die Produktionskostensind niedriger als der Nominalwert.

Auch Falschgeld ist teuer. Sind die Scheine der neuen Europa-Serie wirklich schwerer zu fälschen als die bisherigen?
Ja, das hat sich in den Zahlen bemerkbar gemacht. Der Schaden durch Falschgeld lag in Deutschland im vergangenen Jahr bei rund vier Millionen Euro.

Angenommen, die Abkehr vom Bargeld würde beschlossen: Wie könnte das überhaupt funktionieren, hat die Bundesbank dafür einen Plan?
Nein. Wir gehen davon aus, dass das Bargeld nicht abgeschafft wird.

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