WirtschaftsWoche Online: Herr Rapp, wie bewerten Sie die für viele Beobachter überraschende Zinssenkung der Europäischen Zentralbank?
Rapp: Das war nicht unbedingt unerwartet. Die Zinssenkung ist vor allem ein Signal, dass es noch mehr Druck seitens der Notenbanken gibt, um die Weltwirtschaft und insbesondere die Euro-Wirtschaft auf Touren zu halten. Aber die Zinssenkung als solche hat kaum Einfluss auf die Märkte. Es ist vielmehr ein Anzeichen dafür, dass bei der EZB ein neues Nachdenken beginnt.
Ein neues Nachdenken worüber?
Das Risiko, dass der Erholungskurs in Europas Wirtschaft nachlässt, abkippt und schließlich in sich zusammenfällt, ist in der aktuellen Wirtschaftslage sehr real. Deshalb ist das Signal „wir bleiben dran“ richtig. Aber wahrscheinlich wird das nicht reichen. Meine Prognose: Das war nicht der letzte Schritt der EZB. Da muss noch was Großes kommen, das direktere Wirkung entfaltet. Nach der ersten Euphorie an den Märkten macht sich jetzt der Eindruck breit, dass es bei so einem Schritt nicht gut um die Wirtschaftslage bestellt sein kann.
Aber die Euro-Zonen-Wirtschaft zeigte zuletzt doch klare Erholungstendenzen. Warum gerade jetzt die Zinssenkung?
Die Wahrnehmungen dazu sind sehr unterschiedlich. Einige kluge Leute sagen, das Timing war falsch, weil die EZB damit Hektik und Panik verbreitet – vor allem mit Blick auf die erst kurz zuvor präsentierte, sehr niedrige Inflationsrate von 0,7 Prozent im Jahr. Die Zinssenkung der EZB riecht förmlich nach Deflationsangst. Das muss aber nicht der Auslöser gewesen sein. Ich vermute, es war eine Art Rückversicherung. Denn die Entwicklung der Konjunkturindikatoren zeigte zwar auf Sicht der vergangenen zwölf Monate eine klare Verbesserung der Lage - auch unsere eigene Prognose für 2014 ist weiter positiv. Aber bei vielen Indikatoren gibt es aktuell Anzeichen, dass die Erholung etwas abebbt. Die Notenbank tut gut daran, den beginnenden Aufschwung schon jetzt weiter zu stützen.
Mit welcher großen Maßnahme der EZB rechnen Sie denn? Mit milliardenschweren Anleihekäufen wie seitens der amerikanischen Notenbank?
Staatsanleihekäufe sind für die EZB die rote Linie und höchstens im ganz großen Krisenfall denkbar. Die EZB wird das sicher etwas smarter machen und eher die unternehmensrelevanten Anleihesegmente stützen. Da sind direkte Käufe vorstellbar, um die Transmission der sehr niedrigen Zinsen etwa in die Konditionen für Unternehmensanleihen in Spanien oder Italien zu erreichen. Bisher kommt dort für die Refinanzierung der Unternehmen viel zu wenig von den niedrigen Zinsen an. Damit könnte die EZB die Realwirtschaft direkt unterstützen. Außerdem dürfen wir nicht unterschätzen, dass Mario Draghi ein sehr kreativer Mensch ist. Dem wird noch was einfallen, ganz gleich ob durch direkte Käufe, indirekte Aktionen oder durch die Verlängerung pauschaler Stützungsmaßnahmen. Die Banken hatten bereits ihre Party, jetzt ist die Realwirtschaft dran. Dort müssen die Zinsen sinken.
"Überhitzungen in den nächsten Monaten"
Über billige Kredite für Unternehmen sollen also die Investitionen zunehmen.
Ja, man kann es aber auch technischer sehen: Der ganze Geldumlauf in der Wirtschaft ist zu gering. Das kann eine Notenbank kaum direkt beeinflussen. Um den Geldkreislauf anzuregen, müsste auch der private Sektor mehr konsumieren und Kredite aufnehmen. Das wäre bei so niedrigen Zinsen normal. Aber nachdem wir aus einer Kreditblase herausgefallen sind, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr. Weil die Banken nur sparen und ihre Bilanzen reparieren – auch wegen neuer Auflagen – fallen diese als Transmissionsriemen weitgehend aus. Das ist das Hauptproblem. Deshalb muss die Notenbank Starthilfe leisten, das Bankensystem mit einem Bypass umgehen und direkt für Konsumenten und Unternehmen was tun. Beim Konsumenten funktioniert das nur, wenn er Inflation erwartet. Das ist das japanische Modell.
Die Deflationsangst ist also übertrieben?
Im Grundsatz sind wir seit dem Ausbruch der Krise vor fünf Jahren eher in einem deflationären Szenario für die Realwirtschaft unterwegs. Inflation ist nirgendwo erkennbar. Die kann wegen der beschriebenen fehlenden Transmissionseffekte und der Verschuldung der Konsumenten derzeit auch nicht entstehen. Inflation findet momentan nur in den Anlagemärkten statt. Die Notenbanken – vor allem die US-Notenbank Fed – nehmen bewusst in Kauf, dass Immobilienmärkte und Aktienmärkte inflationiert werden. Das ist ein erklärtes Ziel der aktuellen Geldpolitik, und gleichzeitig die Kehrseite der deflationären Tendenz in der Realwirtschaft. Eine schnelle Umkehr wird es wohl nicht geben, weil dazu die Banken erst einmal wieder in großem Umfang Kredite vergeben müssten. Das ist aber nicht in Sicht.
Sie beraten viele vermögende Familien und institutionelle Investoren. Worauf stellen Sie Ihre Kunden jetzt ein?
In den nächsten sechs bis zwölf Monaten wird sich dieser Zustand nicht ändern. Wir bleiben in einer Welt, in der die Notenbanken Dampf unterm Kessel machen. Das wird dafür sorgen, dass die liquiden Märkte ansteigen. Das sind in erster Linie die großen Aktienmärkte, so wie in den vergangenen ein, zwei Jahren. Wir müssen vor allem nach Amerika schauen, wann sich an dieser Politik etwas ändert. Aber der von Fed-Chef Ben Bernanke angedeutete Kurswechsel ist vorerst verschoben, seine designierte Nachfolgerin Janet Yellen wird wohl noch etwas länger auf dem Gaspedal stehen bleiben. So lange gilt ‚Go with the flow‘ und ‚Never fight the Fed‘. Aber: Dieses Spiel wird zunehmend sauerstoffarm.
Was bedeutet das?
Wir müssen damit rechnen, dass es in den kommenden Monaten zu Überhitzungen kommt, weil dann auch der letzte auf den fahrenden Zug aufgesprungen sein wird. Wenn dann die Weltwirtschaft immer noch nicht anspringt – was die EZB derzeit so besorgt -, kann es zu heftigen Korrekturen kommen. Realwirtschaft, die Erwartungen der Finanzmärkte sowie die Preise an den Aktienmärkten würden dann nicht mehr zusammenpassen.
"Für Anleger ist der Aktienmarkt ein guter Platz"
Wo genau am Aktienmarkt drohen denn Überhitzungen und Korrekturen?
Die Märkte sind schon jetzt in einem etwas angeheiterten Zustand. US-Aktien laufen schon länger sehr gut und zeigen technisch bereits eine leichte Überhitzung. Das spiegelt sich etwa in der Bewertung einiger Internetaktien wider. Wenn eine Twitter-Aktie gleich am ersten Handelstag um 75 Prozent steigt, ist zu viel Euphorie im Markt. Es gibt am US-Aktienmarkt also schon einzelne Tendenzen zur Blasenbildung. Aber die Übertreibung ist noch nicht generell und in der Breite vorhanden. Akut besteht noch keine Gefahr, aber wenn wir die 10.000 Punkte im Dax feiern, sollten Anleger vielleicht überlegen, ob sie einen Teil der Chips vom Tisch nehmen.
Für den europäischen Aktienmarkt sehen Sie noch keinen Grund zur Nervosität?
Höchstens im ganz kurzfristigen Bereich. Das arbeitet der Markt in ein paar Tagen ab. Ich würde aber differenzieren zwischen der Dax-Entwicklung und etwa den Börsen in Italien, Spanien oder Frankreich. Die haben zuletzt Boden gut gemacht, aber für die nächsten Jahre noch ordentliches Erholungspotenzial. Wir bevorzugen deshalb diese Nachzügler. Bereits Anfang des Jahres haben wir auf Italiens Aktienmarkt gesetzt. Damals war er extrem unbeliebt, jedes ökonomische und politische Risiko war eingepreist, die Kurse am Boden. Die Strategie ging auf, im Rückblick war der italienische Markt einer der besten Performer weltweit in diesem Jahr. Jetzt ist das Potenzial zwar geringer geworden, aber immer noch erheblich.
Ist in Deutschland für Dax & Co bald das Ende der Fahnenstange erreicht?
Deutschland ist immer Gewinner einer solchen Situation und profitiert von den niedrigen Zinsen und einem schwächeren Euro. Aber deutsche Aktien sind natürlich auch schon gut gekauft worden. Ich würde deshalb nicht alles auf den Dax setzen, sondern Teile durchaus auch in den südlichen Ländern anlegen.
Womit müssen Anleger auf längere Sicht rechnen?
Ich denke, auf Sicht von drei bis fünf Jahren dürfen wir dem Aktienmarkt schon vertrauen. Für Anleger ist das ein guter Platz. Die Notenbanken werden dafür sorgen, dass die Realwirtschaft wieder anspringt und vielleicht auch echte Inflation entsteht. Für Anleger muss die Strategie daher sein, in den nächsten Jahren sachwertorientierte Investitionen zu bevorzugen. Dazu gehören neben Aktien auch Rohstoffe und Edelmetalle, aber natürlich auch Immobilien.
Sie halten Immobilen immer noch für ein zukunftsträchtiges Investment?
Um die Diskussion kommen wir nicht umhin. Wir wissen alle, wo wir da aus deutscher Sicht herkommen. Mit offenen Immobilienfonds gab es viele Katastrophen. Aber wenn Investoren bereit sind, auch in anderen Formen – zum Beispiel in Form von Direktanlagen – auf den Immobilienmarkt zu setzen, geschickt auswählen und nicht jedem heiß gelaufenen Regionalmarkt wie etwa München hinterherhecheln, ist eine Immobilienanlage nach wie vor sehr interessant. Es ist ein Substanzwert.
"Der Immobilienmarkt hat noch viel Potenzial"
Wie investieren Sie am Immobilienmarkt für Ihre Kunden?
Vor allem Immobilien in langfristig intakten, bislang vernachlässigten B-Regionen bieten sich an. Dort finden sich Objekte, die noch nicht überteuert sind. Schon vor drei Jahren haben wir gesagt, der deutsche Immobilienmarkt hat noch viel Potenzial. Zu dieser Aussage stehe ich auch heute noch. Für unsere Kunden sind wir deshalb vor kurzem Beteiligungen in Immobilien-Pools eingegangen, wo sie direkt und transparent in bestimmte Objekte investieren können. Außerdem nehmen wir wieder verstärkt US-Immobilieninvestment in den Fokus, weil wir glauben, dass dort die Erholung gerade erst anläuft – vor allem bei Gewerbeimmobilien. Die US-Notenbank wird den dortigen Immobilienmarkt nicht nur stützen, sondern sogar anfeuern. Die Preise dort haben jedenfalls noch Platz nach oben.
Wie gewichten Sie denn die verschiedenen Anlageklassen für ihre vermögenden Kunden?
Der Aktienanteil ist schon ziemlich hoch. Im durchschnittlichen Portfolio mit ebenso durchschnittlichem Risiko sind es schon 45 bis 50 Prozent Aktien. Die Schwerpunkte liegen dabei auf europäischen Aktien, vor allem mittelgroße, MDax-ähnliche Werte. Daran halten wir zunächst fest und sichern die Positionen ab, wenn wir Überhitzungen sehen. Ansonsten sind es 10 bis 20 Prozent Immobilien. Außerdem versuchen wir Private Equity-Investments stärker aufzubauen. Dort ist jetzt das Umfeld auf Sicht von vier bis fünf Jahren sehr vorteilhaft. Geringe Anteile, also weniger als 15 Prozent, investieren wir im Rentenmarkt - was sich von selbst versteht, weil dort wenig zu holen ist. Das sind eher taktische Manöver. Je nach Präferenz können auch fünf bis zehn Prozent in Hedgefonds liegen. Daneben gibt es eine atmende Rohstoff-Edelmetall-Gold-Quote. Anfang des Jahres hatten wir diesen Bereich reduziert, er war fast ganz verschwunden. Nachdem die Preise sehr stark gefallen sind, sehen wir vor allem die Industrierohstoffe wieder zunehmend positiv.
10 Tipps für Börseneinsteiger
Bevor ein potentieller Anleger zum ersten Mal Aktien kauft, sollte er sich Gedanken darüber machen, welches Ziel er mit der Geldanlage verfolgt und für welchen Anlegertyp er sich hält. Wenn mit den Aktien später die Altersvorsorge aufgestockt oder das Studium der Kinder finanziert werden soll, muss an der Börse eine andere Taktik angewendet werden, als wenn es um kurzfristige Gewinne geht. Die grundlegende Frage ist: Sind Sie auf den Betrag angewiesen und investieren deshalb lieber mit möglichst geringem Risiko oder können Sie eventuelle Verluste verschmerzen und renditestärkere aber auch riskantere Papiere kaufen?
Wer die Frage nach der eigenen Risikoneigung mit "no risk, no fun!" beantwortet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er zwar sehr viel gewinnen, aber auch sehr viel verlieren kann. Für den Anfang schadet es nicht, auf eine langfristige Strategie zu setzen und die Entwicklungen an den Märkten zu beobachten. Kleine Zockereien für den Nervenkitzel sind dann im Verlustfall besser zu verschmerzen. Nach dem Geckoschen Leitsatz "Greed is good" sollten Börsenneulinge nicht handeln.
Was eine Aktie ist und wie sie funktioniert, dürfte jedem klar sein. Wer sein Depot auch mit Anleihen und Zertifikaten füllen möchte, sollte nur in Produkte investieren, die er auch versteht. Wer nur auf die Renditeversprechen hört und Produkte kauft, deren Vor- und Nachteile, beziehungsweise Funktionsweisen er nicht begreift, fällt über kurz oder lang auf die Nase.
Bevor Sie ein Depot eröffnen, vergleichen Sie die Gebühren der Banken. Je höher die Gebühren sind, desto geringer fällt die Rendite nachher aus. Direktbanken haben im Regelfall günstige Konditionen und bieten kostenlose Depots an.
Anleger sollten ihr Geld - und damit auch ihr Risiko - zumindest am Anfang möglichst breit streuen. Verteilen Sie Ihr Geld auf verschiedene Märkte wie Rohstoffe und Energie, sowie auf Aktien, Fonds und Anleihen.
Wer seinem Portfolio Fonds oder Zertifikaten beimischt, sollte auch innerhalb dieser Anlageklassen auf eine gute Mischung achten. Fondsanbieter und deren Produkte lassen sich online schnell vergleichen. Wer nicht nur in ein oder zwei Gesellschaften investiert, ist auf der sicheren Seite.
Besonders wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen für Ihre Geldanlage und Ihr Depot regelmäßig überprüfen: Welche Anlageinstrumente haben sich wie entwickelt? Ist es Zeit, das Depot umzuschichten, oder läuft alles in meinem Sinne?
Bei der Überprüfung des Depots sollte man sich immer mal wieder fragen: Würde ich diese Aktie oder diesen Fonds heute noch kaufen? Lautet die Antwort ja, behalten Sie das Produkt. Sind Sie von der Qualität nicht mehr überzeugt, wird es Zeit zum Verkauf.
Entwickelt sich eine Aktie oder ein sonstiges Produkt nicht so, wie geplant, sollten Sie nicht zögern, es zu verkaufen. Sogenannte Stopp-Loss-Orders, also Untergrenzen, bei denen verkauft werden soll, können hilfreich sein. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn man den Kurs nicht permanent selbst im Auge behalten kann oder will.
Grundsätzlich gilt: Verlieren Sie nicht die Nerven. An der Börse gibt es Kursschwankungen, Aktienkurse können unerwartet einbrechen. Das sollte aber kein Grund sein, den Kopf zu verlieren. Panische und unüberlegte Deals kosten meist mehr Geld als die Abwärtstrends.
Wenn die nächsten drei bis fünf Jahre besser prognostizierbar sind, sollten Anleger das auch als ihren Anlagehorizont wählen?
Die drei bis fünf Jahre sollten die Basis bilden. Worauf man achten sein sollte, das sind die wahrscheinlichen Überhitzungen und Korrekturen der nächsten sechs bis zwölf Monate. Dann sollten Anleger nicht stur an ihrer Grundstrategie festhalten, sondern intensiver hinschauen und ihr Aktieninvestment kurzfristig absichern oder sogar reduzieren. Wenn wir dann durch diese Phase gegangen sind, sich die Notenbankpolitik wieder normalisiert und die Konjunkturampeln auf Grün stehen, werden Anleger mit einer ausgewogenen Portfoliomischung gut zurechtkommen.
Wie schätzen sie jetzt Gold ein?
Gold sehen wir wieder etwas positiver. Nach dem starken Verfall setzen wir darauf, dass die Notenbanken doch noch länger und stärker Liquidität in die Märkte geben. Dann kann Gold nochmal positiv überraschen. Für taktische Anleger wird Gold wieder interessanter.
"Gold kann noch einmal positiv überraschen"
Sehen Sie die Möglichkeit, dass Investoren in der Breite wieder auf Gold umschwenken?
Potenziell ja. Dazu muss man verstehen, was den Goldmarkt bewegt. Das deflationäre Bild ängstigt die Investoren. Deflation ist für den Goldpreis in der Regel eher schlecht, Inflation stützt den Goldpreis hingegen. Weil die Notenbanken - insbesondere die EZB - nun aber erneut dafür sorgen müssen, dass die Realzinsen sinken und der Liquiditätszufluss zunimmt, könnte das Gold noch einmal ein kleines überraschendes Revival bescheren. Das ist am Goldmarkt derzeit noch nicht eingepreist.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Können Anleger mit kleinerem Anlagevolumen Ihre Anlagestrategie für betuchte Familien überhaupt kopieren?
Das kleinere Anlagevolumen hat natürlich den Nachteil, dass diese Strategie bei Immobilien und im Bereich von Private Equity sowie Hedgefonds nicht so einfach abbildbar ist. Da brauchen Privatanleger eine Alternative. Aber das lässt sich abstrahieren – im Zweifel über Aktieninvestments. Kreativität ist da gefragt. Zum Beispiel können Wandelanleihen ein brauchbares Instrument sein, ebenso immobilienähnliche und liquide Investments wie Aktien von Immobiliengesellschaften. Aktienähnliche Investments mit begrenztem Risiko könnten zum Beispiel Hedgefonds ersetzen. Teilweise gibt es auch im kleinteiligen Fondsbereich Hedgefonds-Lösungen. Und last but not least gibt es gute vermögensverwaltende Fonds ab relativ geringen Einstiegsbeträgen. Da lässt sich also definitiv was finden.
Beliebt bei Privatanlegern sind derzeit vor allem börsengehandelte Fonds, die sogenannten ETFs, mit eingebautem Schutz vor Währungsrisiken. Rücken die Währungsrisiken wieder in den Fokus?
Einen großen Teil der Währungsrisiken haben wir in den vergangenen zwölf Monaten schon gespürt. Japan etwa war in unserer Anlagestrategie ein wichtiges Element, aber nur mit Währungsabsicherung. Das hat hervorragend funktioniert, denn der Währungseffekt betrug in der Spitze etwa 30 Prozent. In den Schwellenländern ist kürzlich ähnliches passiert, aber auch das liegt eher schon hinter uns.
Der Euro wird tendenziell schwächer, was für Euro-Zonen-Anleger bedeutet, dass Anlagen in Fremdwährungen wieder attraktiver werden, etwa in Dollar oder britischen Pfund. Im Moment würde ich jedenfalls keine so großen Währungsrisiken an die Wand malen. Eine Absicherung ist höchstens beim japanischen Yen und für einige Schwellenländer nötig.