Crowdinvesting Wenn Fans den Film finanzieren

Wenn es gut läuft, gibt es bei der Filmfinanzierung per Crowd nur Gewinner: Unabhängige Filmemacher verwirklichen ihre Projekte, die Fans können den lang ersehnten Film schauen – und als Extra bekommen sie eine Rendite.

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Von der Idee zum fertigen Film – mit Crowdinvesting können Fans ihre Lieblingsfilme selbst finanzieren. Quelle: dpa

Köln Huan Vu möchte Traumlande bereisen – und Tausende Fans folgen ihm. Das klingt poetisch, ist aber wörtlich gemeint: Regisseur Vu bereitet die Verfilmung der „Traumlande“-Geschichten von H.P. Lovecraft vor und lässt sie von Fans des Autors mitfinanzieren. Lovecraft veröffentlichte seine Fantasy-Romane bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sein Werk ist aber noch weitgehend unverfilmt. Das will Vu ändern.

„Traumlande“ soll ein Projekt mit vielen Spezialeffekten werden, das der Magie der Vorlage gerecht wird. Doch die klassischen Finanziers wie Förderinstitutionen und Fernsehsender sahen nicht genug Vermarktungspotenzial. Die Absagen haben Vu aber nicht entmutigt, stattdessen hat er nach Wegen gesucht, über die Fanbasis Gelder zu generieren – 2013 machte er „Traumlande“ zu einem Crowd-Finanzierungsprojekt. Bei der Crowd-Finanzierung geht es darum, mit Internetkampagnen möglichst viele Menschen – „die Crowd“ – für ein Produkt oder eine Idee zu begeistern.

Wer überzeugt, erhält Geld von der Crowd. Dadurch entsteht zwischen Kunde und Anbieter ein neues Verhältnis – und das verlangt nach Regeln. Wolfgang Gumpelmaier ist Berater für Crowd-Finanzierung und betreut im frisch gegründeten „German Crowdfunding Network“ Filmprojekte. Er ist überzeugt, dass das Geld nicht das entscheidende Bindeglied zwischen den Filmemachern und den investierenden Fans ist. Sie investieren, weil sie mit dem Regisseur die Leidenschaft für ein Projekt teilen, der Profit sei zweitranig. „Hinter der Crowd steckt eine Kraft, mit der viele umgehen lernen müssen“, sagt Gumpelmaier.

Auch Vu musste den Umgang mit der Crowd lernen. Mittlerweile hat er für „Traumlande“ fast 200.000 Euro eingesammelt. Doch der Weg dorthin war nicht leicht: „Zuerst wollten wir per Crowdfunding 100.000 Euro über die Plattform Kickstarter einnehmen, sind aber gescheitert“, berichtet Vu. Dann hat er eine Crowdinvesting-Kampagne hinzugefügt und über die Plattform Indiegogo genug Geld gesammelt, um die Produktion zu starten. Er bekam sogar fast doppelt so viel wie ursprünglich erhofft.

Über Crowdfunding sammelte er schließlich 47.000 Euro ein etwa 100.000 Euro über Crowdinvesting und weitere 45.000 Euro gaben Business Angels dazu, die ihr Kapital einsetzen, um wagemutige, aber vielversprechende Ideen voranzubringen. Gumpelmaier lobt Vus Vorgehen: „Die meisten hätten aufgegeben. Doch er und sein Team haben mit der Crowd kommuniziert, haben reagiert und die Strategie vom Funding zum Investment geführt.“

Der Unterschied zwischen den beiden Arten der Crowd-Finanzierung – Funding und Investing – lässt sich so beschreiben: Beim Funding geben Fans kleine Beträge und erhalten dafür Geschenke wie eine DVD des fertigen Films oder ein Treffen mit dem Hauptdarsteller. Crowdinvesting dagegen ist eine Form der Geldanlage. Das schillerndste deutsche Beispiel ist der Kinofilm zur TV-Serie „Stromberg“. Mehr als 3000 Kleinanleger aus der Crowd investierten in das Projekt gemeinsam eine Million Euro. Der Film war ein Hit, die Anleger erhalten eine Rendite von etwa 17 Prozent.


Neues Gesetz bringt strengere Regeln

In den vergangenen zwei Jahren ist die Crowd-Finanzierung zu einem ernstzunehmenden Finanzierungsmodell geworden. Durch das frisch beschlossene Kleinanlegerschutzgesetz wird es ab Mitte 2015 jedoch neuen Regelungen unterworfen. Liegt die Zielsumme eines Projekts bei mehr als einer Million Euro, können Anleger nicht mehr beliebig viel Geld investieren: Ab einem Betrag von 1000 Euro dürfen sie maximal zwei Netto-Gehälter zu einem Projekt beisteuern.

Außerdem dürfen diese Angebote nur noch in der Wirtschaftsfachpresse und nicht mehr über Soziale Netzwerke beworben werden. Das Gesetz ist vor allem eine Reaktion auf die Pleite des Windkraft-Anbieters Prokon, bei der Kleinanleger in der Hoffnung auf eine hohe Rendite viel Geld verloren hatten. Beim Crowdinvesting sind attraktive Gewinnausschüttungen jedoch eher die Ausnahme. Eine höhere Rendite als beim Stromberg-Film wurde bislang noch nicht erreicht.

„Geld, das beim Crowdinvesting angelegt wird, ist ganz klar Risikokapital“, erklärt Karsten Wenzlaff vom German Crowdfunding Network. „Die Anleger ersetzen quasi die Bank. Doch gerade beim Film tun sie das eben nicht, weil sie hohe Gewinne erwarten, sondern weil sie ein Projekt umgesetzt sehen wollen.“ Filme waren noch nie eine sichere Geldanlage, das ändert sich auch mit dem Crowdinvesting nicht. Daher ist eine transparente Kommunikation wichtig. Vu motiviert die Anleger nicht, weil er ihnen Geld verspricht, sondern weil er ihnen als Lovecraft-Fans zusagt, endlich die Verfilmung ihrer Lieblings-Literatur zu bieten, die sie sich erhoffen.

„Das ist fast eine größere Verantwortung den Investoren gegenüber als allein das Geld“, sagt Jørg Kundinger. Auch er hat seine Dokumentation „Capital C“ über die Crowd finanzieren lassen. Die neue Bestimmung, dass ab bestimmten Investitionssummen nicht mehr über Soziale Netzwerke geworben werden darf, ärgert ihn. „Bei der Crowd-Finanzierung wird aus Leidenschaft für ein Produkt investiert, es ist essenziell, dass über alle Kanäle mit der Crowd kommuniziert werden kann“, sagt er. „Captial C“ kommt 2015 ins Kino und zeigt, dass Crow-Finanzierung ein faszinierendes Marketing-Tool für Menschen sein kann, die mit Leidenschaft etwas herstellen.

Brian Fargo zum Beispiel entwickelte die Fortsetzung des Computerspiels „Wasteland“, für die er mehr als 20 Jahre lang keinen Investor gefunden hat. Dank Crowdfunding finanzierten die Fans das Spiel und standen mit dem Entwickler in ständigem Kontakt. Als Fargo einen Tweet zu Kundginers Dokumentation veröffentlichte, bekam dessen Crowd-Finanzierung einen gewaltigen Schub.


Online finden Produzenten und Fans zusammen

„Fargo hat eine Fan-Basis, die große Überschneidungen mit meiner Zielgruppe hat. Der eine Tweet hat mehr bewirkt als klassisches Marketing“, erinnert sich Kundinger. Über Crowd-Finanzierung informierte er sich zum ersten Mal 2011 in den USA. „Ich war so fasziniert, dass ich gleich eine Doku darüber drehen wollte.“ Der Filmemacher ist überzeugt: „Menschen vernetzten sich und tauschen Daten und Informationen, mit diesem Phänomen muss sich künftig jeder auseinandersetzen, der etwas erschafft.“

Das gilt auch für die Filmförderanstalten in Deutschland. Paul Rieth, der ein Buch über die Crowd-Finanzierung von Dokumentarfilmen geschrieben hat, fordert von ihnen ein Umdenken. „Das Zielpublikum ist von Anfang an bei der Entwicklung eines Films dabei. Das heißt, das Marketing beginnt sofort und nicht erst nach Fertigstellung des Films. Das hilft auch den Gremien der Förderanstalten, denn die müssen ja in ihren Sitzungen den Erfolg von Filmen einschätzen.“ Das funktioniert zurzeit nur bedingt.

2012 hat beispielsweise die Filmförderungsanstalt (FFA) Darlehen in Höhe von 58,6 Millionen Euro ausbezahlt. 1,3 Millionen wurden zurückgezahlt – der deutsche Film ist finanziell wenig erfolgreich. Das könnte sich ändern, wenn künftig über Crowd-Finanzierung schon vor Drehbeginn Zielgruppen erschlossen, Fans gewonnen und Vermarktungsstrategien entwickelt werden. Mit Cinedime ist eine deutsche Plattform speziell für Crowdinvesting im Film frisch an den Start gegangen. Geschäftsführer Markus Brandmair ist optimistisch, dass Cinedime eine populäre Anlaufstelle für Filmemacher sein wird. „Wer Filmförderung beantragt, kann mit uns beispielsweise das Crowd-Netzwerk aufbauen, um Geld für Eigenanteile einzusammeln“, erklärt er.

Die Crowd-Finanzierung ist noch jung und es ist ungewiss, in welche Richtung sie sich entwickeln wird. Wenn die richtigen Ideen begeistern und Filmemachern die notwendigen Marketing-Instrumente zur Verfügung stehen, dann können – wie im Fall von „Stromberg“ – weitere Projekte entstehen, die für die Investoren finanziell gewinnbringend sind. Vu sucht nach den richtigen Märkten für die „Traumlande“.

2014 hat er einen Trailer für das Projekt produziert, in dem er schon Spezialeffekte getestet hat. 2015 sollen die Dreharbeiten starten. Auf jeden Fall wird Vu auf Englisch produzieren, um Lovecraft-Fans auf der ganzen Welt anzusprechen. Immerhin hat er mit „Traumlande“ schon jetzt mehr Geld über Crowdinvesting eingesammelt als jeder andere deutsche Film ohne Produktionsfirma oder Fernsehsender zuvor. Allein das zeigt, dass sich die Filmfinanzierung am Anfang eines Umbruchs befindet.

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