Bei diesen Zertifikaten erhält der Anleger am Ende der Laufzeit eine Bonuszahlung, wenn der Basiswert – also etwa eine Aktie oder ein Index wie der Dax – eine festgeschriebene Schwelle nicht berührt oder überschritten hat. Durch den Bonus können so leichte Verluste am Laufzeitende doch noch ausgeglichen werden. Daher die Bezeichnung Teilschutzzertifikat. Wenn aber die Barriere in der Zwischenzeit berührt wurde, ist der Bonus – und damit auch der Teilschutz – passé.
Die missverständliche oder beschönigende Etikettierung von Anlageprodukten ist auf den Zertifikatemarkt nichts Neues. „Wir beobachten sowas schon lange Zeit. Ein Beispiel: Die Protect-Aktienanleihe auf HeidelbergCement von HSBC Trinkaus. Das Wort Protect verspricht Schutz, Anleihe klingt nach fester Verzinsung und solider Anlage. Im Grunde handelt es ich bei dem Produkt jedoch um ein Bonus-Zertifikat.“ Die Marketing-Idee des Emittenten: Der Bonus, der Anlegern winkt, wenn sich der Basiswert innerhalb des definierten Kurskorridors hält, soll dazu dienen, leichte Verluste auszugleichen. Daher die Bezeichnung „Protect“. Aber auch hier gilt, dass der vermeintliche Schutz sofort weg ist, wenn der Kurs des Basiswertes den erwähnten Korridor verlässt
Gibt es eine Barriere, also einen Kurs, den der Basiswert nicht unterschreiten darf, kommt ein weiterer Effekt hinzu. Derartige Zertifikate verlieren deutlich stärker an Wert, je näher der Basiswert der Barriere kommt. Das liegt an der Konstruktion mit unterlegten Optionsscheinen, deren Kurs sich unmittelbar aus der Nähe zur Barriere und der Volatilität errechnet. Das heißt, dass das Zertifikat schon vor dem Reißen der Barriere deutlich im Minus liegt. „Hier entsteht der Eindruck, es gebe eine Barriere und unterhalb davon würde dem Anleger nichts passieren“, kritisiert Perovic. „Tatsächlich soll es ein Teilschutz sein, der Verluste bis zur Barriere ausgleicht. Aber es passiert schon vorher was. Denn je näher der Kurs des Zertifikats der Barriere kommt, umso höher wird das Delta, also der Hebel.“ Je näher an der Barriere, umso riskanter ist es also für den Anleger. Wer solche Zertifikate kauft, sollte also immer auf möglichst großen Abstand zur Barriere achten.
Gewinne begrenzen, Verluste zulassen
Bei Zertifikaten, deren Gewinne durch ein sogenanntes Cap nach oben „gedeckelt“, also begrenzt sind, macht es einen großen Unterschied, ob diese Schwelle nur am Stichtag zum Laufzeitende betrachtet wird, oder ob dieser Deckel über die gesamte Laufzeit betrachtet wird. Ein Beispiel dafür ist etwa die Bonus Capped Anleihe, die von Emittenten auch als „Aktienanleihe Protect“ oder Protect Multi oder Barrier Aktienanleihe beworben wird. „Klingt ja toll, aber das einzige, was hier protegiert wird, ist die Beteiligung nach oben“, sagt Analyst Perovic. „Das Tückische an dieser Konstruktion: Sollte das Papier die Kursschwelle während der Laufzeit nur einmal berühren, nimmt der Anleger die Verluste eins zu eins mit. Der Risikopuffer aus dem Bonus ist dann aufgebraucht – es gibt ihn auch nicht mehr, wenn sich der Basiswert bis zum Laufzeitende erholt. Von Schutz kann dann keine Rede mehr sein.“
Als Lehre für den Anleger bleibt unter dem Strich nur die gründliche Vorbereitung vor einem Investment. Zunächst muss er sich über sein Anlageziel und seine Investmentidee im Klaren sein. Zudem muss er seine Risikoneigung und Kapitalmarkterfahrung hinterfragen. Grundsätzlich ist auch ein Zertifikateanteil im Depot von mehr als zehn Prozent nicht zu empfehlen. Ist dann eine Vorsortierung der in Frage kommenden Zertifikate erfolgt, kommt der Anleger nicht umhin, die Verkaufsprospekte der Emittenten gründlich zu durchforsten. Hier gilt eine alte Börsenweisheit: Kaufe kein Finanzprodukt, das du nicht verstehst. Und nichts anderes sagt ja sogar der Verband der Zertifikate-Industrie, der DDV.