Derivatehandel Wie Zertifikate in die Irre führen

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Tückische Bonus-Zertifikate

Die liebsten Zockerpapiere der Deutschen
Platz 20Die Aktionäre von Deutschlands zweitgrößter Bank haben es nicht leicht. Der Frustfaktor der Aktie ist hoch, von Erholung kaum eine Spur - nur wer nahe des Tiefs bei knapp über einem Euro eingestiegen ist, hat wirklich Spaß an der Aktie. Zertifikate-Anleger suchten scheinbar den Extra-Kick und setzten auf ein gehebeltes Papier. Der Commerzbank Faktor 4x Long DAXF Index war in der Gunst der Anleger recht hoch. Papiere für 9,5 Millionen Euro wurden im April an der Stuttgarter Börse gehandelt. Übrigens nicht die einzige Platzierung der Commerzbank....Quelle: Börse Stuttgart Quelle: dpa
19. PlatzBei Thyssen-Krupp hat sich die Lage zuletzt zwar spürbar gebessert. Der Umsatz stieg deutlich – alle Bereiche liegen operativ im Plus. Allerdings belasten die neuen Werke in den USA und Brasilien sowie der steigende Schuldenstand. Zertifikate-Anleger störte das nicht, sie handelten Papiere mit Basiswert Thyssen-Krupp im Wert von 10,4 Millionen Euro. Vor allem Discount-Zertifikate waren beliebt. Quelle: dpa
Platz 18Ob die Commerzbank-Aktie sich jemals erholt oder weiter abschmiert, beschäftigt nicht nur die Anteilseigner der Bank. Auch die Zertifikate-Anleger spekulieren fröhlich auf steigende und fallende Kurse bei der gelben Bank. Mit einem Volumen von 10,5 Millionen Euro schafft es der Commerzbank Faktor 4x Short DAXF Index auf Platz 18 der beliebtesten Basiswerte. Quelle: dpa
Platz 17Der milde Winter hat deutliche Spuren in der Bilanz des Kasseler Düngemittelspezialisten K+S hinterlassen. Wegen des schwachen Auftausalzgeschäfts ging der Umsatz von Januar bis Ende März deutlich zurück. Kein Wunder, dass der Aktienkurs zuletzt unter Druck geriet. Zertifikate-Anleger griffen trotzdem zu. Sie zockten mit Papieren auf K+S im Wert von 11,1 Millionen Euro - immerhin 6,4 Millionen Euro entfielen auf Discount-Zertifikate. Quelle: dpa
Platz 16Der Gewinn sinkt, aber immerhin bestätigt RWE die Prognose. Im ersten Quartal lähmte den Energieriesen weiter das schwache Gasgeschäft und die Kosten des Atomausstiegs. Bei Zertifikate-Anlegern ist die Aktie als Basiswert trotzdem beliebt, sie kauften und verkauften RWE-Zertifikate im Wert von 12,5 Millionen Euro. Wenig überraschend: Mit 8,5 Millionen Euro entfällt ein Großteil auf die beliebten Discounter. Quelle: dpa
Platz 15Auch bei Eon ist das Thema Nummer eins der Atomausstieg. Für fast 13,5 Millionen Euro handelten Zertifkate-Anleger Eon-Papiere. Neben den Discountern (6,5 Millionen Euro) waren vor allem Aktienanleihen beliebt, die für gut vier Millionen Euro gehandelt wurden. Quelle: dpa
Handelssaal der Börse Stuttgart Quelle: dpa

Bei diesen Zertifikaten erhält der Anleger am Ende der Laufzeit eine Bonuszahlung, wenn der Basiswert – also etwa eine Aktie oder ein Index wie der Dax – eine festgeschriebene Schwelle nicht berührt oder überschritten hat. Durch den Bonus können so leichte Verluste am Laufzeitende doch noch ausgeglichen werden. Daher die Bezeichnung Teilschutzzertifikat. Wenn aber die Barriere in der Zwischenzeit berührt wurde, ist der Bonus – und damit auch der Teilschutz – passé.

Die missverständliche oder beschönigende Etikettierung von Anlageprodukten ist auf den Zertifikatemarkt nichts Neues. „Wir beobachten sowas schon lange Zeit. Ein Beispiel: Die Protect-Aktienanleihe auf HeidelbergCement von HSBC Trinkaus. Das Wort Protect verspricht Schutz, Anleihe klingt nach fester Verzinsung und solider Anlage. Im Grunde handelt es ich bei dem Produkt jedoch um ein Bonus-Zertifikat.“ Die Marketing-Idee des Emittenten: Der Bonus, der Anlegern winkt, wenn sich der Basiswert innerhalb des definierten Kurskorridors hält, soll dazu dienen, leichte Verluste auszugleichen. Daher die Bezeichnung „Protect“. Aber auch hier gilt, dass der vermeintliche Schutz sofort weg ist, wenn der Kurs des Basiswertes den erwähnten Korridor verlässt

Gibt es eine Barriere, also einen Kurs, den der Basiswert nicht unterschreiten darf, kommt ein weiterer Effekt hinzu. Derartige Zertifikate verlieren deutlich stärker an Wert, je näher der Basiswert der Barriere kommt. Das liegt an der Konstruktion mit unterlegten Optionsscheinen, deren Kurs sich unmittelbar aus der Nähe zur Barriere und der Volatilität errechnet. Das heißt, dass das Zertifikat schon vor dem Reißen der Barriere deutlich im Minus liegt. „Hier entsteht der Eindruck, es gebe eine Barriere und unterhalb davon würde dem Anleger nichts passieren“, kritisiert Perovic. „Tatsächlich soll es ein Teilschutz sein, der Verluste bis zur Barriere ausgleicht. Aber es passiert schon vorher was. Denn je näher der Kurs des Zertifikats der Barriere kommt, umso höher wird das Delta, also der Hebel.“ Je näher an der Barriere, umso riskanter ist es also für den Anleger. Wer solche Zertifikate kauft, sollte also immer auf möglichst großen Abstand zur Barriere achten.

Gewinne begrenzen, Verluste zulassen

Bei Zertifikaten, deren Gewinne durch ein sogenanntes Cap nach oben „gedeckelt“, also begrenzt sind, macht es einen großen Unterschied, ob diese Schwelle nur am Stichtag zum Laufzeitende betrachtet wird, oder ob dieser Deckel über die gesamte Laufzeit betrachtet wird. Ein Beispiel dafür ist etwa die Bonus Capped Anleihe, die von Emittenten auch als „Aktienanleihe Protect“ oder Protect Multi oder Barrier Aktienanleihe beworben wird. „Klingt ja toll, aber das einzige, was hier protegiert wird, ist die Beteiligung nach oben“, sagt Analyst Perovic. „Das Tückische an dieser Konstruktion: Sollte das Papier die Kursschwelle während der Laufzeit nur einmal berühren, nimmt der Anleger die Verluste eins zu eins mit. Der Risikopuffer aus dem Bonus ist dann aufgebraucht – es gibt ihn auch nicht mehr, wenn sich der Basiswert bis zum Laufzeitende erholt. Von Schutz kann dann keine Rede mehr sein.“

Als Lehre für den Anleger bleibt unter dem Strich nur die gründliche Vorbereitung vor einem Investment. Zunächst muss er sich über sein Anlageziel und seine Investmentidee im Klaren sein. Zudem muss er seine Risikoneigung und Kapitalmarkterfahrung hinterfragen. Grundsätzlich ist auch ein Zertifikateanteil im Depot von mehr als zehn Prozent nicht zu empfehlen. Ist dann eine Vorsortierung der in Frage kommenden Zertifikate erfolgt, kommt der Anleger nicht umhin, die Verkaufsprospekte der Emittenten gründlich zu durchforsten. Hier gilt eine alte Börsenweisheit: Kaufe kein Finanzprodukt, das du nicht verstehst. Und nichts anderes sagt ja sogar der Verband der Zertifikate-Industrie, der DDV.

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