Mit einer genialen Werbekampagne gelang es dem Diamantenkonzern De Beers in den fünfziger Jahren, die Amerikaner von den Vorzügen seiner Produkte zu überzeugen: Brillanten seien ein Zeichen unvergänglicher Liebe, behaupteten das Unternehmens. Exakt rechneten die Marketingstrategen den Ehemännern und Verlobten vor, wie viel ihnen dieses Symbol wert sein sollte: Drei Monatsgehälter müssten sie schon in einen edlen Glitzerstein investieren, um ihrer Liebsten die Treue zu beweisen.
Seither ist es in den USA ein beliebter Brauch, dass die Braut zur Hochzeit neben dem Ehering auch einen Diamanten angesteckt bekommt. Rund 40 Prozent aller weltweit verkauften Brillanten werden heute in den USA umgesetzt – die Anzeigenschlacht von De Beers war ein voller Erfolg. Mit ihrer beispiellosen Leuchtkraft haben Diamanten freilich zu allen Zeiten die Menschen fasziniert.
Berühmte Edelsteine
Nüchterne Begeisterung
Besonders große und prachtvolle Steine werden geschätzt wie Kunstwerke. Dazu zählen zum Beispiel der Hope-Diamant, der in Washington in der Smithsonian Institution zu bewundern ist, der Koh-i-Noor, der mit den britischen Kronjuwelen im Londoner Tower verwahrt wird, oder der Blaue Wittelsbacher, der einst die Bayerische Königskrone zierte.
Doch heute begeistern sich viele Menschen aus ganz anderen Gründen für die Preziosen – sie betrachten Edelsteine ganz nüchtern als Instrument der Geldanlage. Diamanten sind nicht nur sehr selten, sondern auch härter als alle anderen Mineralien. Ähnlich wie Gold versprechen Edelsteine eine handfestere Wertentwicklung als windige Bank-Aktien, fragwürdige Derivate oder amerikanische Subprime-Hypotheken.
„Wir bekommen immer mehr Anfragen von Käufern, die Diamanten zur Geldanlage erwerben möchten“, berichtet der Diamantenhändler Ulrich Freiesleben aus Münster. Insbesondere Akademiker, Selbständige und betuchte Pensionäre interessieren sich für ein Investment in Edelsteine. „Diamanten eignen sich vor allem zur Vermögenssicherung“, erläutert Jörg Lindemann, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Edelstein- und Diamanten-Industrie in Idar-Oberstein. Um kurzfristige Gewinne zu erzielen, seien Edelsteine hingegen das falsche Instrument. Der Wert von Diamanten steigt erfahrungsgemäß langsam, aber nachhaltig.
Wer Edelsteine zwecks Vermögensanlage erwerben will, sollte sich dabei auf Diamanten beschränken. So genannte Farbedelsteine, also Rubine, Saphire oder Smaragde, eignen sich hierfür kaum. Dort ist der Markt für Laien meist nur sehr schwer zu beurteilen. „Bei Farbedelsteinen gibt es – anders als im Diamantbereich – nicht derart klare und scharf umrissene Kriterien für die Qualität der Steine, und die Preisbildung ist für den Nichtfachmann weniger transparent“, sagt Verbandschef Lindemann.
Bei Diamanten orientieren sich Großhändler und Juweliere an weithin anerkannten Preis-Indizes wie dem Idex. Zudem gibt es die regelmäßig aktualisierten Marktberichte von Martin Rapaport, die der belgische Branchenkenner seit einem Vierteljahrhundert herausgibt.
20 Prozent Preissteigerung
Der Einbruch der Diamanten-Nachfrage, den die Finanzkrise 2009 ausgelöst hat, scheint jetzt überwunden. „In den ersten drei Quartalen dieses Jahres sind die Preise für größere Steine um rund 20 Prozent gestiegen“, berichtet Dieter Hahn, Inhaber der ältesten deutschen Diamantschleiferei mit Sitz in Idar-Oberstein. „Kleine Steine mit weniger als 0,1 Karat haben sich sogar um 65 Prozent verteuert.“ Ein Karat entspricht 0,2 Gramm.
Angetrieben wird der Boom vom Fernen Osten. In China und Indien wächst die Mittelschicht, die Schmuck, Gold und Edelsteine kauft. „In Ostasien ist die Nachfrage geradezu explodiert“, sagt Diamantär Hahn. Solange Asiens Wirtschaftswunder anhält, dürfen die Anleger mit steigenden Preisen rechnen – auch wenn es jederzeit Rückschläge geben kann. So haben die Preise seit dem Sommer auf Dollar-Basis um rund fünf Prozent nachgegeben.
Das internationale Zentrum des Diamantenhandels ist seit jeher die flämische Metropole Antwerpen; die anderen Börsen in New York, Tel Aviv und Mumbai, dem ehemaligen Bombay, spielen alle in der zweiten Liga. Bis vor einigen Jahrzehnten beherrschten orthodoxe Juden den Handel rund um die Große Diamantenbörse in Antwerpen. Jetzt aber verdrängen neue Mitbewerber aus Indien die alteingesessenen Diamantäre. „Die sind barfuß in den Markt gegangen“, hat Händler Freiesleben beobachtet.
Zunächst haben die Inder nur Steine geschliffen, deren Qualität kaum besser war als die von Industriediamanten. Zug um Zug erlernten die Newcomer die hochraffinierten Schleiftechniken ihrer etablierten Konkurrenten. Heute sind die Asiaten, die weltweit 70 Prozent aller Diamanten verarbeiten, annähernd auf dem gleichen Niveau wie die jüdischen Diamantenschleifer. Auch die Inder schließen einen Deal gern mit der traditionellen jiddischen Formel „masl un broch“, Glück und Segen, ab.
Wie im Handel sortieren sich auch bei der Gewinnung der Roh-Diamanten die Player auf dem Markt neu. Jahrzehntelang beherrschte De Beers das Geschäft. In den fünfziger Jahren hatte der britische Konzern einen Marktanteil von rund 80 Prozent; heute vermarktet er jedoch nur noch rund 40 Prozent der weltweit geförderten Diamanten. Erst vor kurzem hat die Familie Oppenheimer ihren 40-Prozent-Anteil an De Beers an den Rohstoffkonzern Anglo American verkauft. Damit endete eine Ära im Diamantengeschäft
Die Rohstoff-Giganten BHP Billiton und Rio Tinto haben ebenfalls entdeckt, dass sich mit dem Abbau von Diamanten gutes Geld verdienen lässt. Auch das russische Unternehmen Alrosa mischt nun mit. De Beers sieht sich gezwungen, seine Geschäfte neu ausrichten. 2013 will der Konzern seine Zentrale aus London nach Botsuana verlegen – in dem südafrikanischen Land hat er das Monopol auf die Förderung von Roh-Diamanten.
Diamanten der Superlative
Nachhaltige Preisentwicklung
Derzeit wird in Gaborone ein neues Diamantenzentrum aufgebaut, wo die Steine sortiert, geschliffen und vermarktet werden. Die Regierung von Botsuana, zu 15 Prozent an De Beers beteiligt, hat offenbar Druck gemacht: Aus begreiflichen Gründen möchte sie die lokale Wertschöpfung erhöhen und Arbeitsplätze schaffen.
Die Vorkommen an Diamanten sind weltweit begrenzt. Ganz ähnlich wie bei Gold können die Förderkapazitäten kaum erhöht werden. Daher dürfen Investoren, die einen sicheren Hafen für ihr Geld suchen, davon ausgehen, dass die Preise sich auch künftig nachhaltig entwickeln. Brillanten sind vielleicht nicht immer ein Zeichen unverbrüchlicher Liebe; sie können aber helfen, etwas Stabilität ins Depot zu bringen.