Einlagensicherung Der Schutz der Sparer wird zum politischen Spielball

Brüssel will alle Euro-Sparer mit einem zentralen Haftungstopf vor Bankpleiten schützen. Finanzberater und Bankenkenner diskutierten auf der Anlegermesse Invest, welche Probleme das mit sich bringt.

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Fast zehn Jahre ist er jetzt her, der vielleicht bedeutendste Satz, den Dauerkanzlerin Angela Merkel jemals an ihre Bürger gerichtet hat: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, beteuerte sie im Oktober 2008 auf dem Höhepunkt der internationalen Finanzkrise. Die klare Kanzlerinnen-Ansage tat ihre Wirkung. Sie hielt die angesprochenen Sparerinnen und Sparer vom Sturm auf die Schalterhallen der verängstigten Banken und Sparkassen ab. In Großbritannien dagegen standen die Leute während der Krise schlangenweise vor den Filialen der gescheiterten Großbank Northern Rock, um ihre Ersparnisse zu retten – ein Horror für die öffentliche Ordnung und ein gefundenes Fressen für jeden Populisten.

Banken schützen ihre Kunden zwar mit Sicherungsfonds vor Pleiten, doch die historische Anekdote zeigt: In brenzligen Situationen wachsen die Zweifel an den Brandmauern so stark, dass die Zusage staatlicher Stützen erforderlich wird.

Nun will die Europäische Kommission will dafür sorgen, dass nie wieder Steuergeld für die Rettung von Banken und Sparguthaben herhalten muss. Diesem Ziel dient das europäische Mammutprojekt der Bankenunion.

Was bedeutet das für Sparer und Anleger? Darüber diskutierten auf der Anlegermesse Invest in Stuttgart die Finanzpolitiker Nils Schmid (SPD) und Florian Toncar (FDP) mit dem Anlageberater Karl-Heinz Winkler von Plansecur sowie dem Gründer des Einlagenportals Weltsparen, Tamaz Georgadze. Die Argumente zeigen, wie umstritten das eigentlich langweilige Thema ist.

Aus Sicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Schmid hilft die Bankenunion mit ihrer zentralen Einlagensicherung dabei, den Euro zu stärken. Allerdings komme es darauf an, nichts zu überstürzen und zunächst faule Kredite in den Bankbilanzen abzubauen. Weit skeptischer ist der FDP-Abgeordnete Toncar. Er sagt, der Euro funktioniert auch ohne einen zentralisierten Sparerschutz. Es gebe viel drängendere Probleme bei der Bankenunion als die Einlagensicherung.

Brüssel hat bereits einheitliche Standards für die Einlagensicherungsfonds in den EU-Staaten festgelegt, wobei manche Staaten noch an der Umsetzung arbeiten müssen. Auch steht seit 2014 eine zentrale Bankenaufsicht bei der Europäischen Notenbank EZB bereit sowie ein Abwicklungsfriedhof für gescheiterte Banken. Mit dem Aufbau einer gemeinsamen Einlagensicherung für alle Banken der Eurozone soll die Bankenunion bis 2024 vervollständigt werden. Doch so einheitlich wie auf dem Papier sind die Euro-Standards gar nicht. "Schon allein dafür, was eine Bank überhaupt ist, gibt es je nach Land unterschiedliche Definitionen", kritisiert Finanzpolitiker Toncar.

Quelle: Thomas Hauss

Statt für Ruhe sorgen die Pläne für Aufregung – vor allem in Deutschland, wo Sparkassen und Volksbanken fürchten, mit ihren lokalen und regionalen Sicherungseinrichtungen ins Hintertreffen zu geraten. Zudem warnen sie vor einem Abfluss von Spargroschen bei Pleiten im Ausland. Tatsächlich ist bedenklich, dass der Anteil der notleidenden Kredite in den Bankbilanzen vieler Länder sehr hoch ist. Allerdings sind auch unter den deutschen Banken Sorgenkinder, wie sich aktuell am Beispiel der Landesbanken HSH Nordbank oder der NordLB in Niedersachsen zeigt. Weltsparen-Gründer Georgadze wehrt sich gegen das Vorurteil, deutsche Spareinlagen seien sicher, ausländische dagegen nicht. Sein Portal vermitteln gezielt Einlagen an Banken in anderen Ländern, wo die Zinsen bei gleich hoher Einlagensicherung oft höher sind. Von daher ist es verständlich, das Georgadze so argumentiert.

Auch der Einlagensicherungsfonds des deutschen Großbanken und Privatbanken brauchte während der Finanzkrise eine staatliche Millionenbürgschaft, nur um die Pleite des relativ kleinen Deutschland-Ablegers der amerikanischen Pleitebank Lehman Brothers aufzufangen. Wohl auch als Reaktion auf die Erfahrungen der Finanzkrise reduzieren die Großbanken und Privatbanken die bisher utopisch hohen Haftungssummen ihrer Sicherungsfonds schrittweise. Für Unternehmen wird der Schutz eingeschränkt und für die Kommunen sogar komplett gestrichen.

Bringt das geplante EU-System mehr Schutz für die Sparer? Laut einer frisch veröffentlichten EZB-Studie könnte das als EDIS bezeichnete Brüsseler System den Zusammenbruch der 167 riskantesten Euro-Banken auffangen. Das wäre schon eine ziemlich heftige Krise. Dafür nötig wären 38 Milliarden Euro, zu denen deutsche Banken laut Studie im Krisenfall mit 12,5 Milliarden Euro den Löwenanteil beitragen müssten – fast doppelt so viel wie Banken aus Frankreich.

Das europaweite Schutzlimit von nur 100.000 Euro ist selbst aus Sicht von Normalsparern ziemlich niedrig. Daher sollten Sparer ihr Geld auf unterschiedliche Banken verteilen, empfiehlt Plansecur-Anlageberater Winkler. Abgesehen davon vertritt er aber eher die Auffassung, bei der Diskussion um den Sparerschutz den Ball flach zu halten, um das Vertrauen nicht zu zerstören. So umstritten das Thema Sparerschutz ist, waren sich die Diskussionsteilnehmer in einem Punkt einig: Die Einlagensicherung kann nur kleinere oder mittlere Banken auffangen. Einem Flächenbrand im Finanzsystem aber wäre kein Schutzschild gewachsen - egal ob europäisch oder national.

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