Elsässers Auslese

Die wunderbare Welt der Schweizer Nebenwerte

Markus Elsässer Value Investor

Nur wenige Investoren beschäftigen sich mit einem interessanten Spezialgebiet: Der gezielten Suche nach verborgenen Schätzen an der Aktienbörse. Als passionierter Value-Investor bin ich immer wieder auf atemberaubende Unterbewertungen gestoßen. Vor allem in der Schweiz.

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Schweiz. Quelle: dpa

Eine alte Kaufmannsweisheit besagt: „Du sollst das Geld nicht im Lichte suchen“. Das gilt auch für die stillen Reserven und verborgenen Schätze, die man bei Aktien finden kann. Es handelt sich in diesem Segment um sogenannte „Nebenwerte“. Sie werden von den großen Finanzinstitutionen nicht wahrgenommen. Bankanalysten beschäftigen sich nicht mit ihnen. Die Namen dieser „Perlen“ am Aktienmarkt sind in der Regel selbst erfahrenen Geldanlegern kaum bekannt.

Die Schweiz ist eine der Fundgruben für von der Außenwelt unbeachtete Substanzperlen. Dies hat eine einfache Erklärung. Es hängt damit zusammen, dass die Rechtsform der AG (Aktiengesellschaft) in der Schweiz weit verbreitet ist. Und dies hat damit zu tun, dass die Eidgenossen von Währungsreformen und Kriegszerstörungen seit Jahrhunderten verschont geblieben sind.

Die Bevölkerung verfügt seit langem über deutlich mehr Eigenkapital als die Nachbarländer. Die Urausstattung auch kleinerer Firmen mit Aktien-Eigenkapital befindet sich traditionell auf sehr hohem Niveau. Die Gesellschaftsordnung ist bürgerlich und agrarorientiert ausgerichtet. Die besitzenden Klassen sind von calvinistischem Gedankengut und wertbewahrend, konservativ geprägt.

Dieses Umfeld hat dazu geführt, dass bei den Aktiengesellschaften im Nebenwertebereich nur wenig Interesse an Veränderung und Öffnung nach außen vorhanden ist. Bei meinen Besuchen auf Generalversammlungen vor Ort habe ich festgestellt, dass selten über den Tellerrand geschaut wird. Ein Vergleich, wie ein ähnliches Unternehmen beispielsweise in England an der Börse bewertet wird, interessiert keinen der Schweizer Altaktionäre. Überwiegend will man ja sowieso nicht verkaufen. Die Aktien sind bereits seit Generationen im Familienbesitz.

Heimlicher Reichtum in den Schweizer Bergen

Das Bewusstsein um die große, verborgene Substanz der Firma ist durchaus vorhanden. Man freut sich eher darüber, dass dies an der Börse nicht bekannt ist. Das eigentliche Interesse liegt an der jährlichen Dividendenausschüttung und ihrer verlässlich pünktlichen Auszahlung. Mit diesem Cashflow wird kalkuliert, nicht aber mit Kurssteigerungen. Das Denken der Schweizer Altaktionäre ist an den realen Sachwerten ausgerichtet, nicht an der Entwicklung der nominalen Geldziffern ihrer Aktiendepots. Es ist ein anderer lebensphilosophischer Ansatz.

Wir haben es also hier mit dem genauen Gegenteil von der transaktionsgetriebenen Finanzindustrie angelsächsischer Prägung zu tun. Für einen distanziert recherchierenden Investor, zudem aus dem Ausland kommend, bietet dieses Schweizer „Aktien-Biotop“ enorme Chancen. Die Kursnotierungen sind einfach traditionell meilenweit von dem wahren Substanzwert entfernt.

In den vergangenen 25 Jahren hat mir gerade dieses Gebiet meiner Research-Arbeit mit die meiste Freude gemacht. Nach intensiver Recherche und Branchenanalyse zuhause im Kontor, hieß es, sich auf die Socken zu machen. Typischerweise sitzen diese Firmen und Fabriken nicht in den Metropolen des Landes. Die Anreisen per Zug oder Automobil – damals ohne Handy und Navigationssystem – hatten stets den Charakter eines kleinen Abenteuers. Sie waren meist beschwerlich und einsam.

Für die vielen Stunden im Bummelzug mit etlichen Umsteigestationen wurde man mit idyllischen Landschaftsbildern belohnt. Auch per Automobil ohne Navigationssystem und einem Packen von Landkarten auf dem Beifahrersitz ging es meist über sich windende Landstraßen dahin. Die Landschaften waren herrlich. Viel Geduld war mitzubringen.

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