Elsässers Auslese

Finanzen und Lebensstandard - bei Ihnen im Einklang?

Markus Elsässer Value Investor

Sie kommen einfach nicht mit Ihrem Geld aus? Das eigentliche Problem liegt meist nicht an zu geringem Einkommen, sondern am falsch aufgehängten Lebensstandard.

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Finanzielle Probleme bei Gutverdienern resultieren meistens aus falscher privater Ausgabenpolitik. Quelle: Fotolia

Zum Jahresausklang habe ich ganz bewusst dieses Thema gewählt. Im Verlauf diesen Jahres bin ich immer öfter mit Menschen konfrontiert worden, die mit ihrem Geld nicht auskommen. Sie sind der Meinung, dass sie „zu wenig Geld“ haben. Sie sind kreuz unglücklich. Die Zahl dieser Menschen wächst in Deutschland mit beachtlichen Tempo und betrifft nahezu alle Einkommensklassen. Ich spreche nicht von den Ärmsten der Armen. Das ist wahrlich eine andere Geschichte.

Bei den vermeintlichen Unglücksraben und Pechvögeln aus den gehobeneren Kreisen geht es vielmehr um die fehlende Balance von Einkommen im Verhältnis zu dem Lebensstandard. Meine frohe Botschaft zu Weihnachten an all diejenigen, die sich in einer solchen misslichen finanziellen Lage befinden, lautet: Ihnen kann (fast immer) geholfen werden. 

Ich bin zu der festen Überzeugung gekommen, dass nicht das effektive Einkommensniveau die Ursache für solche Misere ist, sondern die mangelnde Bereitschaft, den Lebensstandard veränderten Verhältnissen anzupassen. Hier hat sich eine erstaunliche Starrheit in der deutschen Gesellschaft breit gemacht.

Prognosen für die Gehaltsentwicklungen 2017

Hinter verschlossenen Türen hängt bei vielen Familien der Haussegen schief, und das „nur“, weil man sich völlig unsinnig an Konsum und Statusdenken festklammert. Die finanziellen Folgen sind unausweichlich und desaströs.

Wir leben nun einmal in einer unbarmherzigen Wirtschaftsordnung. Auf gute berufliche Leistungen vergangener Jahre oder auf teure akademische Ausbildungen, kann man sich nicht mehr „ausruhen“. Sie sind kein Garant, dass es beständig mit dem eigenen Wohlstand bergauf geht.

Die Epoche der großen Stabilität für die Mittel- und Oberschicht, die wir aus den Zeiten von Jane Austen in England oder auch aus dem Adenauer-Nachkriegsdeutschland kennen, ist vorbei. Vor allem Angestellte sind betroffen. Auf die Arbeitgeber ist kein Verlass. Jahrzehntelange Treue zum Firmenpatron wird über Nacht wertlos.

Wohin man schaut, überall ist das Phänomen zu beobachten: Im Sauerland verkauft die Generation der Erben gefühlskalt mittelständische Unternehmer nach dem Tod der Gründer und lebt fortan bequem in weniger abgeschiedenen beziehungsweise weniger regenanfälligen Regionen. Zurück bleiben die Mitarbeiter.

Dax- und andere Großkonzerne verschulden sich in Milliardenhöhe, um Unternehmen mit vollständig anderen Firmenkulturen aufzukaufen. Aussichtsreiche Berufslaufbahnen enden auf einmal in einer Sackgasse. Andere Herrscher kommen ans Ruder. Die Spielregeln haben sich von jetzt auf gleich geändert.

Im Bankgewerbe rotiert von Nord bis Süd das Personalkarussell. Die guten Sitten sind total verfallen: Bankern wird bei Jobwechsel noch vor Antritt der neuen Stelle gekündigt. Ganze „Seilschaften“ fliegen raus, wenn die Chefposition neu besetzt wird. Eine neue Art von Sippenhaft ist bei unseren Großbanken anzutreffen.

Diese Berufsgruppen verdienen am wenigsten
Groß- und Einzelhandel Quelle: dpa
Öffentlicher Dienst und Verbände Quelle: dpa
Personal-Dienstleistungen Quelle: dpa/dpaweb
Land-, Forst- und Fischwirtschaft, Gartenbau Quelle: dpa
Gesundheit und soziale Dienste Quelle: dpa
Agentur, Werbung, Marketing und PR Quelle: Fotolia
Freizeit, Touristik, Kultur und Sport Quelle: dpa

In der schreibenden Zunft geht es mit den Karrieren erstklassig ausgebildeter Journalisten rapide bergab. Statt über Gehaltserhöhungen zu sprechen, sind Gehaltskürzungen an der Tagesordnung. Manch einer ist froh, wenn er überhaupt noch auf einer wackligen Zeitvertrag-Basis seinen Job behalten darf.

Und auch in der privaten Lebensführung rumpelt es mit fundamentalen Folgen für die Betroffenen. Von den Ausnahmen abgesehen, bei denen Männer oder Frauen von ihren Partnern hinterlistig und vorsätzlich finanziell geschädigt werden, sind Frauen und Mütter eindeutig die finanziell „Gelackmeierten“. Das hört man nicht gerne, aber dies konnte ich während des Jahres leider häufig beobachten. In vielen Fällen kann ich wirklich nicht stolz auf meine Geschlechtsgenossen sein. Von Anstand und Fair Play - nach 25-jähriger Ehe - kann da keine Rede sein.

Die finanzielle Substanz wird aufgezehrt

So schlägt das Schicksal unerbittlich jeden Tag irgendwo in unserer Gesellschaft zu. Die Betroffenen sind mental nicht darauf vorbereitet. Die Einkommenssituation verschlechtert sich von Heut auf Morgen. Geschockt, verzweifelt und verängstigt sitzen die Menschen erst einmal da. Wer Glück hat und eine Abfindung zugesprochen bekommt, der atmet erstmal durch und lässt die Zeit verstreichen - auch eine Fehlhaltung. So oder so, das finanzielle Unglück nimmt seinen Lauf.

Unterschwellig merken die Menschen, dass sie jetzt etwas an ihren Lebensverhältnissen ändern sollten. Doch die gegenteilige Reaktion ist fast immer anzutreffen. Ich könnte Ihnen unzählige Beispiele der Unvernunft, die ich seit Jahren beobachte, aufzählen. Auch hoch intelligente Menschen wollen eine dramatische Verschlechterung ihrer Situation nicht anerkennen.

Der Irrsinn nimmt die traurigsten Formen an: Unverdrossen bleibt man in einem zu großen Haus wohnen, anstatt sich sofort räumlich zu verkleinern. Es ist unter der Würde in ein schlechteres Wohnviertel umzuziehen. Lieber wird bei Verwandten ein Kredit aufgenommen (übrigens, ein ganz falscher „Liebesbeweis“ an Mildtätigkeit). Fazit: Man beginnt, von der Substanz zu leben.

Wenn die Liebe vor Gericht steht
Kein Schadenersatz bei GeschenkeausfallJe mehr Gäste ein Brautpaar einlädt, desto mehr Geschenke bekommt es in der Regel auch. Doch was passiert, wenn der große Festsaal nicht pünktlich fertig wird und die Hochzeitsgesellschaft in einen kleineren Raum ausweichen muss? Ein Brautpaar verlangte Schadenersatz, da es 220 von ursprünglich 620 eingeladenen Gästen wieder ausladen musste. Dadurch seien ihnen Geschenke im Wert von 8.250 Euro entgangen. Daneben wollten sie noch weitere Kosten geltend machen und beantragten außerdem Prozesskostenhilfe. Das Landgericht Gießen wies diesen Antrag jedoch zurück (Az.: 4 O 102/11). Ein "Geschenkeausfall" könne keinen Schaden begründen, so das Gericht. Quelle: dpa
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld und ErsatzfeierEs sollte nur eine kleine Hochzeitsfeier sein, mit zwölf Personen wollte ein Brautpaar nach der Trauung im Kaminzimmer eines Restaurants feiern. Doch der Gastwirt vergaß die Reservierung – das Zimmer war besetzt, die Braut nervlich am Ende. Sie verlangte 3000 D-Mark Schmerzensgeld und noch einmal mehr als 10.000 Mark für eine Ersatzfeier. Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies jedoch den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe (Az.: 8 W 165/98-22). Quelle: dpa
Der Arbeitgeber darf sich nicht in die Liebe einmischenIst eine chinesische Ehefrau ein Sicherheitsrisiko? Ein Unternehmen in Schleswig-Holstein wollte einen Ingenieur kündigen, da er eine chinesische Staatsangehörige geheiratet hat. Ein solches Vorgehen verstößt gegen das Grundrecht der Eheschließungsfreiheit, das im Grundgesetz (Artikel 6, Absatz 1) festgeschrieben ist. Außerdem sei es sittenwidrig, da das Unternehmen in den Jahren zuvor die Beziehung zu einer in China lebenden Chinesin nicht als sicherheitsrelevant einstufte, das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden (Az.: 3 Sa 95/11). Der Arbeitgeber habe das Kündigungsrecht für eine willkürliche Vorgehensweise missbraucht. Quelle: AP
Chefarzt darf erneut heiraten – trotz katholischer KlinikAuch die katholische Kirche mischt sich gerne in das Liebesleben ihrer Angestellten ein. Ein Krankenhaus in Trägerschaft der Katholischen Kirche, wollte einen Chefarzt kündigen, da dieser erneut geheiratet hatte. Zwar wurde im Arbeitsvertrag die Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre gefordert, doch das Krankenhaus hatte mit protestantischen und katholischen Mitarbeitern die gleichen Arbeitsverträge abgeschlossen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sah den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, da bei protestantischen Mitarbeitern wegen einer erneuten Eheschließung keine Kündigung ausgesprochen worden sei. Zwar sei die erneute Heirat ein Pflichtverstoß und als Kündigungsgrund geeignet, aber die Gerichte müssten zugleich im Kündigungsschutzverfahren grundlegende staatliche Rechtssätze beachten. Da vor der Heirat bereits die eheähnliche Gemeinschaft des Arztes bekannt gewesen sei und toleriert wurde, sei es unverhältnismäßig, den Arzt wegen der Eheschließung zu kündigen (Az.: 5 Sa 996/09). Quelle: dpa
Morgengabe ist ein SchenkungsversprechenGemäß einem islamisch-religiösen Ritus hatte eine Frau von ihrem Schwiegervater die schriftliche Zusage bekommen, dass der Schwiegervater ihr 30.000 Euro zahlen solle, falls es zur Scheidung von seinem Sohn kommt. Die Klägerin und der Beklagte stammen aus der Türkei. Doch das Oberlandesgericht Düsseldorf erklärte das deutsche Recht für anwendbar, da der gewöhnliche Aufenthaltsort des Schwiegervaters in Deutschland lag. Das Gericht wertete eine solche „Morgengabe“ als Schenkungsangebot im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), das an die Bedingung der Scheidung gestellt worden sei. Der beklagte Schwiegervater musste das Geld zahlen (Az.: I-5 U 88/08). Quelle: rtr
Schnelle Scheidung bei verschwiegener Haftstrafe„Schatz, ich bin dann mal im Gefängnis“ – wenn ein solches Bekenntnis kurz nach der Hochzeit kommt und die Ehefrau dann für mehrere Monate in Haft verschwindet, darf sich der Partner scheiden lassen ohne dabei das Trennungsjahr einzuhalten. Das Amtsgericht Ludwigsburg hatte dem betroffenen Ehemann geglaubt, dass er vor der Hochzeit nichts von der bevorstehenden Haft wusste und sah darin einen so genannten Härtegrund, so dass der Mann das Trennungsjahr nicht abwarten musste (Az.: 1 F 50/06). Quelle: dpa
Kein Visum bei ScheineheWenn ein 27jähriger Tunesier in seiner Heimat eine 84jährige deutsche Frau heiratet, mutet das schon ein bisschen seltsam an. Aufgrund des großen Altersunterschieds nahm auch das Verwaltungsgericht Berlin an, dass es sich hier um eine Scheinehe handelt und wies die Klage des Mannes auf eine Aufenthaltsgenehmigung ab (Az.: VG 5 V 67.04). Dafür sprach laut Gericht auch, dass es keine Feierlichkeiten bei der Eheschließung gab, keine Ringe getauscht wurden und keine Freunde und Bekannten dabei waren. Noch dazu hatte sich die Frau bei den Angaben zu ihren Beweggründen für die Ehe in Widersprüche verstrickt. Quelle: dpa

Den Kindern werden die wahren Verhältnisse und die neuen Zwänge verschwiegen. Der Irrglaube, dass Kinder nur glücklich sind, wenn es den Eltern finanziell gut geht, ist leider weit verbreitet. Kinder sind auch im kleinsten Container happy und wachsen vernünftig heran, solange sie mit den Eltern zusammen sind.

Meist werden tausend Argumente vorgeschoben, um sich vor den notwendigen Einschnitten und Veränderungen zu drücken. Das eigene Selbstbewusstsein an den ganzen materiellen Tand aufzuhängen ist in unserer Wohlstandsgesellschaft unsinnig. Hier verhungert keiner so schnell.

Aus meiner eigenen Lebenserfahrung kann ich Ihnen versichern: Sie fühlen sich viel wohler, wenn Sie sich offen vor Ihren Freunden und Ihrer Familie „outen“ und sofort bekanntgeben, dass es Sie finanziell schwer getroffen hat. Ganz gleich, wie es dazu gekommen ist: ob durch Fehlspekulation, Arbeitsplatzverlust oder Scheidung.

Ich rate dringend zu einer aufrechten inneren Haltung: Hosen runter und konsequent handeln, und zwar sofort nach dem Einschlag. Springen Sie von der dahin schmelzenden Eisscholle ab und finden Sie festen Boden unter den Füssen: In einer kleineren Wohnung, ohne Auto, und Ihre Kinder gehen eben nicht auf die teure Privatuni. Und sprechen Sie es aus: „Das können wir uns nicht leisten“. Diesen Satz habe ich bei meinen Bekannten nur selten gehört. Er scheint aus der Mode gekommen zu sein. 

So schnell sind 78 Millionen Euro weg

Es ist nicht das Geld, welches einem im Leben Kummer bereitet. Es ist der Mangel an Geld. Und dieser Mangel ist nur selten das Resultat von zu wenig Einkommen oder Vermögen. In Wahrheit ist er durch eine falsche private Ausgabenpolitik begründet.

An der Realität beißt ja keine Maus den Faden ab: Wer im Jahr mehr ausgibt, als er einnimmt, der hat gleich zwei Probleme.

Zum einen zehrt er seine finanzielle Substanz auf oder endet in der Verschuldung. Ich kenne aus meinem Bekanntenkreis Fälle, bei denen Millionenvermögen systematisch über 20 Jahre komplett aufgezehrt wurden. Und zwar nur durch einen leicht überzogenen Lebensstil. Glauben Sie mir, es ist kein schönes Gefühl mit 55 Jahren mittellos da zu sitzen und zurückzuschauen auf die Zeit, als Sie mit 30 Jahren ein Millionenerbe waren.

Zum anderen, und das ist viel schlimmer, kreieren Sie sich selbst einen unnötigen Druck und manövrieren sich in ein Dauer-Unwohlsein. Die Frage ist dann nur, ob Sie sich als Opfer empfinden oder anfangen, das Leben negativ zu sehen und ein aggressiver Zeitgenosse werden.

Passen Sie sich mit Schwung und Elan den Umständen des Lebens an. Akzeptieren Sie die Veränderungen auf Ihrer Einkommensseite, seien Sie kaufmännisch klug und haushalten vernünftig.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Weihnachtstage. Seien Sie sich versichert, auch für das neue Jahr 2017 gilt: Es gibt überhaupt keinen Grund zu verzagen.

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