Engelmanns Eigenhandel

Wann Schulden sinnvoll sind - und wann nicht

Schulden machen ist nur sinnvoll, wenn das Geld für Investitionen genutzt wird, sagt unser Kolumnist. Denn weniger ist manchmal mehr.

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Ob Staaten, Unternehmen oder Privatleute: Die ganze Welt baut auf Kredit! Quelle: dpa

“Es ist alles nur geliehen, hier auf dieser schönen Welt, es ist alles nur geliehen, aller Reichtum, alles Geld. Es ist alles nur geliehen, jede Stunde voller Glück, musst Du eines Tages gehen, lässt Du alles hier zurück!“

Diese nachdenklichen Zeilen stammen aus der Feder des kürzlich verstorbenen Moderators Heinz Schenk.

Sein alter Spruch ist auch in anderem Sinne richtig: Die ganze Welt baut auf Kredit. Ob Staaten, Unternehmen oder Privatleute – sich zu verschulden gehört zur Normalität des Alltags. Aber sind Schulden in jedem Fall sinnvoll? Und wo liegen die Grenzen einer verantwortungsvollen Verschuldung?

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, was passiert, wenn diese Grenzen überschritten werden. In Bankkreisen spricht man in diesem Zusammenhang gerne vom Überschreiten der Schuldentragfähigkeit. Und leider waren es ausgerechnet Banken, die ihre Schuldentragfähigkeit in den zurückliegenden Jahren vielfach falsch einschätzten und dadurch in existenzielle Probleme gerieten. Auch einige Staaten Europas haben sich über die Grenzen ihrer Schuldentragfähigkeit hinaus verschuldet.

Diese Staaten stecken am tiefsten in den Miesen
Japan – 245 Prozent des BruttoinlandsproduktsDer Inselstaat ist Rekordhalter unter den Industriestaaten. Dennoch kann sich Japan ohne Probleme am Kapitalmarkt refinanzieren. Die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen liegt unter einem Prozent. Japan hat eine völlig andere Schuldenstruktur als etwa Griechenland. Der Staat verschuldet sich bei seinen eigenen Bürgern, nicht bei internationalen Investoren. Nur rund fünf Prozent der Schuldtitel gehören Ausländern. Bei den entscheidenden 95 Prozent hilft der Staat allerdings kräftig nach. Er zwingt die staatlichen Pensionsfonds mit strengen Investitionsrichtlinien, der Regierung Kredit zu geben. Sie investieren im Schnitt 55 Prozent ihres Vermögens in heimische Staatsanleihen. Quelle: dpa
Griechenland – 182 Prozent des BIPIm Gegensatz zu Schulden-Spitzenreiter Japan ist die Hohe Schuldenlast für Griechenland fatal und das Land auf Hilfskredite der Euro-Partnerländer angewiesen. Bei den Rettungspaketen für Griechenland wird vor allem um diese Schuldenquote gerungen, die bis 2020 auf 120 Prozent gedrückt werden soll. Erst bei diesem Wert kann sich ein Land nach gängiger Meinung der Ökonomen wieder selbst an den Kapitalmärkten langfristig refinanzieren. Wegen der schrumpfenden griechischen Wirtschaft dürfte die Schuldenquote Griechenlands zunächst aber weiter steigen. Quelle: dpa
St. Kitts and Nevis – 139 Prozent des BIPGriechische Verhältnisse in Karibik: Die kleine Inselföderation hat ihre Schulden in erster Linie durch das unrentable Wirtschaften der staatlichen Zuckerproduzenten aufgetürmt. Anders als Griechenland vermag es der 50.000-Einwohner-Staat aber nicht, auf den internationalen Finanzmärkten für Unruhe zu sorgen. Dazu ist sie zu bedeutungslos. Auch die gesamte Währungsunion hat der Staat, der zum britischen Commonwealth gehört, nicht in tiefgreifende Probleme gestürzt. Zusammen mit den anderen Antilleninseln Anguilla, Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, Montserrat, St. Lucia sowie St. Vincent und die Grenadinen bildet sie eine Währungsunion. Seit 1965 nutzen diese Staaten gemeinsam den Ostkaribischen Dollar. (im Bild: Ein Autofahrer füllt an einer Zapfsäule in der Hauptstadt Basseterre seinen Tank auf) Quelle: REUTERS
Jamaika – 140 Prozent des BIPTraumhafte Strände, traumatische Staatsverschuldung: Der Karibikstaat ging noch vor Island bankrott – fast unbemerkt von der internationalen Aufmerksamkeit. Mit Beginn der Finanzkrise brach der Tourismus ein, ebenso flossen weniger Überweisungen von Exil-Jamaikanern, was die Rezession auf der Insel verstärkte. Die Staatsverschuldung wuchs sprunghaft von 126 Prozent (2008) auf 143 Prozent (2010). Hinzu kommen hohe Kriminalität, Schutzgelderpressung und Drogenhandel. Mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds ging der Im Fall der Reggae- und Rastainsel in einen geordneten Konkurs. 2012 hat Jamaika seine Schuldenlast um drei Prozent gesenkt. Quelle: dpa/dpaweb
Libanon – 135 Prozent des BIPDie extrem hohe Staatsverschuldung ist eines der Schlüsselprobleme im Libanon. Für Zinszahlungen müssen mehr als 40 Prozent der gesamten Staatseinnahmen ausgegeben werden. Die Dollarisierung der Spareinlagen ist trotz des politischen Stillstands und der Weltwirtschaftskrise zurückgegangen. Die Finanzierung der Staatsverschuldung wird im Grunde dadurch gesichert, dass im Ausland lebende Libanesen und langfristig orientierte Investoren aus den Golfstaaten Vertrauen in das libanesische Bankensystem haben´ Quelle: AP
Italien – 128 Prozent des BIPItaliens Schuldenberg wächst in der Rezession weiter und weiter. Planungspapiere der Regierung belegten, dass die Verschuldung des Staates 2013 vermutlich sogar ein neues Rekordniveau von 130,4 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht. Schon im Mai lag die Schuldenlast Italiens bei mehr als zwei Billionen Euro. Bislang erwartete die Regierung einen Rückgang der Schuldenstandsquote. Quelle: dpa
Eritrea – 128 Prozent des BIPDie gesamte Volkswirtschaft des afrikanischen Landes müsste 1,28 Jahre arbeiten und die Erlöse vollständig an die Gläubiger des Staats abgeben, um die Staatsschuld zu tilgen (plus Zinsen, die dann weiterarbeiten). Dabei gehört das Land zu den ärmsten der Erde. Zwar erwartet Eritrea für 2013 mit ein reales Wirtschaftswachstum von acht Prozent – und damit mehr als drei Mal so viel wie 2012 – allerdings sieht es für die Wirtschaft der abgeschotteten Quasi-Diktatur jenseits der ordentlich anlaufenden Kupfer- und die Goldförderung düster aus. Schätzungsweise zwei Drittel der Bevölkerung sind auf Lebensmittelhilfen der Regierung angewiesen und müssen dennoch Hunger leiden. Die internationale Abschottung führt zudem zu hoher Inflation, Devisenknappheit und öffentlicher Verschuldung. (im Bild: Zwei eritreische Kinder spielen hinter Wasserkanistern in Dadu, 120 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Asmara) Quelle: AP

In der Diskussion um die Ursachen wird oftmals die Bankenrettung als wichtigster Grund genannt. Doch dieser Ansatz greift zu kurz. Die Gründe des schon seit Jahrzehnten zu beobachtenden Anstiegs der Verschuldung der öffentlichen Hand – hierzulande genauso wie im Rest Europas – liegen auch im gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel begründet.

Die Alterung der Gesellschaft sei hier ebenso wie die Globalisierung als Stichwort genannt. Die Aufrechterhaltung des Status quo in Bezug auf den Sozialstaat wird angesichts der demographischen Entwicklung genauso zur finanziellen Herausforderung wie der Umgang mit struktureller Arbeitslosigkeit und ihren Folgen. Lange schon ist Asien die Werkbank der Welt. In der Folge geraten Länder auf anderen Teilen der Erde, deren Unternehmen keine technologisch hochwertigen Konsum-, vor allem aber Investitionsgüter anbieten können, mehr und mehr ins Hintertreffen. Mit entsprechenden Folgen für den Staatshaushalt auf der Einnahme- wie auf der Ausgabenseite.

Peter Zwegat & Co. haben gut zu tun

Auch im privaten Sektor kann eine übermäßige Verschuldung in den Ruin treiben. Nicht umsonst reisen Schuldnerberater wie Peter Zwegat und Co. durch das Land, um Menschen zu helfen, die sich hoffnungslos verschuldet haben. Der Umstand, dass RTL die finanziell prekäre Lage vieler privater Haushalte zur Grundlage einer Reality-Soap machen konnte, zeigt, dass das Problem der Überschuldung mittlerweile kein gesellschaftliches Randphänomen mehr zu sein scheint.

Doch wann ist eine Kreditaufnahme sinnvoll? Grundsätzlich kann man diese Frage wohl für Staaten, Unternehmen und Privathaushalte gleich beantworten: wenn das aufgenommene Geld für Investitionen genutzt wird.

Kredite für Forschung

Im Falle von Unternehmen leuchtet das unmittelbar ein. Verschuldet sich ein Unternehmen, um Forschung und Entwicklung voranzutreiben, neue Maschinen anzuschaffen oder in neue Märkte zu expandieren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Investitionen eines Tages auszahlen. Die Finanzierung solcher Investitionen durch die Aufnahme von Fremdkapital birgt zwar auch Risiken, doch sollten diese im Rahmen einer verantwortungsbewussten unternehmerischen Entscheidung handhabbar sein.

Nimmt ein Unternehmen dagegen Schulden auf, um Löhne und Gehälter oder Betriebsmittel zu finanzieren und ist eine solche Kreditaufnahme der Ursache geschuldet, dass die Absatzzahlen seiner Produkte auf Dauer rückläufig sind, droht Gefahr.

Woran Sie denken sollten, wenn Sie einen Kredit brauchen
Vor Ausbruch der Finanzkrise gaben Banken so gut wie jedem einen Kredit, heute sind sie eher knauserig. Die Vorgaben für die Kreditvergabe, an die sich die Geldinstitute nun strikt halten (müssen), besagen nämlich, dass das geliehene Geld mit einem entsprechenden Prozentsatz Eigenkapital besichert werden muss. Je weniger Eigenkapital der Schuldner hat, desto riskanter ist es für die Bank, ob sie das Darlehen je zurückgezahlt bekommt. Dementsprechend gilt: Je schlechter die Bonität eines Antragsstellers, desto teurer wird der Kredit. Quelle: Fotolia
Völlig egal, ob es sich um einen Unternehmenskredit oder Geld für das neue Auto oder das Häuschen geht: Je ehrlicher der Antragsteller sagt, wofür er das Geld braucht und welche Sicherheiten es gibt und je besser er vorbereitet ist, desto besser sind seine Chancen, das Darlehen auch zu bekommen. Quelle: dpa
Dementsprechend wichtig ist es, dass Kreditnehmer alle ihre Unterlagen beim Gespräch dabei haben und nicht zig Mal entscheidende Papiere nachreichen müssen. Wer gleich mit den Bilanzen der vergangenen drei Jahre oder dem Businessplan zu seiner Bank geht, spart sich nicht nur Rennerei, sondern zeigt auch, wie ernst es ihm mit dem Darlehen ist. Quelle: Fotolia
Grundsätzlich wird jeder, der ein Darlehen beantragt, gründlich unter die Lupe genommen. Je höher der Kredit, desto genauer fällt die Prüfung aus: Zum einen analysiert die Bank die wirtschaftliche Situation des Antragsstellers sowie seine Sicherheiten. Zum anderen ist die Zuverlässigkeit beim Abbezahlen alter Schulden wichtig für eine positive Entscheidung. Handelt es sich um ein Unternehmen, spielt auch die zukünftige Entwicklung in der jeweiligen Branche eine Rolle. Gleiches gilt auch für die Erfolge des Betriebes und die Fluktuationsrate bei Mitarbeitern, Stichwort "Brain Drain". Quelle: Fotolia
Es kommt gerade in einem solchen Gespräch nicht gut an, bei einer Frage nervös herumzustammeln. Bereiten Sie sich im Vorfeld des Gesprächs auf die klassischen Fragen vor: Wofür soll der Kredit sein, wie lange soll er laufen, womit soll er zurückgezahlt werden. Unternehmer sollten auch schlüssige Antworten auf Fragen nach Marktanteilen, Gewinnzone und geplanten Investitionen parat haben. Quelle: Fotolia
Da die Bank auf jeden Fall fragen wird, welche Sicherheiten der Kreditnehmer anbieten kann, sollte man vor dem Gespräch darüber nachdenken, welche Vermögenswerte derzeit verfügbar sind. Und noch viel wichtiger: Welche er auch tatsächlich mit einer Hypothek belegen kann. Es nutzt niemanden etwas, wenn nachher die Eigentumswohnung der Bank gehört oder das gesamte Privatvermögen weg ist. Quelle: Fotolia
Gerade wenn es um hohe Summen geht, beispielsweise für die Anschaffung einer neuen Maschine, kann es ratsam sein, den Steuerberater oder jemand aus dem Unternehmensbeirat (sofern vorhanden), mit zum Gespräch zu nehmen. Natürlich können auch Privatpersonen einen Berater mit zu seiner Bank nehmen. Wichtig ist, dass dieser das Gespräch nicht an sich reißt, sondern nur bei Bedarf seine Meinung äußert. Quelle: Fotolia

Steuern für Bildung

Auch für Staaten kann eine Verschuldung durchaus sinnvoll sein. Zwar wünscht sich der Bürger, der Staat käme stets mit dem Geld aus, das er über Steuern und andere Abgaben einnimmt. Doch können sich klug verwendete Kredite, die beispielsweise in Aufrechterhaltung und Ausbau der Infrastruktur oder in Bildungseinrichtungen fließen, für einen Staat durchaus lohnen.

Wenn die Parteien im letzten Wahlkampf verstärkte Bemühungen in puncto Bildung angemahnt haben, mag das manche, mächtig auf die Nerven gegangen sein. Es beißt aber die Maus keinen Faden daran ab, dass der (Aus-) Bildungsgrad der Bürger für die Erhaltung des Wohlstandes von essentieller Bedeutung ist. Nur wenn hervorragend ausgebildete Mitarbeiter in den Unternehmen innovative Produkte entwickeln und herstellen, kann der enorme Wohlstand in den alten Industrienationen auf Dauer erhalten werden.

Gewiss: Nicht jeder Mensch kann Ingenieur werden. Ebenso wahr ist aber auch, dass Ungelernte auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur geringe Chancen haben. Hier können kreditfinanzierte, staatliche Hilfsmaßnahmen im Ausbildungsbereich Früchte tragen, die Zins und Tilgung hierfür aufgenommener Kredite auf mittlere bis lange Sicht tragbar erscheinen lassen.

Konsum auf Pump

Deutsche Schuldenhochburgen

Problematisch wird die staatliche Verschuldung hingegen dann, wenn die aufgenommenen Gelder nicht für Investitionen in die Zukunft des Landes verwendet werden. Hohe Arbeitslosigkeit kann eine Staatskasse dabei ebenso über ihre Grenzen hinaus belasten wie die Zahlungsverpflichtungen gegenüber Rentnern und Pensionären.

Insbesondere mit Blick auf die Versorgung einer stetig alternden Gesellschaft steht der Staat vor einer besonders großen Herausforderung – der demographische Wandel lässt grüßen.

Auch wenn Schulden dazu aufgenommen werden, fragwürdige Projekte zu finanzieren, droht Gefahr. Viele Menschen dürften die Bankenrettungen der vergangenen Jahre zum Kreis solch fragwürdiger Projekte zählen. Auch wenn der Staat mehr Schulden aufnehmen muss, weil sich ein Teil der Bevölkerung seiner Verpflichtung zur Steuerzahlung auf mehr oder minder dubiosen Wegen entzieht, sollten im Finanzministerium die Warnleuchten blinken. Haben die Schulden eines Landes erst einmal eine gewisse Höhe erreicht, droht eine gefährliche Abwärtsspirale, an deren Ende der Wohlstand aller Bürgern in Gefahr ist.

Wofür sich die Deutschen 2013 verschuldeten
Platz zehnDer Besuch beim Zahnarzt kann teuer werden, vor allem wenn ein Implantat nötig ist, das nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zählt, und keine private Zahnzusatzversicherung vorhanden ist. Laut einer Erhebung des Vergleichsportals Check24 beantragen Kunden für Zahnarztkosten im Schnitt Kredite von 5.767 Euro. Laut Finanztest (12/2008) schätzt die Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit die Kosten für zwei bis vier Implantate auf 3.000 bis 7.500 Euro. Quelle: AP
Silhouette eines frisch vermählten Hochzeitspaares Quelle: dpa
Touristen am Strand Mari Ermi auf der Sinis-Halbinsel an der Westküste der Mittelmeer-Insel Sardinien Quelle: dpa
Platz siebenAuch für Motorräder nehmen die Deutschen Kredite auf. Im Schnitt zahlen sie dafür 5,09 Prozent Zinsen. Quelle: dpa
The four-seater 3200GT coupe Quelle: REUTERS
Bauarbeiter errichten am 16.05.2012 Eigenheime im neuen B-Plan-Gebiet "Mühlenscharm" in Schwerin. Quelle: dpa
Platz vierDer vierthäufigste Verwendungszweck für Kredite ist der Kauf von Einrichtung und Möbeln. Die durchschnittlich abgeschlossene Kreditsumme beträgt 7.916 Euro bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 6,34 Prozent. Im Gegensatz zu Elektronik oder Reisen handelt es sich hier zumeist um langlebige Güter, die sich für eine Kreditfinanzierung eignen. Quelle: dpa

Nur fürs Eigenheim

Auch für private Haushalte kann es sinnvoll sein, einen Kredit aufzunehmen. Allerdings gilt hier das Gleiche wie für Unternehmen: Ein Kredit sollte nur für eine Investition aufgenommen werden. Dahinter steckt in der Regel einzig der Kauf einer eigennutzten Immobilie. Sie dürfte ihren Wert über die Jahre kaum einbüßen. Die Kreditaufnahme für jeden anderen Zweck ist gefährlich.

Doch die Sirenen der Werbung singen das hohe Lied der „Null-Prozent-Finanzierung“ und so mancher glaubt, bei einem Leasing-Vertrag handele es sich gar nicht um einen Kredit.

Dass viele Privathaushalte ihren Konsum über Kredite finanzieren, dürfte ebenso in einem grundsätzlichen Mentalitätswandel begründet liegen wie in schierer Notwendigkeit. In der Generation unserer Großeltern wurde gespart, bis man das notwendige Geld zusammenhatte. Heute orientieren wir uns eher am amerikanischen Beispiel. Wozu noch zehn Jahre auf einen Neuwagen sparen, wenn man ihn unmittelbar nach Abschluss eines Leasingvertrages vom Hof des Händlers fahren kann?

Früher verpönt, heute verbreitet: Ein Leben auf Pump. Deutschland lebt seine neue Konsumfreunde aus, und das oftmals auf Kredit. Kein Problem, sagen die Banken. Riskant, sagen Verbraucherschützer.
von Andreas Toller

Immer öfter ist die Kreditaufnahme aber auch purer Notwendigkeit geschuldet: Zwar erklären uns Notenbanker wir Politiker gleichermaßen, dass wir hierzulande eher eine Deflation als eine Inflation zu fürchten haben. Doch der Blicks ins eigene Portemonnaie offenbart etwas anderes.

Wie schnell sind 50 Euro heute ausgegeben? Und wer eine Wohnung einrichten, ein Auto kaufen oder in Urlaub fahren möchte, der weiß, wie teuer das Leben in Deutschland ist. Für manchen Haushalt sind Kleinkredite und Leasing die einzige Möglichkeit, bestimmte Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Gefährlich wird der Konsum auf Pump regelmäßig dann, wenn der Kreditnehmer seinen Arbeitsplatz verliert. Dann fällt das Kartenhaus des auf Pump finanzierten Lebenswandels in sich zusammen. Eine zunehmende Überschuldung der Bevölkerung dürfte auch den Staat langfristig vor schwerwiegende Probleme stellen.

Wo die meisten Schuldner leben
10. LübeckDie Hansestadt mit ihren rund 210.000 Einwohnern lebte jahrzehntelang von der Schwerindustrie. Inzwischen sind Firmen wie das „Hochofenwerk Lübeck“ oder die „Flender-Werke“ längst Opfer des Strukturwandels geworden. Die Arbeitslosenquote betrug im September 2012 9,8 Prozent – und damit deutlich über dem Landesdurchschnitt Schleswig-Holsteins von 6,5 Prozent. Im Jahr 2011 betrug die Schuldnerquote in Lübeck laut Creditreform 15,19 Prozent, das heißt: Rund jeder siebte Bürger der Hansestadt kann seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Quelle: AP
Wiesbaden, 9. Platz: Die Landeshauptstadt Hessens liegt in der Rangliste der Städte mit der höchsten Schuldnerquote überraschend auf Platz 9. In der zweitgrößten Stadt Hessens wohnen rund 280.000 Menschen, davon 17 Prozent Ausländer. Wiesbaden zählt zu Städten mit der höchsten Kaufkraft. Im Durchschnitt beträgt diese pro Bürger 22.400 Euro. Doch während die einen besonders viel Geld zum Ausgeben haben, haben die anderen besonders wenig. 15,22 Prozent der Wiesbadener über 18 Jahre überschuldet, das heißt mehr als jeder sechste, über 34.700 Wiesbadener, können in den nächsten Monaten und Jahren ihre Schulden nicht mehr begleichen. Quelle: dapd
8. GelsenkirchenDie Ruhrgebietsstadt – das Armenhaus des Ruhrgebiets – hat mit dem Strukturwandel zu kämpfen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 14,6 Prozent. 30.070 Privatpersonen sind in Gelsenkirchen überschuldet. Das sind 15,4 Prozent der Einwohner. Quelle: AP
7. NeumünsterNeumünster hat knapp 77000 Einwohner, doch es könnten weniger werden. Nachdem die Bundeswehrkasernen geschlossen wurden, haben auch wichtige Unternehmen den Standort verlassen. Die jüngeren Leute ziehen nach der Schule weg. Die Arbeitslosenquote liegt bei 10,5 Prozent, weiter über die Quote des Bundeslandes Schleswig-Holsteins, von 6,5. Die Verschuldungsquote liegt laut Creditreform-Schuldneratlas 2011 bei 15,61 Prozent. Quelle: dpa
6. KasselDie wichtigsten Unternehmen kommen aus der Maschinen- und Fahrzeugbau. Der Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann produziert hier. Trotzdem schlägt die Documenta-Stadt mit 195 530 Einwohnern die landesweiten Arbeitslosenquote um Längen: 9,5 Prozent statt 5,5 Prozent. Die Verschuldung liegt laut Creditreform bei 15,84 Prozent. Quelle: dpa
5. Halle (Saale)Sachsen-Anhalt verfügt über eine hohe Arbeitslosenquote: 10,8 Prozent. Doch in Halle gibt es mehr Menschen ohne Arbeit - nämlich 12,3 Prozent. 232 693 Einwohner leben hier - 16,17 Prozent sind laut Creditreform verschuldet. Quelle: dpa
4. Offenbach am MainDie Nähe zur deutschen Finanzmetropole wirkt trügerisch. Offenbach (122 000 Einwohner) hat eine relative niedrige Arbeitslosenquote (5,3 Prozent sind arbeitlos, Hessenweit sind es 5,5), doch der Prozentteil der Schuldner ist hoch - 16,93 Prozent der Bevölkerung haben ihre Finanzen nicht im Griff. Quelle: dpa/dpaweb

Weniger ist mehr

„Es ist alles nur geliehen“ wurde – 1978 veröffentlicht – zum größten musikalischen Erfolg Heinz Schenks. Schon damals warnte er vor den Folgen ungehemmten Konsums, Raffgier und Habsucht. Sein Couplet gipfelte in der Forderung, sich wieder an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen.

Zwar war Schenks Lied sicher nicht als Warnung vor übermäßiger Verschuldung gedacht. Und doch wollen erscheinen seine Zeilen heute wie eine Aufforderung zu jenem Deleveraging erscheinen, dass die Banken schon seit einiger Zeit vorantreiben und Staaten wie Privathaushalte ebenso in Angriff nehmen sollten.

Weniger ist manchmal mehr. Das gilt auch in Bezug auf Kredite.

Hinweis: Herr Engelmann ist Mitarbeiter der Citigroup in Deutschland. Der von ihm verfasste Text gibt allein seine persönliche Meinung wieder und ist keine Analyse, Beratung oder Empfehlung der Citigroup.

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