Engelmanns Eigenhandel

Wann Schulden sinnvoll sind - und wann nicht

Schulden machen ist nur sinnvoll, wenn das Geld für Investitionen genutzt wird, sagt unser Kolumnist. Denn weniger ist manchmal mehr.

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Ob Staaten, Unternehmen oder Privatleute: Die ganze Welt baut auf Kredit! Quelle: dpa

“Es ist alles nur geliehen, hier auf dieser schönen Welt, es ist alles nur geliehen, aller Reichtum, alles Geld. Es ist alles nur geliehen, jede Stunde voller Glück, musst Du eines Tages gehen, lässt Du alles hier zurück!“

Diese nachdenklichen Zeilen stammen aus der Feder des kürzlich verstorbenen Moderators Heinz Schenk.

Sein alter Spruch ist auch in anderem Sinne richtig: Die ganze Welt baut auf Kredit. Ob Staaten, Unternehmen oder Privatleute – sich zu verschulden gehört zur Normalität des Alltags. Aber sind Schulden in jedem Fall sinnvoll? Und wo liegen die Grenzen einer verantwortungsvollen Verschuldung?

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, was passiert, wenn diese Grenzen überschritten werden. In Bankkreisen spricht man in diesem Zusammenhang gerne vom Überschreiten der Schuldentragfähigkeit. Und leider waren es ausgerechnet Banken, die ihre Schuldentragfähigkeit in den zurückliegenden Jahren vielfach falsch einschätzten und dadurch in existenzielle Probleme gerieten. Auch einige Staaten Europas haben sich über die Grenzen ihrer Schuldentragfähigkeit hinaus verschuldet.

Diese Staaten stecken am tiefsten in den Miesen
Japan – 245 Prozent des BruttoinlandsproduktsDer Inselstaat ist Rekordhalter unter den Industriestaaten. Dennoch kann sich Japan ohne Probleme am Kapitalmarkt refinanzieren. Die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen liegt unter einem Prozent. Japan hat eine völlig andere Schuldenstruktur als etwa Griechenland. Der Staat verschuldet sich bei seinen eigenen Bürgern, nicht bei internationalen Investoren. Nur rund fünf Prozent der Schuldtitel gehören Ausländern. Bei den entscheidenden 95 Prozent hilft der Staat allerdings kräftig nach. Er zwingt die staatlichen Pensionsfonds mit strengen Investitionsrichtlinien, der Regierung Kredit zu geben. Sie investieren im Schnitt 55 Prozent ihres Vermögens in heimische Staatsanleihen. Quelle: dpa
Griechenland – 182 Prozent des BIPIm Gegensatz zu Schulden-Spitzenreiter Japan ist die Hohe Schuldenlast für Griechenland fatal und das Land auf Hilfskredite der Euro-Partnerländer angewiesen. Bei den Rettungspaketen für Griechenland wird vor allem um diese Schuldenquote gerungen, die bis 2020 auf 120 Prozent gedrückt werden soll. Erst bei diesem Wert kann sich ein Land nach gängiger Meinung der Ökonomen wieder selbst an den Kapitalmärkten langfristig refinanzieren. Wegen der schrumpfenden griechischen Wirtschaft dürfte die Schuldenquote Griechenlands zunächst aber weiter steigen. Quelle: dpa
St. Kitts and Nevis – 139 Prozent des BIPGriechische Verhältnisse in Karibik: Die kleine Inselföderation hat ihre Schulden in erster Linie durch das unrentable Wirtschaften der staatlichen Zuckerproduzenten aufgetürmt. Anders als Griechenland vermag es der 50.000-Einwohner-Staat aber nicht, auf den internationalen Finanzmärkten für Unruhe zu sorgen. Dazu ist sie zu bedeutungslos. Auch die gesamte Währungsunion hat der Staat, der zum britischen Commonwealth gehört, nicht in tiefgreifende Probleme gestürzt. Zusammen mit den anderen Antilleninseln Anguilla, Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, Montserrat, St. Lucia sowie St. Vincent und die Grenadinen bildet sie eine Währungsunion. Seit 1965 nutzen diese Staaten gemeinsam den Ostkaribischen Dollar. (im Bild: Ein Autofahrer füllt an einer Zapfsäule in der Hauptstadt Basseterre seinen Tank auf) Quelle: REUTERS
Jamaika – 140 Prozent des BIPTraumhafte Strände, traumatische Staatsverschuldung: Der Karibikstaat ging noch vor Island bankrott – fast unbemerkt von der internationalen Aufmerksamkeit. Mit Beginn der Finanzkrise brach der Tourismus ein, ebenso flossen weniger Überweisungen von Exil-Jamaikanern, was die Rezession auf der Insel verstärkte. Die Staatsverschuldung wuchs sprunghaft von 126 Prozent (2008) auf 143 Prozent (2010). Hinzu kommen hohe Kriminalität, Schutzgelderpressung und Drogenhandel. Mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds ging der Im Fall der Reggae- und Rastainsel in einen geordneten Konkurs. 2012 hat Jamaika seine Schuldenlast um drei Prozent gesenkt. Quelle: dpa/dpaweb
Libanon – 135 Prozent des BIPDie extrem hohe Staatsverschuldung ist eines der Schlüsselprobleme im Libanon. Für Zinszahlungen müssen mehr als 40 Prozent der gesamten Staatseinnahmen ausgegeben werden. Die Dollarisierung der Spareinlagen ist trotz des politischen Stillstands und der Weltwirtschaftskrise zurückgegangen. Die Finanzierung der Staatsverschuldung wird im Grunde dadurch gesichert, dass im Ausland lebende Libanesen und langfristig orientierte Investoren aus den Golfstaaten Vertrauen in das libanesische Bankensystem haben´ Quelle: AP
Italien – 128 Prozent des BIPItaliens Schuldenberg wächst in der Rezession weiter und weiter. Planungspapiere der Regierung belegten, dass die Verschuldung des Staates 2013 vermutlich sogar ein neues Rekordniveau von 130,4 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht. Schon im Mai lag die Schuldenlast Italiens bei mehr als zwei Billionen Euro. Bislang erwartete die Regierung einen Rückgang der Schuldenstandsquote. Quelle: dpa
Eritrea – 128 Prozent des BIPDie gesamte Volkswirtschaft des afrikanischen Landes müsste 1,28 Jahre arbeiten und die Erlöse vollständig an die Gläubiger des Staats abgeben, um die Staatsschuld zu tilgen (plus Zinsen, die dann weiterarbeiten). Dabei gehört das Land zu den ärmsten der Erde. Zwar erwartet Eritrea für 2013 mit ein reales Wirtschaftswachstum von acht Prozent – und damit mehr als drei Mal so viel wie 2012 – allerdings sieht es für die Wirtschaft der abgeschotteten Quasi-Diktatur jenseits der ordentlich anlaufenden Kupfer- und die Goldförderung düster aus. Schätzungsweise zwei Drittel der Bevölkerung sind auf Lebensmittelhilfen der Regierung angewiesen und müssen dennoch Hunger leiden. Die internationale Abschottung führt zudem zu hoher Inflation, Devisenknappheit und öffentlicher Verschuldung. (im Bild: Zwei eritreische Kinder spielen hinter Wasserkanistern in Dadu, 120 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Asmara) Quelle: AP

In der Diskussion um die Ursachen wird oftmals die Bankenrettung als wichtigster Grund genannt. Doch dieser Ansatz greift zu kurz. Die Gründe des schon seit Jahrzehnten zu beobachtenden Anstiegs der Verschuldung der öffentlichen Hand – hierzulande genauso wie im Rest Europas – liegen auch im gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel begründet.

Die Alterung der Gesellschaft sei hier ebenso wie die Globalisierung als Stichwort genannt. Die Aufrechterhaltung des Status quo in Bezug auf den Sozialstaat wird angesichts der demographischen Entwicklung genauso zur finanziellen Herausforderung wie der Umgang mit struktureller Arbeitslosigkeit und ihren Folgen. Lange schon ist Asien die Werkbank der Welt. In der Folge geraten Länder auf anderen Teilen der Erde, deren Unternehmen keine technologisch hochwertigen Konsum-, vor allem aber Investitionsgüter anbieten können, mehr und mehr ins Hintertreffen. Mit entsprechenden Folgen für den Staatshaushalt auf der Einnahme- wie auf der Ausgabenseite.

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