Euro-Krise "Eine auf Scheingeld aufgebaute Scheinwelt"

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Nur Scheinrettungen, die Krise eskaliert weiter

"Das ist ein erneuter Dammbruch"
Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler lehnt die direkte Kreditvergaben der Euro-Rettungsfonds an notleidende Banken, wie sie der EU-Gipfel gerade beschlossen hat, ab. „Das ist ein erneuter Dammbruch", sagte der Euro-Skeptiker Schäffler am Freitag. „Jetzt boxen wir auch (nach einigen deutschen Instituten) andere europäische Banken mit Steuerzahlergeld heraus", bemängelte er. „Die bisherigen Regeln lassen das eigentlich nicht zu", ergänzte er. „Es geht also alles immer stärker in diese Transferunion hinein.“Auch die Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht trifft auf Skepsis bei Schäffler. „Ich sehe das insofern kritisch, als das nicht schnell realisierbar ist", sagte er. Ein solches Vorhaben brauche Zeit, aber die Krise gebe es aktuell. „Jetzt eine neue Bankenaufsicht zu schaffen in so einer schwierigen Phase, das halte ich für sehr schwierig und das schafft vielleicht weitere Verunsicherung". Dass die EZB bei dieser europäischen Bankenaufsicht eine bestimmende Rolle spielen solle, sehe er allerdings nicht so kritisch. Quelle: dpa
Schäffler bemängelte, insbesondere mit Blick auf die am Freitag anstehenden Entscheidungen des Bundestages und des Bundesrates zum neuen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und zum europäischen Fiskalpakt: „Es ist wie bei manchen vorigen Entscheidungen: die Tinte ist noch nicht ganz trocken, da werden schon die nächsten Schritte angekündigt." Mit den jüngsten Entscheidungen in Brüssel werde erneut klar, alles gehe in Richtung Vergemeinschaftung der Schulden in Europa. „Das ist so", unterstrich der FDP-Bundestagsabgeordnete. Die letzte Konsequenz seien dann die bislang von der Bundesregierung abgelehnten Euro-Bonds. Quelle: dapd
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig hat sich mit den Vereinbarungen des Brüsseler EU-Gipfels zufrieden gezeigt. Die Ergebnisse wiesen nach vorn, sagte der SPD-Politiker am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Im Sinne Europas müssten Italien und Spanien mit ihren Finanzproblemen wieder auf Kurs gebracht werden. „Wir sind diejenigen in Europa, die am meisten davon profitieren, dass Europa funktioniert", betonte Albig. Dazu sei Wachstum notwendig. Deshalb befürworte er dass entsprechende Paket in Höhe von 120 Milliarden Euro, dass auf den Weg gebracht worden sei, sagte der Kieler Regierungschef. Quelle: dpa
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach, hat die Ergebnisse der Brüsseler Gipfelnacht kritisiert. Einige Beschlüsse widersprächen den bisherigen Positionenen Deutschlands, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. „Bisher haben wir deshalb nie rote Linien überschritten, weil immer dann, wenn die rote Linie erreicht war, sie weiter verschoben wurde", beklagte der CDU-Politiker.Wenn beispielsweise der Vorrang des dauerhaften Rettungsschirm ESM vor den Verbindlichkeiten gegenüber privater Gläubiger wegfalle, sei das eine gute Nachricht für die privaten Gläubiger, aber nicht für die Steuerzahler, sagte Bosbach. Positiv bewertete er dagegen die Verabschiedung des Wachstumspakts. Quelle: dapd
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat die Beschlüsse des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs verteidigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Versuche, eine gemeinsame Haftung für Staatsschulden einzuführen, „erfolgreich" und "unterstützt von anderen Ländern" abgewehrt, sagte er am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Merkel habe sich in Brüssel „mit einem klaren Nein zu fragwürdiger Vergemeinschaftung durchgesetzt".Bei den Beschlüssen zu einer leichteren Unterstützung für Banken bleibe es dabei, „dass die Haftung der Kontrolle folgt und eben Bankenhilfen erst möglich sind, wenn es auch eine europäische Bankenaufsicht gibt", sagte Gröhe. Merkel sei insgesamt „standfest" geblieben und „für deutsche Interessen" eingetreten. „Deutschland muss Stabilitätsanker bleiben, darf nicht überfordert werden", sagte Gröhe. Quelle: dpa
Auf Deutschland kommen nach Überzeugung des CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch trotz des Neins zu Euro-Bonds wachsende Risiken zu. Deutschland sei längst in einem Mechanismus gefangen, der letztlich dazu führe, „dass die Risiken zu uns wandern", sagte der Kritiker des Berliner und Brüsseler Euro-Kurses am Freitag im Südwestrundfunk. Das halte er für grundfalsch, betonte Willsch. Letztlich würden die Finanzmarktakteure nicht mehr glauben, dass Deutschland alle Risiken tragen könne. „Und dann werden unsere Zinsen auch steigen", befürchtet der CDU-Politiker. Quelle: PR
Die SPD findet die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Bewältigung der Euro-Krise akzeptabel. Zwar habe Bundeskanzlerin Angela Merkel in wesentlichen Punkten, in denen sie vorher rote Linie markiert habe, nachgeben müssen, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Freitag dem Nachrichtensender n-tv. Sie fügte aber hinzu: „Aus meiner Sicht ist das inhaltlich aber durchaus begründet, und insoweit kann ich mit dem Ergebnis leben."Zufrieden zeigte sich Nahles, dass das Wachstumspaket, das auch die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen solle, jetzt auf dem Weg sei. Auch eine gemeinsame Bankenaufsicht in Europa sei richtig. Dass es direkte Bankenhilfen geben solle, werde im konservativen Lager noch erhebliche Widerstände hervorrufen, mutmaßte Nahles. Da das aber mit der Bankenaufsicht verbunden sei, halte sie das für vertretbar. Quelle: dpa

2008 wäre eine geordnete Lösung der Banken- und Schuldenkrise noch möglich gewesen. Wegen der aber bereits ins Feuer geworfenen Billionenbeträge, die unsere „Vorwärts-immer-rückwärts-nimmer“-Politiker niemals freiwillig als verloren deklarieren werden, ist heute hingegen eine solche kaum noch vorstellbar. Insofern dürfte die Krise entgegen aller zwischenzeitlich vermeldeter (Schein-)Rettungen weiter eskalieren.

Zwar erkennen die Euro-Protagonisten nun richtigerweise, dass zur Aufrechterhaltung der Währungsunion eine politische Union zwingende Voraussetzung wäre, doch ist selbst mit der damit zwangsläufig verbundenen faktischen Abschaffung der souveränen demokratischen Nationalstaaten Europas nicht die alles entscheidende Frage geklärt, wie ein unverändert von nationalstaatlichen Interessen dominiertes Europa dauerhaft funktionieren soll!

Zustimmung wie in der Volkskammer

Bundestagabstimmung Quelle: Reuters

Ungeachtet dessen soll aber der von den europäischen Staatschefs nur wenige Stunden vor der volkskammer­gleichen Zustimmung des Deutschen Bundestages/Bundesrats ad absurdum geführte dauerhafte Europäische (De)Stabilitätsmechanismus (ESM) mit einer Banklizenz (!) und schuldenfinanzierten (!) Bareinlagen noch in diesem Monat starten und so schon einmal die Haftungsunion faktisch per Staatsstreich erzwingen! Ausdrücklich jenseits jeglicher demokratischer und rechtlicher Kontrolle sollen dann allmächtige Bürokraten nach Belieben Schulden aufnehmen, Kredite (an Banken natürlich ohne Auflagen) verteilen oder unbegrenzte Mittel aus den nationalen Haushalten abfordern, nur um die Euro-Illusion noch etwas länger aufrecht zu erhalten.

Die Instrumente zur Euro-Rettung

Doch wie auch immer der Weg zur Vergemeinschaftung der Schulden auch heißen soll, ob ESM, Bankenunion, Eurobonds („Stabilitätsanleihen“), Schuldentilgungsfonds oder EZB, die ökonomischen, sozialen und politischen Nebenwirkungen werden von der Politik kaum zu kontrollieren sein. Entsprechend werden diese dann – natürlich völlig überraschend – schon in naher Zukunft wieder zu den wesentlichen Bestimmungsfaktoren an den Märkten werden. Schließlich soll die nunmehr beschlossene Schuldenvergemeinschaftung zum Erhalt eines unhaltbaren Status quo nicht nur auf die Ende 2011 ausgewiesenen 8,22 Billionen Euro an Staatsschulden des Euroraumes – darunter 3,34 Billionen Euro der PIIGS – begrenzt bleiben, sondern quasi als Sahnehäubchen obendrauf auch noch die „Schwarzen Löcher“ der 34,814 Billionen Euro (!) bilanzierenden Banken Europas mit einbeziehen – alternativlos! „Bedingungslos und unwiderruflich“ steht gemäß ESM-Vertrag (Art. 9) dann die Bevölkerung der Euro-Retter-Staaten auch noch für die ausstehenden Brutto-Schulden der einsturzgefährdeten Bankias der Peripherie ein; für 10,1 Billionen Euro!

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