Ex-Goldman-Sachs-Banker vor Gericht Fabrice Tourre hat große Gedächtnislücken

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Welche Rolle spielte Hedgefonds-Manager John Paulson?

Die Testamente der Banken
Logo von JP Morgan Chase Quelle: dpa
Bank of America Die Bank of America bleibt im öffentlichen Teil ihres Testaments ähnlich vage wie die übrigen Institute. Sie spricht unter anderem von unbestimmten Käufern (darunter „nationale, internationale und regionale Finanzinstitute“), die im Falle einer Pleite Teile der Bank übernehmen würden. Der Steuerzahler müsse nicht zur Hilfe kommen. Quelle: REUTERS
CitigroupDie Bank unter Firmenchef Vikram Pandit beteuert, im Fall einer Pleite abgewickelt werden zu können. Und zwar in einer Weise, die kein systemisches Risiko berge, die die Finanzmärkte nicht in Aufruhr bringe und keine Milliarden von den Steuerzahlern notwendig mache. Quelle: dpa
Goldman Sachs Laut dem Notfallplan würde die Investmentbank „rasch“ Geschäftsteile oder Vermögenswerte verkaufen und damit eine Liquidation vermeiden. Der Branchenprimus nutzt derweil sein Testament auch, um die ganze Übung indirekt als sinnlos zu bezeichnen. „Die Umstände, die zu einem Kollaps einer für das System wichtigen Institution führen, werden wahrscheinlich andere sein als in diesen Annahmen vorgegeben“. Quelle: REUTERS
Logo von Morgan Stanley Quelle: dpa
BarclaysDie britische Großbank kommt für das Szenario ihres Untergangs im öffentlichen Teil des Testaments mit einer halben Seite aus. Darin heißt es unter anderem, die Notfallpläne seien so ausgeklügelt, dass im Falle einer Pleite eine Katastrophe auf den Finanzmärkten nicht zu erwarten sei. Quelle: REUTERS
Deutsche BankDie Deutsche Bank deutet an, dass die US-Regulierer im Erstfall die deutsche Bankenaufsicht BaFin umgestört operieren lassen sollten. Dann sei die im Notfall zu gründende Überbrückungsbank in der Lage, die US-Firmenteile mit Liquidität zu versorgen. Quelle: dpa

Zudem soll Tourre auch die Kapitalgesellschaft in die Irre geführt haben, die mit dafür verantwortlich war, das Investmentprodukt zusammenzustellen. Laura Schwartz, bei ACA Capital Holding verantwortlich für dieses Geschäft mit Goldman Sachs, glaubte, Paulson sei der Investor von Abacus. Tatsächlich aber wettete er auf den Ausfall des Produktes.

Schwartz bezeugte vor Gericht, es wäre ein Schock für ACA gewesen wäre, wenn Paulson nur gegen den Ausfall des Derivates gewettet hätte. „Ein reiner short wäre eine Wette gegen etwas gewesen, dass so angelegt worden wäre, dass die Finanzanlage ausfällt.“  Sie gab an, nichts davon gewusst zu haben, dass Paulson auf den Ausfall des Produktes gewettet hatte.

Alles Quatsch, argumentieren Tourres Anwälte vor Gericht: Die Mitwirkung von Paulson an der Zusammenstellung des Finanzproduktes hätte das Risiko des Produktes nicht erhöht. Für die beteiligte Kapitalgesellschaft ACA Capital hätte es keinen Unterschied gemacht, wenn sie davon gewusst hätten.

Tourre: nur ein kleines Rad im Getriebe der Großen?

Immerhin muss Tourre gleich beim ersten Beweisstück, das ihm SEC-Ankläger Mertens vorlegt, zugeben, dass er in einer E-Mail an ACA Capital die Details des Investments nicht „akkurat“ angegeben hätte. Danach benutzte Tourre den Begriff „equity tranche“ im Zusammenhang mit der Beteiligung von Paulson an dem Deal. Diese Wortwahl  habe Schwartz glauben lassen, dass Paulson als Investor von Abacus auftritt und nicht als einer, der auf den Ausfall des Produktes wettete. 

In den kommenden Tagen wird SEC-Anwalt noch weitere Dokumente vorlegen, die beweisen sollen, dass Tourre betrügerisches Geschäftsgebaren an den Tag gelegt hat. Sollte die Jury ihn für schuldig befinden, wird er ein Strafgeld bezahlen müssen und wahrscheinlich eine Art Berufsverbot an der Wall Street erhalten.

Wäre damit die Finanzkrise aufgearbeitet? Sicher nicht – im Getriebe des Finanzsystems ist Banker Tourre nur ein kleines Rad. Aber: die kleinen Räder halten das Große am Laufen. Wenn sie nicht funktionierten, bräche das System zusammen. Insofern würde eine Verurteilung ein Exempel setzen.

Tourre sitzt – sozusagen – auf eigenen Wunsch vor Gericht. Denn einem Vergleich, dem seine Firma Goldman Sachs zugestimmt hatte, und diesen mit einer 500 Millionen Dollar-Strafe bezahlte, wollte Tourre nicht zustimmen.

Die US-Börsenaufsicht SEC hat drei Jahre für den Start des Prozesses benötigt. Der Ex-Investmentbanker hatte angegeben, er sei sich keiner Schuld bewusst, er hätte nichts falsch gemacht, zig andere bei der Bank wären involviert gewesen bei der Zusammenstellung dieses Anlageproduktes – womit er wahrscheinlich sogar Recht hat. Die Großen sind halt selten zu packen. In diesem Fall auch deshalb, weil sie keine verräterischen Spuren im Internet hinterlassen wie Tourre mit seinen E-Mails an Freunde, er wäre der einzige, der alles im Blick habe.

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