EZB Verdient die EZB die Bezeichnung als Satansbank?

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Tiefe Entfremdung

Die Stadt Frankfurt hat das großzügige Gelände für die neue Zentrale der EZB erschlossen, die einem Hochsicherheitstrakt gleicht. Die Zentralbank wiederrum revanchiert sich damit, die für sie umgebaute traditionelle Frankfurter Großmarkthalle als Industriedenkmal zu erhalten. Auch den plötzlichen Zuwachs an 1000 EZB-Mitarbeitern, die unter dem Dach der Notenbank die Oberaufsicht über die Banken der Eurozone übernommen haben, hat Frankfurt bestens integriert. Auf dieser Ebene könnten die Beziehungen nicht besser sein.

Geldpolitik der EZB

Und doch herrscht ausgerechnet zwischen der EZB und ihrem Gastland eine tiefe Entfremdung. Die Deutschen sehen die expansive Geldpolitik als gegen ihre Interessen gerichtet. Keiner weiß das besser als EZB-Präsident Mario Draghi. Ausgerechnet der ZEIT, von deren Kolumnisten die EZB jetzt kritisiert wird, gab Draghi 2015 ein großes, persönliches Interview, das aus dem italienischen übersetzt wurde und in dem der Zentralbankpräsident tiefe Einblicke in seine bewegte Biographie zuließ. Dort sprach er auch über die Angst der Deutschen vor der Inflation und über seine eigenen Erfahrungen mit der Geldentwertung.

Damals stellte Draghi klar: „Bei der Zentralbankpolitik geht es nicht darum, den deutschen Sparer zu bestrafen und nicht darum, schwache Länder zu belohnen.“ Das klang glaubwürdig. Doch angesichts der aktuellen Wirtschaftsdaten mit positiven Konjunkturaussichten und anziehender Inflation entfallen immer mehr Argumente, mit denen die expansive Geldpolitik weiter zu rechtfertigen wäre.

Wenn die EZB das Vertrauen der Deutschen nicht vollständig verlieren will, darf sie den Zeitpunkt für die Änderung ihres geldpolitischen Kurses nicht verpassen. Allerspätestens nach den für den Zusammenhalt der EU kritischen Präsidentschaftswahlen in Frankreich sollte eine Rückkehr zur geldpolitischen Normalität mit behutsamer Kommunikation durch die Notenbank eingeläutet werden. Keiner verlangt von der EZB, abrupt auf die Bremse zu treten. Doch gerade weil der Ausstieg aus den ungewöhnlichen Maßnahmen nur langsam und vorsichtig funktioniert, muss er langfristig vorbereitet und vorkommuniziert werden.

Ein unbeirrtes Festhalten am aktuellen Kurs dagegen würde dafür sorgen, dass gerade die Deutschen endgültig die Geduld verlieren. Das wäre gefährlich, denn in einem solchen Fall würde die Politik des Billiggeldes kurz vor der Bundestagswahl den Europafrust vergrößern, wo die Zentralbank doch gerade für den Zusammenhalt der Währungsunion kämpfen will.

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