Warum kann sich Gold im aktuellen Umfeld nicht behaupten?
Felix Zulauf: Sie haben es anfangs anhand der an die Inflationsrate gekoppelten US-Bonds angesprochen. Die Inflationsraten sind tief und werden weiter fallen, die Realzinsen steigen und die Konjunktur wird schwächer werden. Es hat sich deflationärer Druck aufgebaut. Dagegen ist auch der Goldpreis nicht immun. Gold ist ein guter Schutz vor Inflation und gegen Systemrisiken. Letztere nehmen jetzt wieder deutlich zu. Gold wird dann wieder steigen, wenn die Politik und die Zentralbanken auf all die Probleme reagieren, die wir diskutiert haben. Die Reaktion wird kommen.
Welche?
Felix Zulauf: Die gleiche Gelddruck-Politik wie immer, nur in noch viel größerer Dimension. Ich gehe davon aus, dass wir im Lauf des Sommers wieder klare Töne dazu aus den Zentralbanken hören werden. Dann wird in der US-Notenbank Fed nicht mehr viel gesprochen werden von Tapering off...
...also dem Zurückfahren der Anleihekäufe.
Felix Zulauf: Man wird den Märkten signalisieren, dass man weiterhin da ist. Entsprechend wird sich der Goldpreis erholen. Ob das dann schon der Startschuss für die Wiederaufnahme der strukturellen Hausse von Gold ist, ist noch nicht sicher und hängt auch vom Ausmaß der kommenden Verwerfungen an den Märkten ab. Der Startschuss kommt aber spätestens dann, wenn die Notenbanken massiv handeln müssen, also wieder größere Systemrisiken auftreten.
Könnte der Startschuss auch durch eine Bankenkrise in China ausgelöst werden?
Roman Zulauf: China hat eine Kreditklemme. Das bedeutet, dass es im System zu wenig Liquidität gibt. In einer solchen Klemme wird alles verkauft, das Gute wie das Schlechte. Neue Käufe werden dann nicht getätigt. Die kämen erst, wenn eine Bank Pleite ginge oder Gerüchte darüber die Runde machten.
Felix Zulauf: Technisch ist der Goldmarkt eigentlich sauber. Die Stimmung ist inzwischen schlechter als beim Einbruch 2008. Die Positionen an den Terminmärkten sind massiv auf einen fallenden Goldpreis ausgelegt. Das sind eigentlich gute Voraussetzungen für ein Tief. Ich denke, der Goldpreis ist diesem Tief ziemlich nahe. Zwischen 1150 und 1250 je Unze sollte das Tief erreicht werden. Es ist jetzt sicher nicht der geeignete Zeitpunkt, Gold zu verkaufen.
Und wer Gold kaufen will?
Felix Zulauf: Der kann portioniert kaufen, aber zunächst piano.
Wer Geld anzulegen hat und nicht Zulauf heißt, hat heutzutage ein Problem.
Felix Zulauf: Auch jene, die Zulauf heißen, haben dieses Problem. Wir kommen aus einem risikolosen Zinsumfeld in ein Umfeld mit zinslosem Risiko. Es gibt keine sicheren Anlagen und keine Renditen mehr, sondern nur noch Risiken. Wenn sie mit Anleihen vermeintlich höchster Bonität binnen sechs Wochen drei Jahreskupons verlieren können, dann zeigt das genau, in welch kaputtem Umfeld wir uns bewegen. Es ist ein Umfeld, das nur noch erlaubt, Positionen kurz zu halten. Kaufen und Liegenlassen funktioniert nicht mehr.
Wie müssen Investoren in diesem Marktumfeld agieren?
Felix Zulauf: Man muss zunächst einen stabilen Anker bieten, nämlich die Charakteristik von Rentenpapieren. Für eine moderate Rendite, dafür aber relativ geringe Schwankungen mit möglichst wenigen scharfen Kursrückgängen müsste gesorgt werden. Das kann man wiederum nur erreichen, wenn man sich außerordentlich opportunistisch verhält mit aktiver Long- und Short-Positionierung...
...also auf steigende und auf fallende Kurse setzen...
Felix Zulauf: ...und das in Festverzinslichen, Währungen, Aktien und Rohstoffen, aber ohne Kredithebel und mit klar zugeteilten Risikobudgets. Wenn Sie nämlich in einem Niedrigrenditeumfeld große Kursverluste erleiden, bekommen sie das später kaum wieder geradegebogen.
Wie würden Sie sich aktuell positionieren?
Felix Zulauf: Wir würden Shortpositionen in Anleihen der Peripherie halten, also in den Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten, insbesondere in den Emerging Markets und auch deren Währungen shorten, also etwa türkische Lira, brasilianischer Real, polnische Zloty oder indonesische Rupiah. Ich glaube, alle diese Währungen bleiben unter Druck gegenüber dem Dollar. Der Dollar wird die stärkste Währung sein in dieser Krisenphase. Selbst der Euro kommt etwas zurück, aber der Euro ist eben, dank Deutschland, noch relativ stabil. Deutlich schwächer würde er in einer Krise, in der Geld aus der Eurozone abfließt.
Also eine Zahlungsbilanzkrise?
Roman Zulauf: Die letzte Zahlungsbilanzkrise gab es in Spanien. Aber die spielte sich innerhalb der Eurozone ab. Die nächste Zahlungsbilanzkrise, möglicherweise dann ausgelöst durch Frankreich, könnte dann eine Zahlungsbilanzkrise werden mit dem Rest der Welt, weil dann Gelder in den Dollarraum abfließen.