Fondsmanagerin Eve Tournier "Die EZB ist noch im Zinssenkungs-Modus"

Wie verhalten sich derzeit professionelle Anleger? Und was raten sie normalen Sparern? Ein Gespräch mit Eve Tournier, Managerin beim weltgrößten Anleihenmanager Pimco.

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Eve Tournier ist beim weltgrößten Anleihenmanager Pimco Chefin des europäischen Unternehmensanleihenteams und verantwortlich für 12 Milliarden Dollar, die sie für den Rentenfonds Pimco Diversified Income in Unternehmensanleihen und hochverzinsten Anleihen aus Schwellenländern anlegt. Im vergangenen Jahr zog die gebürtige Französin von der Pimco-Zentrale im kalifornischen Newport Beach nach London, um näher am europäischen Markt zu sein. In London hat sie zuvor im Anleihenhandel der Deutschen Bank und im Derivatehandel bei JP Morgan gearbeitet. Studiert hat sie an der Cornell University und in Lyon.

WirtschaftsWoche: Sparer und Lebensversicherte verfluchen die Europäische Zentralbank (EZB) wegen der niedrigen Zinsen. Wie kommen Sie als Profianleger damit zurecht?

Eve Tournier: Da wir weltweit und über alle Segmente der Kreditmärkte anlegen können, gibt es immer irgendwo Chancen. Die sind derzeit in Euroland wegen der EZB-Maßnahmen sehr gut. Mit dem Pimco Diversified Income Fund investieren wir beispielsweise in Staats- und Unternehmensanleihen, die von den niedrigen Zinsen der EZB, der erhöhten Liquidität sowie den verbesserten Wachstumsaussichten profitieren. In der Vergangenheit erbrachte der Fonds eine Rendite von 8,5% vor Gebühren und konnte in diesem Jahr bereits knapp 6,5% vor Gebühren erzielen.

Was bleibt denn noch übrig? Die EZB ist in ihren jüngsten Schritten schon sehr weit gegangen.

Das stimmt. Am 5. Juni verkündete die EZB ein sehr umfassendes Paket an Lockerungsmaßnahmen, das ihre Entschlossenheit im Kampf gegen das Deflationsrisiko demonstriert. Des Weiteren erläuterte Mario Draghi in der anschließenden Pressekonferenz: "Sollte es im Rahmen unseres Mandats erforderlich sein, war das noch nicht alles." Wenn die Inflationszahlen weiterhin enttäuschen, könnten die Währungshüter noch weiter gehen und ein Anleihenkaufprogramm initiieren. Die EZB bleibt engagiert. Indem sich die Notenbank verpflichtet, die Zinssätze über einen längeren Zeitraum niedrig zu halten, reduziert sie die Volatilität und unterstützt die fortlaufende Heilung der Wirtschaft. Dies schafft ein Umfeld, das Banken, Peripherietitel sowie zahlreiche risikoreiche Anlagen deutlich unterstützt.

Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik

Fühlen Sie sich hier also besser aufgehoben als in den USA und Großbritannien, wo die Notenbanken Maßnahmen zur Liquiditätsversorgung vorsichtig zurückfahren?

Teilweise ja. Die EZB ist anders als die zwei Notenbanken noch im Zinssenkungs-Modus. Die für die Zukunft erwarteten Zinssätze in der Eurozone sind niedriger als die in den USA und Großbritannien. Zudem ist das Vertrauen in eine Wachstumserholung dort stärker ausgeprägt. In Euroland ist die Krisenerfahrung noch frischer und das Vertrauen der Marktteilnehmer noch nicht so hoch, was das Risiko einer Neuverschuldung begrenzt.

Welche Chancen nutzen Sie in Europa?

Uns gefallen Anleihen, die durch Finanzinstitute begeben wurden. Die Überprüfung der Aktivaqualität durch die EZB zwingt die Geldhäuser, ihre Bilanzen zu sanieren – in den vergangenen sechs Monaten wurden die EU-Banken durch 90 Milliarden Euro an neuem Kapital oder zusätzlichen Rückstellungen gestärkt. Das Umfeld ist für die Aktionäre der Banken nicht gut, aber für die Anleiheinvestoren schon.

Da sich die Fundamentaldaten zunehmend verbessern, zahlt es sich aus, von vorrangigen, ungesicherten Anleihen, die sehr niedrig bewertet sind, auf den nachrangigen Bereich der Kapitalstruktur auszuweichen, wo die Anleihen mit vier bis sechs Prozent rentieren.

"EZB hat völliges Neuland betreten"
"Eher symbolische Maßnahmen""Für sich betrachtet sind die Zinssenkungen und der negative Einlagezins eher symbolische Maßnahmen: Sie werden weder die Kreditvergabe in den Krisenländern maßgeblich verbessern noch das Deflationsrisiko deutlich mindern", kommentierte DIW-Chef Marcel Fratzscher die EZB-Entscheidung. "Ich interpretiere sie aber als Startsignal und Anfang einer neuen EZB-Strategie einer stärkeren geldpolitischen Expansion. Als erste Schritte in einer Reihe von weiteren Maßnahmen in den kommenden Monaten sind sie bedeutungsvoll. Die EZB-Maßnahmen bergen große Risiken: Sie könnten die Blasenbildung und das riskante Verhalten von Banken noch verstärken. Allerdings wäre es noch riskanter und eine deutlich schlechtere Option, wenn die EZB nichts täte." Quelle: dpa
"Genau das falsche Rezept""Der Schritt der EZB markiert eine neue Eskalationsstufe. Damit wird das Niedrigzinsniveau weiter verfestigt, zulasten der Vorsorgesparer in Deutschland. Ihre Sparanstrengungen werden durch die EZB untergraben", kritisiert Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). "Deshalb sind wir in Sorge. Ökonomisch ist die Maßnahme genau das falsche Rezept. Denn die niedrigen Zinsen lösen kaum noch Wachstumsimpulse aus. Viel wichtiger wäre die Fortsetzung der Strukturreformen zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik des billigen Geldes wird zum Irrweg." Quelle: AP
"Zinspulver fast verschossen""Geldgeneral Draghi hat sein Zinspulver nun (fast) verschossen. Aktionäre und Immobilienbesitzer dürfen jubeln, Kontensparer und Versicherungssparer dürfen kapitulieren", sagt Ingo Theismann von der Vermögensverwaltung Consulting Team. "Erstmals müssen Banken Strafzinsen für ihre Einlagen zahlen, damit sollen über höhere Kreditvergaben Konjunktur und Inflation herbeigezaubert werden. Doch was sagte dazu bereits Ex-Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller vor 47 Jahren: 'Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie selber.' Wir können nur hoffen, dass diese riskante Wette der EZB auch aufgeht."
"Erhebliche Risiken""Ich sehe erhebliche Risiken durch die Niedrigzinspolitik und die vergleichsweise üppige Geldversorgung durch die EZB", sorgt sich Michael Fuchs, stellvertretender Fraktionschef der Unionsparteien im Bundestag. "Der Druck der Märkte auf Reformen und Einsparungen gerade in den EU-Krisenländern schwindet. Darüber hinaus gefährden Niedrigzinsen in der gesamten EU die Bereitschaft zum Sparen und zur Altersvorsorge in der Bevölkerung." Quelle: dapd
„Der Handlungsspielraum der EZB ist mehr homöopathisch“Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält die Wirkung weiterer Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) für sehr begrenzt. „Der Handlungsspielraum der EZB ist mehr homöopathisch“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung dem Südwestrundfunk. Ein Leitzins, der noch näher bei null liege, und ein Strafzins für Geschäftsbanken, die überschüssiges Geld bei der EZB parken wollten, stellten als Konjunkturimpulse keine schweren „Geschütze“ dar. Um die Wirtschaft im Euroraum zu beleben, sollten die Politiker darüber nachdenken, wie man die Investitionsanreize stärken kann, sagte Bofinger: „Dass also mehr Kreditmittel auf den Märkten von Investoren aufgenommen werden, und dann steigen auch die Zinsen wieder.“ Eine Hauptkritik aus Deutschland an der Politik des billigen Geldes ist, dass das niedrige Zinsniveau die Sparer belaste. Quelle: dapd
"Völliges Neuland""Die EZB hat völliges Neuland betreten, in ihrer Mission, die Wirtschaft in der Euro-Zone zu unterstützen", konstatiert Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba. "Wird das die Wirtschaft anschieben? Wahrscheinlich nicht, aber es zeigt zumindest die Entschlossenheit der EZB und ihre Handlungsmöglichkeiten." Quelle: PR
"Ein ganz gefährlicher Weg, den die EZB da einschlägt."Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon (im Bild links neben dem Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen) wettert gegen die EZB-Ankündigungen, die Geldschleusen weiter zu öffnen. „Statt der erhofften Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört“, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon. Die Maßnahmen machten die Finanzmärkte auch nicht stabiler - „im Gegenteil, das überreichliche Geld quillt schon jetzt aus allen Ritzen und sucht sich immer riskantere Anlagemöglichkeiten“. Schon am Morgen vor der EZB-Entscheidung äußerte Fahrenschon im ARD-Morgenmagazin seine Sorgen darüber aus, dass viele Menschen, die mit Versicherungen für ihr Alter vorgesorgt hätten, jetzt ungefragt zur Kasse gebeten würden: „Das ist ein ganz gefährlicher Weg, den die EZB da einschlägt.“ Allein in Deutschland würden Sparer, die fürs Alter vorsorgen, 15 Milliarden Euro verlieren: „Das sind vom Baby bis zum Großvater 200 Euro pro Kopf. Und das ungefragt. Und das Geld fehlt. Es ist weg.“ Quelle: dpa

Liegen die Gefahren jetzt statt bei Bankanleihen eher bei den Hochzinsanleihen der ausfallgefährdeten Unternehmen? Viele sprechen dort von einer Blasenbildung.

Unternehmen mit niedrigen Ratings müssen traditionell hohe Zinsen zahlen. Derzeit können sie jedoch das Niedrigzinsumfeld nutzen und schulden manche bestehende Anleihe vorzeitig günstig um. Auf diese Weise haben sie ihre kurzfristigen Schulden weitgehend refinanziert. Ohne fällige Schuldverschreibungen und in Anbetracht des allmählichen Wirtschaftsaufschwungs rechnen wir mit anhaltend niedrigen Ausfallraten und ausreichend gestützten Kreditprämien.

Welche Bereiche bei Hochzinsanleihen sind für Sie interessant?

Wir suchen derzeit nach High-Yield-Unternehmen, die Übernahmekandidaten sein können für größere bonitätsstarke Unternehmen. Das war jüngst beim Zementhersteller Lafarge der Fall, der von Holcim übernommen wurde. Lafarge profitiert von dem besseren Holcim-Rating und die Lafarge-Anleihen stiegen im Kurs. Ähnlich wird es sein, wenn Alstom von Siemens oder General Electric übernommen wird.

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