Wer zuerst etwas von Negativzins und Nullrendite gehört hat, der muss mal in Basel, am Genfer See oder in Lugano gewesen sein. Denn am Schweizer Anleihemarkt ist Rendite schon seit einer halben Ewigkeit ein Fremdwort. Der Maßstab an der Zürcher Börse ist der sogenannte Eidgenosse, ein Papier der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Über zehn Jahre bringt die Anleihe gerade mal noch 0,31 Prozent jährliche Rendite.
Ein noch tristeres Bild gibt die Zinsstrukturkurve wieder. Dort findet sich die Durchschnittsrendite aller an der Schweizer Börse notierten Anleihen in Abhängigkeit von ihrer Restlaufzeit. Demnach werfen Franken-Anleihen mit einer Restlaufzeit von vier Jahren eine Rendite von minus 0,01 Prozent ab, erst mit 30 Jahren Laufzeit dürfen Anleger mehr als 0,9 Prozent Rendite erwarten – eine Einladung zum Kauf sieht anders aus.
Wer jedoch tiefer abtaucht in das Anleiheuniversum der Schweizer Börse, der findet eine ganze Reihe von Anleihen, deren Renditen weit über denen schweizerischer Staatsanleihen oder des Gesamtmarkts liegen. Sie stammen teils von Schweizer Schuldnern, teils haben ausländische Unternehmen Anleihen in Schweizer Franken emittiert. Um eine höhere Verzinsung erzielen zu können, müssen Anleger jedoch eine hohe Risikobereitschaft mitbringen.
Angeführt wird das Feld der Schweizer Schuldner von einer Tochter des russischen Gas- und Ölriesen Gazprom. Die Gazprombank (Schweiz), früher: Russische Kommerzialbank, hatte 2013 eine Anleihe über 200 Millionen Franken emittiert. Ukraine-Krieg und die Sanktionen des Westens haben den Kurs der Anleihe mächtig gedrückt. Wie bei jeder Anleihe gilt: Je tiefer der Kurs, desto höher die Rendite. Mutige Investoren erhalten deshalb gut sieben Prozent Zitterprämie bis 2016 in der Hartwährung Schweizer Franken.
Risiken im Blick behalten
Was Käufer wissen müssen: „Wenn die politische Konfrontation mit Russland nicht beigelegt wird, darf man das Risiko eines Zins- oder gar Zahlungsausfalls nicht außer Acht lassen“, sagt Thomas Isler, Analyst bei der Zürcher Independent Credit View (ICV), die auf Anleihebewertungen spezialisiert ist. Die derzeit an der Schweizer Börse notierten Anleihen russischer Firmen sind vom Ende August verhängten EU-Embargo gegen Russland nicht betroffen. Vor der Verhängung der EU-Sanktionen gegen Russland emittierte Anleihen dürfen von Anlegern „frei gehandelt werden“, versichert Jürg Schneider, Sprecher der Schweizer Börse.
Zehn wichtige Tipps für Privatanleger
Edward Bonham Carter, Chairman des britischen Fondsanbieters Jupiter, gibt zehn Ratschläge, die Privatanleger bei der Geldanlage beherzigen sollten.
30. April 2014
"Anleger sind häufig zu ungeduldig. Sie glauben, dass es ihnen hilft, eine gute Performance zu machen, wenn sie häufig die Anlage wechseln. Viele schneiden dadurch nicht besser ab, als wenn sie mittel- bis langfristig investiert bleiben würden."
"Kein Fonds kann immer besser abschneiden als ein Vergleichsindex. Deshalb ist es auch für die Kunden so schädlich, wenn sie immer in den Performancelisten nach den besten Fonds schauen. Wenn sie die jeweils kaufen, wird das auf lange Sicht keinen Erfolg haben."
"Kein Fonds kann immer besser abschneiden als ein Vergleichsindex. Deshalb ist es auch für die Kunden so schädlich, wenn sie immer in den Performancelisten nach den besten Fonds schauen. Wenn sie die jeweils kaufen, wird das auf lange Sicht keinen Erfolg haben."
"Anleger sollten jedoch die Verteilung ihrer Anlageklassen jährlich überprüfen. Sind Aktien sehr stark gestiegen, sollten sie einen Teil davon als Gewinn abschöpfen und in die anderen Anlagearten stecken. Dadurch bleibt langfristig die für die Risikoabsicherung wichtige Anlageaufteilung erhalten."
"Wer sich Dividenden immer ausschütten lässt, profitiert nicht vom Zinseszinseffekt. Daher ist es sinnvoll, Ausschüttungen auch bei Fonds jährlich automatisch wieder anlegen zu lassen."
"Neue Ideen bei Anlageprodukten sind oft Verkaufsschlager. Aber Anleger sollten bei ihnen vorsichtig sein und lieber zunächst auf den Erfolgsnachweis warten, bevor sie zugreifen."
"Wertsicherungsversprechen sind in, aber Anleger müssen beachten, dass jede Wertsicherung Rendite kostet."
"Menschen, die versprechen, dass sie bei der Geldanlage alles im Griff haben und alles können, sollte man mit Vorsicht genießen."
"Psychologie ist wichtig. Man darf nie zu optimistisch oder pessimistisch werden. Und man sollte sich von der Masse fern halten."
"In einem Bullenmarkt mit stark steigenden Aktienkursen will man Fondsmanager haben, die 22 Jahre alt und unbekümmert sind. Aber im Sturm ist es besser, einen erfahrenen Fondsmanager zu haben."
Die in Zürich notierten russischen Franken-Emittenten sind mehrheitlich im Staatsbesitz. Renditespitzenreiter ist die bis 2018 laufende Anleihe der VTB Bank mit über acht Prozent. Hier handelt es sich um das größte russische Kreditinstitut, das allerdings jüngst um milliardenschwere Staatsbeihilfen nachsuchte, nachdem Russlands Wirtschaft unter der Krise leidet.
Ebenfalls rund acht Prozent wirft auch eine noch bis 2016 laufende Anleihe der Vnesheconom Bank ab. Die Staatsbank verwaltet die Auslandsschulden Russlands und die Mittel der staatlichen Rentenversicherung. Eine Anleihe der Sberbank bringt über drei Jahre rund sechs Prozent. Die größte Geschäftsbank Russlands gehört der russischen Zentralbank.
Zur Not Kredit vom Staat?
Lohnenswert für spekulativ eingestellte Anleger sind auch die beiden Anleihen der russischen Eisenbahn: Sie laufen bis 2018 und 2021 und rentieren jeweils über sieben Prozent. Die russische Eisenbahn unterhält das zweitgrößte Gleisnetz der Welt und wickelt rund 40 Prozent des russischen Güter- und Personenverkehrs ab. Die staatseigene Gesellschaft arbeitet nach eigenen Angaben profitabel: Im ersten Halbjahr 2014 machte sie bei umgerechnet rund 18 Milliarden Euro Umsatz 500 Millionen Euro Reingewinn.
Die Ratings von ICV haben sich auch mit Verhängung der US- und EU-Sanktionen nicht verändert, weil die Unternehmen sich auch im Inland refinanzieren können. Die Sanktionen dürften den Schuldnern deshalb zumindest kurzfristig nicht schaden, sagt Ratingspezialist Isler. Die Sberbank hat ein BBB-Rating bei ICV, die russische Eisenbahn und die VTB Bank erreichen ein BBB-. „Wir gehen davon aus, dass diese Schuldner ihre Anleihen zurückzahlen werden“, sagt Isler. Deutlich weniger riskant als Russenpapiere sind Anleihen von Schweizer Urgesteinen wie etwa die der Kraftwerke Linth-Limmern (KLL). Sie betreiben seit rund 50 Jahren im Linthgebiet der östlichen Schweiz mehrere Wasserkraftwerke, zu denen insbesondere jenes am mächtigen Stausee Limmenboden gehört. Hinter den KLL stehen direkt oder indirekt über den Versorger Axpo die Schweizer Kantone, also die öffentliche Hand.
Sichere 2,7 Prozent auf Pump
In den vergangenen Jahren haben die KLL mehrere Anleihen emittiert, um den Bau eines neuen Pumpspeicherkraftwerks zu finanzieren. Allen gemeinsam ist eine lange Laufzeit. Eine 2012 emittierte Anleihe wird erst 2052 zur Rückzahlung fällig. Sie bietet derzeit eine Jahresrendite von 2,7 Prozent. „Im heutigen Zinsumfeld zieht die lange Laufzeit der KLL-Bonds viele institutionelle Investoren an, die Risiken einer so langen Verpflichtung werden aber oft ausgeblendet“, sagt Isler. Die KLL werden von der ICV mit einem A- bewertet und befinden sich damit im oberen Mittelfeld des Ratinguniversums, welches analog den Kategorien von Standard & Poor’s gegliedert ist. Eine Order in dieser, wie in allen anderen Anleihen, sollten Anleger auf jeden Fall mit einem Kurslimit versehen.
Eine vergleichbar hohe Rendite bietet auch eine Anleihe der Alpiq Gruppe. Das privatwirtschaftliche Unternehmen gehört zu den großen Energielieferanten der Schweiz. Es betreibt zwei der insgesamt fünf Schweizer Kernkraftwerke sowie Gas- und Windkraftwerke. An Alpiq sind mehrere andere Energieunternehmen beteiligt. Von ICV erhält die Alpiq ein mittelmäßiges BBB-Rating, das Finanzprofil sei eher schwach, so Isler von ICV. Die bis 2024 laufende Alpiq-Anleihe bringt gut 2,4 Prozent.
Mit zwei Ausnahmen erzielen unter den Schweizer Schuldnern nur Energieunternehmen mehr als zwei Prozent Rendite. Die Ausnahmen sind die Gazprombank (Schweiz) und OC Oerlikon. Hervorgegangen aus der 1906 gegründeten Maschinenfabrik Oerlikon, gehört sie heute zu 45 Prozent dem russischen Oligarchen Viktor Vekselberg: „Das Rating befindet sich mit BB+ nicht mehr im Investment-Grade-Bereich, eine klare Konzernstrategie fehlt“, sagt Isler.
Daran gemessen sind 1,8 Prozent jährlich zu wenig – Anleger sollten dann lieber zum klassischen Eidgenossen greifen.