Die Angst vor den Folgen der Schuldenkrise und Turbulenzen weltweit treibt Sparer ausgerechnet in die Hände derjenigen, die Hauptverursacher für Niedrigzins und Billionenverluste sind: Banken. Anleger horten ihr Geld zunehmend auf meist täglich verfügbaren Konten, ermittelte die Bundesbank jüngst. Auch Bargeld und Anlagen bei Versicherungen und Pensionskassen hätten in der Finanzkrise an Bedeutung gewonnen, heißt es im Bundesbankbericht vom Februar.
Die neueste Erhebung zum dritten Quartal 2013 zeigt, dass Anleger in ihren Depots den Anteil von langfristigen festverzinslichen Wertpapieren und Aktien stark zurückgefahren haben. Nur noch 22,3 Prozent ihres Vermögens haben die Deutschen in den beiden Klassikern investiert. Zum Start der Währungsunion 1999 habe der Anteil noch bei 35 Prozent gelegen, so die Bundesbank. Insbesondere während der Finanz- und Staatsschuldenkrise sei privates Geldvermögen aus ertragreicheren Langfristanlagen in liquidere und vermeintlich weniger riskante Anlagen umgeschichtet worden.
Mit Anleihen mehr kassieren
Dabei nehmen Anleger nicht nur in Kauf, deutlich weniger als die Inflationsrate zu kassieren, sondern riskieren sogar möglicherweise einen Teil ihres Vermögens. Denn ob und wie weit Garantien für Bankeinlagen im Fall der Fälle wirklich gelten, ist unsicher. Viel steht auf dem Spiel: 5070 Milliarden Euro haben die Deutschen derzeit angelegt, davon entfallen gut 2000 Milliarden Euro auf Bargeld und Bankeinlagen; rund 1500 Milliarden Euro stecken in Versicherungsverträgen. Dass aber kurzfristige Einlagen selbst im besten Fall nur wenig bringen, zeigt ein aktueller Test von 74 Tagesgeldangeboten des Finanzportals Tagesgeldvergleich.net. Für den Vergleich wurden die durchschnittlichen Tagesgeldzinsen von 74 Banken über Zeiträume von einem Jahr sowie von drei und fünf Jahren analysiert. Verglichen wurden die Zinssätze für Anlagen von 5000 und 50 000 Euro bei jeweils einem Monat Laufzeit. Bester in der Fünfjahreswertung war die 1822direkt. Die Direktbank der Frankfurter Sparkasse bot ihren Kunden zwischen Januar 2009 und Januar 2014 durchschnittlich 2,115 Prozent Zinsen pro Jahr.
Zum Vergleich: Wer vor fünf Jahren beispielsweise eine Anleihe des Handelsriesen Metro mit Laufzeit bis 2015 kaufte, der kassiert seither 7,625 Prozent pro Jahr – glatt das Dreieinhalbfache des besten Tagesgeldzinses; mit deutschen Aktien hätten Anleger ihr Geld von Januar 2009 bis Januar 2014 sogar verdoppelt, und der Goldpreis liegt rund die Hälfte höher als Anfang 2009. Sicher, Aktienkurse schwanken stark, Gold ist mehr Versicherung gegen Krisen denn kurzfristige Parkstation für Geld, und Anleihekapital kann flöten gehen, wenn der Gläubiger in die Insolvenz muss.
Wer Hochzinspapiere meidet und auf nur noch kurze Laufzeiten bis zur Rückzahlung setzt, kann dieses Pleiterisiko aber weitgehend ausschalten. Anleger können mit Unternehmensanleihen deutlich mehr Zins als der Durchschnitt der Bankangebote erzielen und sich gleichzeitig unabhängig von den Finanzinstituten machen. Der Aufwand dafür ist für Privatanleger geringer als das ständige Wechseln von einem potenziell lukrativen Tagesgeld-Lockangebot zum nächsten. Anleger benötigen ein Wertpapierdepot und einen vernünftigen Mix an Anleihen, die binnen ein bis drei Jahren recht sicher zurückgezahlt werden.
Kurzläufer schwanken kaum
Die Kurse solcher sogenannten Kurzläufer, so das Hamburger Analyseunternehmen Absolut Research, schwanken kaum; sie eignen sich deshalb gut als Parkstation außerhalb des Bankkontos.
Maßgeblich beeinflussen der Studie zufolge die Notenbanken die Wertentwicklung der Anleihemärkte. So mussten 2013 zwischen Mai und September nahezu alle Anleiheklassen erhebliche Kursverluste hinnehmen, als die Angst umging, die US-Notenbank würde ihre geldpolitischen Zügel straffen. Einzig kurzlaufende Anleihen verzeichneten kaum Verluste.
Auch historisch gesehen schlagen sich die Kurzfristpapiere gut: Sowohl während der Leitzinsanhebungsphase in der Euro-Zone zwischen November 2005 und Juli 2008 als auch in der jüngsten Korrektur zwischen Mai und September 2013 zeigten sich laut Absolut Research Kurzläufer-Anleihen resistent und konnten Investoren vor Kursverlusten schützen. „Kurzlaufende Anleihen bieten eine von der Zinsentwicklung nahezu losgelöste Kursentwicklung. Gerade in Phasen steigender Zinserwartungen können Investoren ihr Verlustrisiko erheblich reduzieren und von einer stabilen Wertentwicklung profitieren“, sagt Michael Busack, Geschäftsführer von Absolut Research.
Langfristige Anleihen verloren deutlich
Der maximale temporäre Wertverlust für ein- bis dreijährige Restlaufzeiten lag in den vergangenen fünf Jahren bei nur 2,24 Prozent. Das sogenannte lange Ende von Anleihen mit Restlaufzeiten zwischen sieben und zehn Jahren dagegen verlor im selben Zeitraum in der Spitze mit minus 16,64 Prozent fast achtmal so viel. Auch 2013 mussten Anleihen mit mehr als fünf Jahren Restlaufzeit Kursverluste von mindestens drei Prozent hinnehmen. Kurzläufer-Anleihen dagegen lagen maximal ein Prozent im Minus. Während in der Phase steigender Zinserwartungen zwischen Mai und September 2013 fünf- bis siebenjährige Restlaufzeiten im Mittel 1,7 Prozent einbüßten, gewannen ein- bis dreijährige Titel sogar minimal.
Für Anleger in solchen Anleihen bedeutet das: Auch wer zwischenzeitlich aussteigen möchte, muss Verluste kaum fürchten, was den Charakter der Kurzläufer als Tagesgeldersatz unterstreicht.
Anleihen sind Wertpapiere, die von Staaten oder Unternehmen herausgegeben werden und die Anleger in ihren Depots über die Börse kaufen und verkaufen. Anders als auf Sparbüchern, Fest- oder Tagesgeldkonten wird das dort angelegte Kapital als Sondervermögen des Anlegers geführt. Bei Bankturbulenzen oder Pleiten geht es deshalb nicht mit unter.
Eine traditionelle Anleihe hat eine bestimmte Laufzeit und einen bestimmten Zinssatz. Im Gegensatz zu anderen Wertpapieren wie Aktien wird sie jedoch in Prozent und nicht in Euro notiert. Zu Beginn notiert die Anleihe üblicherweise bei 100 Prozent. Wer also 10 000 Euro in eine neue Anleihe investiert, zahlt bei einem Kurs von 100 Prozent entsprechend auch 10 000 Euro. Angenommen, die Laufzeit der Anleihe beträgt fünf Jahre; dann zahlt der Emittent der Anleihe, also ein Staat oder ein Unternehmen, die 10 000 Euro nach fünf Jahren zurück. Über die Laufzeit, meist einmal pro Jahr, erhält der Käufer einen festen Zinskupon von zum Beispiel vier Prozent. Die Zinszahlung beträgt also 400 Euro jährlich. Wenn sich das Zinsniveau auf den Finanzmärkten über die gesamte Laufzeit nicht ändert, tut sich nichts. Da allerdings die Zinsen schwanken, kann die Anleihe im Kurs gewinnen oder verlieren.
Mehr als Inflationsausgleich ist nicht drin
Dabei gilt: Sinkt der Marktzinssatz etwa von vier Prozent auf drei Prozent, wird unsere Anleihe, relativ zu anderen Papieren, die neu auf den Markt kommen, wertvoller: Der Kurs der fünfjährigen Anleihe steigt auf 105 Prozent. Wer jetzt verkauft, erhält also 10 500 Euro. Zusätzlich verändern Stückzinsen, in denen anteilig Zinszahlungen des laufenden Jahres vorweggenommen werden, dieses Ergebnis. Die Laufzeit der Anleihe ist bei der Kursveränderung entscheidend. Wer etwa ein 20 Jahre laufendes Papier mit einer jährlichen Verzinsung von vier Prozent erwirbt, der gewinnt 14 Prozent oder 1400 Euro, falls die Zinsen von vier auf drei Prozent fallen. Wer allerdings die Kursgewinne mitnimmt, verkauft und dann wieder festverzinst anlegt, der gewinnt am Ende nichts: Denn der Sparer erhält ja auf sein neu angelegtes Kapital von 11 400 Euro nur noch drei Prozent.
Selbstverständlich kann das Zinsniveau auch klettern. Steigt der Marktzins auf fünf Prozent, dann sinkt der Kurs einer Anleihe mit fünf Jahren Laufzeit auf 96 Prozent. Bei einer Laufzeit von 20 Jahren fiele der Kurs sogar auf 88 Prozent. Deshalb sollten Anleger, die kurzfristig Kapital parken wollen, nicht in langlaufende Anleihen gehen.
Wer allerdings in Anleihen umschichtet, sollte sich keine Illusionen machen: Mehr, als die niedrige Inflation auszugleichen, ist nicht drin. Aber Furcht vor deutlich mehr Preissteigerung als von zuletzt gut einem Prozent müssen Sparer nicht haben. Denn „der globale Konjunkturaufschwung verfügt über deutlich weniger Substanz und Dynamik, als viele Anleger glauben“, sagt Heinz-Werner Rapp, Chef-Anleger des Bad Homburger Investmentexperten Feri. Rapp stellt sogar „deflationäre Unterströmungen der Weltwirtschaft“ fest und liegt damit im Trend. Einer neuen Umfrage der Ratingagentur Fitch unter 108 Geldmanagern zufolge, die zusammen 5900 Milliarden Dollar verwalten, sind deren Sorgen vor Deflation so hoch wie seit vier Jahren nicht.
Bei Deflation sind die Anleiheinhaber die Gewinner
Bei Deflation, also allgemein fallenden Preisen, wären Anleiheinhaber die großen Gewinner. Denn in diesem Fall würde sich ihr Kapital trotz Niedrigzins real mehren. „Eine wesentliche Ursache der abnehmenden Inflation ist der nachlassende außenwirtschaftliche Teuerungsdruck“, sagt Daniel Hartmann, Senior Analyst bei Bantleon, einem Schweizer Spezialisten für Anleihemanagement. Vor allem der Preis des wichtigsten Importgutes – Rohöl – befindet sich seit 2012 auf dem Rückzug. „Mittlerweile sind die Benzin-, Heizöl- und Gaspreise sogar billiger als im Vorjahr und dämpfen damit die allgemeine Teuerung“, sagt Hartmann.
„Viele Annahmen, Szenarien und Prognosen der Marktteilnehmer könnten sich im weiteren Jahresverlauf als falsch oder irreführend erweisen“, so Rapp. Anleger müssten daher in diesem Jahr mit „abrupten Korrekturen“ an den globalen Finanzmärkten rechnen. Die Krim-Krise und Irritationen über China haben davon einen ersten Vorgeschmack gegeben. Ein Einbruch speziell bei Aktien würde zu eher positiven Entwicklungen bei Anleihen führen. „Anleger sollten deshalb momentan besonderes Augenmerk auf eine risikobewusste Grundhaltung legen“, so Rapp.
Finanzinstitute mit beschränkter Einlagensicherung
Hartmann von Bantleon rechnet zwar damit, dass Löhne und Preise „mit der globalen Belebung nach oben drehen“ sollten. Die Teuerungsrate der Euro-Zone sollte demnach in diesem März bei rund 0,5 Prozent ihren Tiefpunkt erreichen, danach aber in einen nur flachen Aufwärtstrend einschwenken. Selbst bei mäßig steigender Inflation bliebe für Anleger, die bei der Bank entsparen und in kurzlaufende Anleihen gehen, noch etwas übrig.
Das Risiko, das Sparer hier eingehen, ist überschaubarer als das, was manche für ein paar Zehntel Prozentpünktchen bei Banken auf sich nehmen. Beispielsweise bei Banken, die im Tagesgeld-Test als „Finanzinstitute mit beschränkter Einlagensicherung“ gelten. Deren Sicherung für den Pleitefall soll bis 100 000 Euro greifen. Anleger müssen sich bei starken Verwerfungen aber, so wie 2008, an ausländische Behörden wenden, um an ihr Geld zu kommen. Für 1,63 Prozent Zins gingen 2013 gut 200 000 deutsche Sparer solche Risiken beim Testsieger RaboDirect aus den Niederlanden ein.
Holland ist ja nicht Island, oder? Bis 2008 brachten seinerzeit 34 000 deutsche Sparer 308 Millionen Euro zur Kaupthing-Bank nach Reykjavik. Die dortigen Sicherungssysteme versagten im Herbst 2008. Nach langer Hängepartie erhielten die deutschen Tagesgeldzocker teilweise erst nach über einem Jahr ihr Geld zurück, und das auch nur, weil der kleine Inselstaat schließlich mit Milliardenkrediten gestützt wurde.
Gefahr aus Russland
Viele Kunden lockt nicht nur RaboDirect, sondern auch die VTB Direktbank. Bei Bonussparwochen gab es bis 3. März Zinsen für drei Jahre von 2,30 Prozent. Das ist mehr als das Dreifache des üblichen Marktzinses: Die Nord-Ostsee-Sparkasse etwa bietet ihren Kunden für diese Laufzeit 0,7 Prozent, die Deutsche Bank über zwei Jahre 0,6 Prozent. VTB-Neukunden, die ein Tagesgeldkonto eröffneten, erhielten 1,5 Prozent Zinsen für sechs Monate garantiert – bei der Commerzbank gab es zur selben Zeit Anfang März mit 0,25 Prozent gerade mal ein Sechstel.
Doch ob die Kunden wissen, dass sie bei einer letztendlich vom Moskauer Kreml gesteuerten Bank ihr Geld anlegen? Denn die VTB Gruppe ist eine internationale Finanzholding, mehrheitlich im Besitz des russischen Staates. Binnen eines Monats hat der Kurs der VTB-Aktie in Euro um ein knappes Drittel nachgegeben. Grund: Die VTB Gruppe ist auch in der Ukraine engagiert. Die VTB Direktbank sitzt zwar in Frankfurt, ist aber eine Zweigniederlassung der österreichischen VTB Bank (Austria) AG, die wiederum der Moskauer Holding untersteht.
Zwar gibt es auch eine VTB Bank (Deutschland) AG, die ehemals Ost-West-Handelsbank hieß. Diese bietet aber keine Tagesgelder an. Sparer vertrauen damit dem Schutz der Einlagensicherung der Banken & Bankiers GmbH in Österreich – und hoffen darauf, dass bei einem Crash die Moskowiter Führung den kleinen Anleger in Winsen an der Luhe nicht vergessen wird.