Geldanlage "Anleger werden auf jeden Fall Vermögen verlieren"

Top-Berater Daniel Stelter fordert ein sofortiges Ende des Wirtschaftens auf Pump, einen Schuldenschnitt und mehr Investitionen in Zukunftsprojekte wie Bildung, Ressourcen-Schonung und Zuwanderung.

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Daniel Stelter Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche

Herr Stelter, wollten Ihre Kollegen bei Boston Consulting nicht mehr Ihre kühnen Ideen zur Schuldenkrise hören; oder warum haben Sie das Unternehmen so plötzlich verlassen?

Stelter: Nein, Boston Consulting (BCG) hat immer einen offenen Stil gepflegt, in dem auch kontroverse Ideen willkommen sind. Abgesehen davon habe ich allerdings angesichts der enormen Probleme, vor denen wir stehen, eindringlich davor gewarnt, dass es zu Schuldenschnitten kommen wird. In Zypern ist es dann zum ersten Mal passiert.

War dies der Grund im Jahre sechs der Krise das gefühlt sechzigste Buch über die Krise zu schreiben?

Die Krise wird in der öffentlichen Diskussion entweder einseitig festgemacht an den Staatsschulden oder am Euro. Beide sind aber nicht die einzige Ursache der Krise, und sie sind schon gar nicht die einzigen Probleme, die wir haben. Der wahre Umfang der Krise ist viel größer. Viele Autoren, Wissenschaftler und Politiker, vor allem solche, die einfache Lösungen wie einen Euro-Austritt proklamieren, verkaufen gefährliche Scheinlösungen.

Sie wollen am Euro festhalten?

Wenn wir den Euro nicht hätten, würden wir ihn sicherlich mit dem heutigen Wissen nicht mehr einführen. Jetzt müssen wir den Schaden verringern und nicht weiter vergrößern. Eine Rückkehr zu nationalen Währungen wird nicht so einfach und geordnet ablaufen können, wie es uns einige Eurokritiker Glauben machen wollen. Es gäbe ein Riesenchaos, in den Südländern Bank-Runs, eine europaweite Depression und politische Unruhen. Auf jeden Fall würde die deutsche Exportwirtschaft einbrechen und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießen. Wir müssten einen guten Teil der Forderungen, die wir an die Krisenstaaten haben, abschreiben.

Zur Person

Also ein "Weiter so!" mit allen langfristigen Kosten, weil sonst Chaos droht?

Nein, die gegenwärtige Politik vergrößert den Schaden nur. Europaweit wachsen die Schulden weiterhin schneller als die Wirtschaft. Das wird nicht gut gehen. Wir brauchen eine Rosskur, die auch eine Neuordnung des Euroraumes beinhaltet. Griechenland und Portugal haben keine Chance, im Euro eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu schaffen, bei Spanien sind Zweifel sehr angebracht.

Ein Zurück zu nationalen Währungen liegt nicht im deutschen Interesse?

Nein, aber ein stärkerer Kerneuro langfristig schon. Deshalb müssten die verbleibenden Staaten eine richtige Fiskalunion schaffen, wie in den USA: Mit einem gemeinsamen Finanzminister, gemeinsamen Bonds und einer Vereinheitlichung von Sozialstandards wie Arbeitslosenhilfe und Renteneintrittsalter. Wenn unsere Partnerländer dies nicht wollen, wird es sehr schwierig sein, einen solchen reduzierten Euroraum zu erhalten. Dann müssen wir in der Tat abwägen, wie der Schaden am kleinsten ist. Weiter durchwursteln wie bisher, indem man keinen austreten lässt und immer alle Löcher stopft, aber keine richtige Wirtschaftsunion macht, wird auf Dauer unbezahlbar. Die Einführung des Euros hat den Verschuldungsboom und die Immobilienblasen in Ländern wie Irland und Spanien ermöglicht, dennoch ist er nicht unser größtes Problem.

Sondern?

Seit über 30 Jahren wachsen die Schulden in der gesamten westlichen Welt, also Nordamerika, Europa, Japan und Australien, schneller als die Wirtschaft. Seit den 1980ern haben wir unseren Wohlstand mit immer mehr neuen Schulden erkauft, weil das reine Wirtschaftswachstum dafür nicht mehr ausreichte. Begonnen hat das unter Ronald Reagan, beschleunigt hat den Prozess der frühere US-Notenbankpräsident Alan Greenspan, für mich einer der Hauptschuldigen an der Misere.

Greenspan hat übertrieben

Was aus den Rettungsplänen wurde
GeuroEs war eine Idee des früheren Deutsche-Bank-Chefvolkswirts Thomas Mayer: Griechenland führt eine Parallelwährung ein, den Geuro, der neben dem Euro im Land zirkuliert. Unternehmen könnten dann ihre Beschäftigten mit dem Geuro bezahlen, diese sich  dafür Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter kaufen. Da sich die neue Parallelwährung gegenüber dem Euro schnell abwerten würde, wären griechische Produkte und Dienstleistungen – hier vor allem der Tourismus – schnell wieder wettbewerbsfähig. Nach außen hin könnte das Land weiter in Euro rechnen. Es blieb eine Idee. Quelle: dapd
Striktes SparprogrammGriechenland spart sich gesund. Der Plan sieht vor, dass Griechenland 2013 und 2014 gut 11,5 Milliarden Euro einspart – durch Kürzung der Gehältern der Staatsbediensteten sowie der Renten, des Verteidigungsetat und so weiter. Dass Griechenland seine Sparpläne einhält, glaubt kaum noch jemand. Die Prüfungskommission Troika wurde bisher bitter enttäuscht. Auch Regierungschef Antonis Samaras trägt nicht zum Vertrauen in die Sparbemühungen bei, wenn er wie Ende August geschehen bei den Schuldnerländern um einen Aufschub bis 2016 bittet. In wenigen Wochen wird die Troika ihren neuen Bericht vorlegen, dann wird man sehen, was Griechenland bisher erreicht hat. Quelle: dpa
'Grexit" - Zurück zur DrachmeDas Land erklärt sich bankrott, steigt aus der Europäischen Währungsunion aus und kehrt zur Drachme zurück. Jahrelang warnten Euro-Politiker vor Ansteckungseffekte einer Griechenland-Pleite. Spanien, Italien oder Portugal würden dann ebenfalls in den Abgrund getrieben, hieß es einstimmig aus Brüssel. Doch die Stimmung hat sich gedreht. Das Risiko eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion wird in den Ländern der Euro-Zone mittlerweile für beherrschbar gehalten. Das "Grexit-Szenario" bleibt eine Option, sollte Griechenland seine Sparpläne nicht in die Tat umsetzen. Quelle: dpa
Konzept "Südo"Die Teilung des Euro in eine Gemeinschaftswährung der Südländer (Südo) und der Nordländer (Nordo) käme zwar vor allem Griechenland, aber auch Italien, Spanien und Portugal zugute. Da eine Abwertung des  Südo gegenüber dem Nordo die unmittelbare Folge einer solchen Teilung wäre, würde sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Euro-Krisenländer entsprechend verbessern. Mit einer solchen Aufteilung wäre die Währungsunion langfristig ökonomisch stabil. Doch die Politik stellt sich quer – das Festhalten an der Einheitswährung ist europäische Staatsräson. Quelle: dapd
Projekt EurekaEs war eine geniale Idee der Unternehmensberatung Roland Berger: Der griechische Staat verkauft große Teile seines Staatsbesitzes – an Kulturgüter wie die Akropolis war dabei allerdings nicht gedacht – an eine europäische Treuhandanstalt. Mit dem Erlös hätte Griechenland seine Auslandsschulden abtragen können. Die Treuhand hätte dann rund 30 Jahre Zeit gehabt,  die griechischen Staatsunternehmen zu sanieren und zu verkaufen. Deutsche und griechische Politiker hatten durchaus Sympathien für diesen Plan mit dem Namen „Eureka“. Doch es wurde nichts daraus. Quelle: dapd
Konzept "Fixit"Um den Griechen das Leben in der Europäischen Währungsunion zu erleichtern, könnten auch finanziell starke und hoch wettbewerbsfähige Länder die Euro-Zone verlassen. So haben etwa die Finnen angekündigt, sie könnten auch ohne Euro leben. Würden die Finnen tatsächlich austreten (Fixit) und machen die Niederlande, Estland und vor allem Deutschland diesen Schritt mit, würde das Griechenland die fällige Anpassung erleichtern. Vom Tisch ist diese Option noch nicht – der Schlüssel dazu liegt bei der Regierung in Helsinki. Quelle: dpa
Geld druckenEs ist der bequemste aller Auswege – und damit der wahrscheinlichste. Die Europäische Zentralbank (EZB) wirft die Notenpresse an. Und das geht so: Die Regierung in Athen gibt Staatsanleihen aus, griechische Banken kaufen die Titel auf und hinterlegen sie bei der EZB. Dafür bekommen sie frisches Zentralbankgeld. Darüber hinaus denkt die EZB darüber nach, wie sie weitere Staatsanleihen der Krisenländer vom Markt nehmen kann. Die Deutsche Bundesbank ist mit ihrem Widerstand gegen dieses Programm isoliert. 'Not kennt kein Gebot', lautet das Motto von EZB-Präsident Mario Draghi – und so ist der Staatsfinanzierung durch die Notenbank Tür und Tor geöffnet.    Quelle: dpa

Was werfen Sie ihm vor?

Fast ohne Anlass – das wäre eine tiefe Wirtschaftskrise gewesen – hat Greenspan in seiner gesamten Amtszeit bei jedem „Problem“ die Zinsen gesenkt, besonders massiv ab 2001. Noch schwerer aber wiegt, dass er sie nicht wieder anhob, nachdem die US-Wirtschaft ihre Mini-Delle hinter sich gelassen hatte. Er wollte damit den Aktienmarkt befeuern und den Immobilienboom. Das Ziel war sozial-, nicht geldpolitisch: Der Wohlstand der Mittelschicht sollte erhalten bleiben, weil wegen der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit des Westens keine realen Lohnerhöhungen mehr drin waren. Das gelang ihm – bis es dann richtig krachte. Andere Notenbanken mussten wegen der Dollarflut nachziehen, wenn sie nicht wollen, dass der US-Dollar gegenüber ihren eigenen Währungen maßlos abwertet. Seitdem sind wir wie Junkies: In jeder neuen Krise brauchen wir eine neue Gelddosis, die größer ist als die jeweils letzte.

Und seit Ausbruch der Krise wird noch mehr Geld gedruckt.

Und wie! Nach Logik der Notenbanken ist das auch folgerichtig: Um die Welt kurzfristig vor dem Schlimmsten zu bewahren, werden noch mehr neue Schulden gemacht. Dabei lässt die Wirkung schon nach: Jedes neue Anleihekaufprogramm wirkt kürzer und schwächer als das davor. Die nachlassende Wirkung der Schuldenmacherei auf die Realwirtschaft ist erschreckend: In den 1960ern führte jeder Dollar neuer Schulden noch zu 60 Cent mehr Wirtschaftswachstum; heute sind es nur noch 10 Cent. Das heißt für 10 Cent mehr Wirtschaftswachstum geben wir einen Dollar aus – da ist der Konkurs nicht mehr weit. Statt das zunehmend wirkungslose Medikament abzusetzen, erhöhen die Notenbanken die Dosis. Das wird nicht mehr lange gut gehen. Wir sind an dem Punkt, wo wir nicht mehr weiter Schuldenmachen können.

Die EZB hat klar gemacht, dass sie Schuldpapiere zur Not unbegrenzt aufkaufen. Die Pleitegefahr ist damit erst mal gebannt; die Renditen der Krisenländer-Staatsanleihen sinken und signalisieren Entspannung.

Genau. Wir schaffen ein Schlaraffenland für Schuldner: Der Zins geht auf Null und tilgen muss man auch nicht mehr. Die Folge sind Zombieunternehmen, die eigentlich insolvent sind, aber dennoch weiter existieren. Die Banken können die Abschreibung nicht verkraften, also genügt es, wenn die Schuldner noch ein wenig Zinsen bezahlen. In ganz Südeuropa ist das der Fall. Auf die Spitze getrieben hat es Irland, wo die Notenbank direkt dem Staat 30 Milliarden Euro – immerhin 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – praktisch zins- und tilgungsfrei geliehen hat, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Da ist Weimar nicht mehr weit. Das wird aber auf Dauer nicht funktionieren. Platt formuliert: Wenn Geld nichts mehr kostet, ist es irgendwann auch nichts mehr wert. Ewig stehen blieben Schulden deswegen noch nie. Nicht in Babylon, nicht in Rom, nicht bei Napoleon. Historisch wurden sie entweder gestrichen, wie schon in der Bibel beschrieben oder weginflationiert, die seit dem 1. Weltkrieg übliche Methode. Ein Herauswachsen aus den Schulden gelang nur selten. In England nach den napoleonischen Kriegen gelang das zwar – aber es dauerte 100 Jahre.

Warum sind die Schulden so gefährlich?

Schulden sind nicht per se schlecht. In Maßen sind sie sogar gut: Wenn Sie eine Hypothek aufnehmen, werden Sie danach vermutlich fleißiger arbeiten, um Zins und Tilgung zu bezahlen. Sie schaffen also mehr Einkommen und sparen an anderer Stelle. Schulden wirken – in vernünftigen Dimensionen – im Kapitalismus wie ein Turbo. Es sind nur insgesamt viel zu viele Schulden geworden. Wenn wir sie nicht systematisch kappen, verlieren wir die Kontrolle und das Problem löst sich von selbst, dann in einem unkontrollierbaren Prozess.

Inflation ist nicht die einzige Gefahr

Die zehn größten Euro-Lügen 2013
Francois hollande Quelle: dpa
Mario Draghi Quelle: dpa
José Manuel Barroso Quelle: REUTERS
Wolfgang Schäuble Quelle: AP
Martin Schulz Quelle: REUTERS
Antonis Samaras Quelle: dapd
Jean-Claude Juncker Quelle: dpa

Sie meinen: in einer Hyperinflation.

Denkbar

Davor warnen viele Experten seit Jahren; momentan droht eher das Gegenteil, eine Deflation, also fallende Preise.

Das ist auch nicht verwunderlich. Wenn neue Schulden nur noch dazu dienen, alte Schulden zu bedienen oder gar versucht wird zu sparen, ist Rezession und Deflation die Folge. Zu einer galoppierenden Inflation kommt es erst, wenn weite Teile der Bevölkerung das Vertrauen in Geld verlieren; dann steigt die Umlaufgeschwindigkeit. Im Moment ist die noch gering, nur die Geldmenge hat sich erhöht.

Dass Pulverfass steht da, nur die Lunte brennt noch nicht.

Ja. Aber mögliche Inflation ist nicht die einzige Gefahr. Denn diese Schuldenkrise trifft – anders als frühere – zusammen mit dem zweiten großen Problem: der Überalterung der westliche Welt. Früher konnte nach einer Schuldenkrise der Wohlstand schnell wieder hergestellt werden, weil es eine wachsende Bevölkerung gab. Beide Probleme werden sich dieses Mal gegenseitig verstärken, wenn wir sie nicht angehen. Um es konkret zu machen: Im schlimmsten Fall sind ihre Rente und ihr Vermögen weg, und ihnen bleibt keine Zeit, beides neu aufzubauen, bevor Sie zu alt dafür sind.

Sie sind ein Schwarzseher.

Das kommt auf die Perspektive an: Mein Vater, der Inflation, Weltwirtschaftskrise, Währungsreformen und den Weltkrieg erlebt hat, nennt mich einen naiven Optimisten. Ich bin überzeugt wir können den Schaden noch in Grenzen halten. Doch leider fehlt es sowohl der Politik, als auch großen Teilen der Finanzwissenschaft noch immer an der nötigen Einsicht in die Dimension der Problematik.

Es gibt doch wissenschaftliche Aufsätze genug, die den Teufel an die Wand malen, denen kein Krisenszenario zu extrem ist.

Da würden Sie sich wundern! Die Masse der Fachleute hat noch immer nichts begriffen. Als ich kürzlich vor einer Gruppe, teils prominenter Volkswirte präsentierte, legte ich eine Folie mit der Gesamtverschuldung der westlichen Welt auf. Zu meiner Überraschung hatten die meisten Volkswirte noch nie von der extrem hohen Verschuldung des Privatsektors gehört; dabei liegt die Gesamtverschuldung von Staaten, nicht-Finanzunternehmen und Bürgern in den USA bei 273, in der Eurozone dank der relativ guten Deutschen Werte bei 260 und in Portugal, Irland und Japan fast bei 400 Prozent des jeweiligen Brutto-Inlandsproduktes. Langfristig tragbar wären rund 180 Prozent. Wer das übersieht, kann keine seriöse Analyse der Krise und schon gar keine Lösungsvorschläge machen. An anderer Stelle wurde mir Japan gar als leuchtendes Beispiel dafür vorgehalten, wie man erfolgreich mit einer Schuldenkrise umgegangen sei – und das im Juni 2013!

Die Politik hat das Problem doch erkannt: Schuldenbremsen nach deutschem Modell wurden in vielen Staaten eingeführt, Rentenalter werden angehoben.

Das reicht aber bei weitem nicht. Es würde Jahrzehnte dauern, allein mit der aktuellen Sparpolitik die Verschuldung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Das Wachstum müsste zugleich viel höher sein. Doch leider würgt die Sparpolitik die Wirtschaft ab. Spanien, Italien, Portugal und Griechenland sind schon an der Grenze des Erträglichen. Wenn Sie dort noch mehr sparen, riskieren sie Volksaufstände. Japan kann auch nicht sparen. Und selbst Deutschland bräuchte dringend mehr Konsum und vor allem Investitionen.

Schon Adenauer irrte

Wie die Deutschen ihr Geld anlegen
Im Jahre 2012 hatten die deutschen Bürger ein Gesamtvermögen von rund 4,94 Billionen Euro. Bis auf die Jahre 2002 und 2008 stieg das Vermögen der Deutschen stetig. Wie stark es zugenommen hat, zeigt ein Vergleich mit dem Jahr 1991. Zu dieser Zeit kumulierten die privaten Haushalte ein Kapital von gerade einmal 1,9 Billionen Euro. Die Übersicht zeigt, wo sich das Geld der Deutschen befindet. Quelle: dpa
In festverzinsliche Wertpapiere wurden im vergangenen Jahr nur 238 Milliarden Euro investiert. Zwar gelten zum Beispiel Staatsanleihen aus Deutschland als besonders sicher, doch die Rendite bewegt sich oft sogar unter dem Inflationsniveau. Staatsbonds aus den Euro-Krisenländern Spanien und Italien werfen hingegen recht hohe Zinsen ab, doch das Verlustrisiko ist dementsprechend hoch. Quelle: dpa
Seit 2007 nimmt das angelegte Geld in festverzinsliche Finanzprodukte ab. 2011 lagen noch 247,1 Milliarden Euro in Staats-, Wandel, und Indexanleihen, um nur einige festverzinsliche Anlagemöglichkeiten zu nenne. Indexanleihen werden in Deutschland bisher allerdings nur selten vergeben. Emissionen solcher Anleihen erfolgen nur unter Genehmigung der Bundesbank. Quelle: dpa
Rund 259 Milliarden Euro liegen in Aktien. In Relation zum Gesamtvermögen sind das gerade einmal fünf Prozent. Anfang der 1960er-Jahre betrug der Aktienanteil noch 20 Prozent. Die Scheu, Geld in Aktien anzulegen, kann nicht mit den Renditen erklärt werden. Denn 1987 notierte der Dax noch bei 1.000 Punkten, mittlerweile hat sich der Kurs, trotz mehrfacher Rückschläge, mehr als verachtfacht. Keine andere Analagemöglichkeit bietet langfristig so hohe Renditen. Quelle: dpa
Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt aber, dass der Aktienanteil zyklischer Veränderung unterliegt. Je nach Börsengeschehen verändert sich der Anteil. Während 2007 knapp 371 Milliarden Euro in Aktien investiert waren, verringerte sich das Volumen im darauffolgenden Jahr auf 182 Milliarden Euro. Die Veränderung von 2011 auf 2012 hingegen war von 222 Milliarden auf 259 Milliarden Euro wieder eine positive. Quelle: dpa
Investmentfonds unterliegen den gleichen Schwankungen wie Aktien. Im vergangenen Jahr investierten die Deutschen rund 420 Milliarden Euro in solche Fonds und damit knapp 25 Milliarden mehr als noch 2011. Doch bereits 2007 lagerten die Bundesbürger über 467 Milliarden Euro in Investmentfonds. Quelle: dpa
Geldanlagen bei Versicherungen stehen bei den Deutschen hoch im Kurs. Rund 1,5 Milliarden Euro des Geldvermögens liegen bei den Versicherungen. Besonders beliebt sind Lebensversicherung, Pensionskassen und Versorgungswerke. Quelle: dpa

Also ist Merkels Austeritätspolitik falsch?

Sie reicht nicht aus. Die Versprechen der Politik hinsichtlich der Rente zum Beispiel sind vollkommen ungedeckt, weil kein Kapitalstock aufgebaut wurde. Nicht nur in Spanien, auch in Deutschland ist das so. Es ist in einer alternden Gesellschaft schlicht nicht mehr zu halten. Schon Adenauer irrte, als er die Kritik an der rein umlagefinanzierten Rente salopp mit dem Spruch „Kinder kriegen die Leute immer“ wegwischte. Hier müsste viel mehr getan werden.

Nämlich was?

Noch höhere Rentenalter. Dann müssten alle ihren Beitrag leisten: Die Vermögenden über höhere Steuern, die Armen durch geringere Sozialleistungen. Im Moment zahlt nur die Mitte, über reale Einkommenseinbußen; das sind aber ausgerechnet die Leistungsträger. Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung, mehr Mütter im Job, mehr intelligent gesteuerte Zuwanderung. Und wir müssten den Ressourcenverbrauch und den Klimawandel bremsen. Alles Dinge, die uns sehr viel teurer zu stehen kommen, je länger wir sie aufschieben. Nichts davon passiert, weil wir mit der Schuldenkrise beschäftigt sind.

Wie geht es nun wahrscheinlich weiter?

Es gibt vier Möglichkeiten: Erstens: Alle Welt spart und zahlt die Schulden ganz normal zurück. Das wünschen wir uns als Gläubiger und entspricht der Politik der Kanzlerin. Dass das nicht gehen wird, liegt auf der Hand: Je mehr wir sparen, desto mehr leiden Konsum und Investitionen in der ohnehin fragilen Weltwirtschaft.

Zweitens: aus den Schulden herauswachsen. Reales Wachstum können wir angesichts der demografischen Entwicklung kein großes erwarten. Wir sollten aber alles tun, um die Wachstumskräfte der Wirtschaft zu stärken. Gerade die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der Peripherie ist fatal: eine ganze Generation wird weniger produktiv sein und weniger zum Wirtschaftswachstum beitragen.

Verbleibt die Hoffnung das Wachstum inklusive Inflation über den Nominalzins zu treiben.

Richtig. Das wäre dann die berühmte Financial Repression. Im Prinzip stecken wir darin seit 2008, aber es wird leider nicht reichen, um der Schuldenberge Herr zu werden.

Wieso nicht? Dass es geht, ist schon bewiesen: Die USA haben sich in den 1950er und 1960er Jahren mit negativen Realzinsen ihrer Schulden nach dem Zweiten Weltkrieg entledigt.

Schon richtig. Aber erstens waren die Jahre von 1945 bis 1965 geprägt von weltweitem Wirtschaftswachstum und technologischen Neuerungen. Zweitens waren damals nur die Staaten hoch verschuldet, der Privatsektor hatte nur geringe Schulden. Außerdem wuchs die Bevölkerung der Industrieländer stark, heute schrumpft sie, oder sie stagniert. Da fehlen Konsumenten. Außerdem überaltern wir, und ältere Menschen bauen selten Häuser, bestellen beim Schreiner keinen Schrank und auch kaum neue Kleidung und Autos. Die Financial Repression ist zwar die Lösung, die die Notenbanken offensichtlich anstreben, aber ich bin skeptisch, dass man sie lange genug durchziehen kann. In Deutschland bräuchte man rund 17 Jahre lang negative Realzinsen von rund 1 Prozent, in UK schon 48 und in Japan über 80 Jahre, um die Schulden wieder auf ein erträgliches Maß zurückzufahren.

Bittere Medizin notwendig

Wo das Geld jetzt sicher ist
Bargeld Quelle: Sebastian_Wolf
Goldbarren und -münzenDas Edelmetall ist die Notfallreserve außerhalb des Finanzsystems schlechthin. Wer mit dem Schlimmsten rechnet, hofft, dass er kleinere Goldmünzen gegen Lebensmittel oder Medikamente tauschen kann, wenn Banken ihn nicht mehr mit Bargeld versorgen. Verwahren Anleger ihr Gold allerdings im Bankschließfach, kann es nach einer Bankpleite dauern, bis sie Zugriff bekommen. In Krisenzeiten fällt der Goldpreis mitunter. Großanleger wie Hedgefonds müssen ihren Goldbestand verkaufen, um flüchtende Anleger auszuzahlen. Da in Panikphasen andere Anlagen wie Aktien oder Anleihen stark an Wert verlieren oder illiquide werden, ist Gold dann eine der wenigen Anlagen, die sie noch zu Geld machen können. Quelle: dpa
Spareinlagen: Sparkassen/VolksbankenIhren Kunden versprechen Sparkassen, Landesbanken sowie Genossenschaftsbanken, dass sie Pleiten der zu ihrer jeweiligen Gruppe gehörenden Institute im Vorfeld verhindern. Meist geschieht das über Fusionen von schwachen mit stärkeren Mitgliedern. Kommt es zu keiner Pleite, muss auch kein Geld gerettet werden. Dadurch sollen auch Zertifikate und Anleihen vor einem Totalverlust sicher sein. Das ist ein Unterschied zu anderen Einlagensicherungssystemen. Die Solidarität funktionierte bislang, könnte aber bei der Schieflage großer Institute überstrapaziert werden. Quelle: dpa
Fresenius Quelle: Pressebild
Deutsche Börse Quelle: dapd
Investmentfonds Quelle: Wolfgang - S - Fotolia
Sparschwein Quelle: Edel Rodriguez

Und die anderen Möglichkeiten?

Jetzt werden wir realistischer, aber auch schmerzhafter. Uns Junkies droht sozusagen der kalte Entzug: Inflation oder Schulden streichen.

Das klingt wie die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Ja. Das erklärt auch die Politik der letzten Jahre. Man kann sich nicht entscheiden. Wobei ich eine klare Präferenz habe: Schulden streichen. Nennen wir es nicht Pest, nennen wir es ’bittere Medizin’.

Eine sehr bittere Arznei. Ein Schuldenschnitt würde die Geldvermögen, die Lebensversicherungen und große Teile der Altersvorsorge der Bevölkerung treffen.

Aus diesem Grund wird es auch nicht von der Politik gewünscht. Dabei ist der Verlust schon eingetreten, weil die Schulden nicht ordentlich zurückgezahlt werden können. Es geht nun darum, wie der Schaden verteilt wird. Bei einem Schuldenschnitt können wir bestimmen, wer welchen Anteil zu tragen hat und vor allem können wir den Schaden auf Jahre verteilen, was die Belastung erträglicher macht. Inflation in der Höhe, die nötig wäre, um die Schuldenberge abzutragen, würde vor allem jene treffen, die nicht in Sachwerte ausweichen können. Soziale Unruhen wären die Folge.

Wie viele Schulden müssten wir streichen?

In den Krisenländern mindestens 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Im Euroraum drei bis fünf Billionen Euro. Dann bekämen Staaten und Privatleute wieder Luft und könnten investieren und die Herausforderungen der Zukunft angehen.

Das scheint kaum durchsetzbar.

Wenn die Krise wieder eskaliert, dann wird auch die Schmerzgrenze sinken, so drastische Maßnahmen zu ergreifen. Schauen Sie nur nach Zypern. Zu Beginn der Krise hätte man eine Abgabe auf Geldkonten nicht gewagt. Jetzt sind ein paar Jahre vergangen, ohne dass sich eine andere, große Lösung abzeichnet. Nun geht es plötzlich, wenn auch nur im kleinen, unbedeutenden Zypern.

Sie glauben den Politikern nicht, die gebetsmühlenartig betonen, Zypern sei ein Sonderfall?

Ein Sonderfall sicher nicht. Aber als Präzedenzfall taugt die Zypern-Lösung nicht. Ich sehe sie mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist es gut, dass man Schulden teilweise streicht, statt sie immer nur mit neuen abzulösen; andererseits ist es nicht gerecht, dass dort zum Beispiel mittelständische Unternehmen bluten mussten, weil die eben für ihr Tagesgeschäft Bargeld zur Seite legen mussten; andere aber alles ins Ausland schaffen konnten und zum Beispiel Immobilienbesitzer nicht beteiligt werden.

Was hätte die Politik machen sollen?

Man hätte alle Wohlhabenden beteiligen müssen, nicht nur die Besitzer von Geldkonten. Mich treibt dabei nicht der Neid auf die Wohlhabenden die hart für ihr Geld gearbeitet und gespart haben. Der Schaden der nicht bedienbaren Schulden ist durch die verfehlte Politik der letzten Jahre bereits entstanden, die Vermögensbesitzer merken es nur noch nicht. Jetzt geht es darum, einen viel größeren Schaden zu verhindern!

Kapitalverkehrskontrollen nötig

So klappt die Geldanlage für Sparer ab 50
Keine langen LaufzeitenGeht es ums Sparen im Alter, müssen sich Anleger zunächst die Frage stellen, wie sie ihr Geld besser nicht anlegen sollten. Denn vor allem Sparprodukte, die sehr langfristig angelegt sind, sind für Ältere nicht geeignet. Zu hoch ist das Risiko, dass das Ende der Laufzeit nicht mehr erlebt wird. Die Riester-Rente hat beispielsweise eine Mindestlaufzeit von zwölf Jahren. Auch Schiffsfonds, die viele Rentner zeichneten, hatten oft eine lange Laufzeit. Anleger hätten teilweise über 100 Jahre alt werden müssen, um kündigen zu dürfen. Für Ältere sind flexiblere Anlagezeiträume wichtig, um im Notfall auf zusätzliche Liquidität zugreifen zu können. Quelle: dpa
SparstrumpfBei vielen Hausentrümpelungen findet er sich noch an: der gute alte Sparstrumpf. Zwar liegt die Idee eines Notgroschens unter dem Kopfkissen nah. Allerdings gibt es mittlerweile kaum noch Argumente für viel zu Hause gelagertes Bargeld. Denn die jüngste Geschichte und ihre Bankenrettungen durch den Staat haben bewiesen, dass eine Bank in Deutschland nicht so einfach Pleite geht. Plötzliche Bargeld-Knappheiten sind daher unwahrscheinlich. Langfristig verliert das Bargeld im Strumpf aufgrund der Inflation seinen Wert. Die entgangenen Zinsen fallen trotz der aktuellen Niedrigzinsphase zusätzlich ins Gewicht. Quelle: dpa
Geschlossene FondsGerade Senioren wurden in den letzten Jahren immer wieder von ihren Bankberatern in undurchsichtige, riskante geschlossene Fonds gelockt. Auch die Zertifikate der 2008 in die Insolvenz gerutschten US-Bank Lehman Brothers vertickten die Berater gerne an ältere Anleger, die ihrem langjährigen Ansprechpartner vertrauten. Gleiches gilt für Schiffsfonds, auch hier waren viele Senioren investiert. Von derart riskanten Papieren sollten Sie in jedem Fall die Finger lassen. Sie sind nicht nur zu intransparent, auch die Laufzeiten sind in der Regel für Senioren viel zu lange. Nur wer seine Geldanlage versteht, kann weiterhin ruhig schlafen. Quelle: dpa
Kredite abzahlenOberste Priorität für reifere Geldanleger sollte das Tilgen der Altkredite haben, wie beispielsweise Hypotheken auf Wohneigentum. Denn nur wer schuldenfrei ist, kann sich über den Aufbau des weiteren Vermögens kümmern. Quelle: AP
Rentenversicherung/SofortrenteWer als älterer Mensch viel angespart hat, kann auch eine Rentenversicherung abschließen, die sogenannte Sofortrente. Der Versicherte zahlt eine größere Menge Geld ein, aus diesem Topf wird dann ab sofort eine regelmäßige Rente gezahlt. Immerhin garantiert die Rentenversicherung eine lebenslange Zahlung, während etwa ein Banksparplan irgendwann ausläuft. Allerdings ist diese Form der Rentenvorsorge eine Wette auf ein langes Leben. Stirbt der Versicherte kurz nachdem er eingezahlt hat, ist das Geld futsch - die Reste eines Banksparplans könnten an die Nachkommen vererbt werden. Quelle: dpa
AktienAuch Aktien sind für Ältere eine gute Geldanlage, viele Senioren halten Papiere. Das wird spätestens auf den jährlichen Hauptversammlungen der Konzerne klar, die Senioren gerne als Ausflug mit Erbsensuppe und Bockwurst nutzen. Der Zeithorizont sollte beachtet werden, da möglicherweise nicht endlos Zeit bleibt, um ein Kurstief auszusitzen. Vergleichsweise sicher fahren ältere Anleger mit der Dividendenstrategie, bei der gezielt Titel mit einer hohen Dividendenrendite ausgewählt werden, wie Aktien des Schweizer Lebensmittelherstellers Nestlé oder des Rückversicherers Munich Re. Auf diese Weise bringen die jährlichen Ausschüttungen regelmäßige Renditen ins Depot. Und die Bockwurst gibt es als Bonus oben drauf. Quelle: dpa
Tages- und FestgeldTages- oder Festgeldkonten sind ein Klassiker unter den Geldanlagen von Senioren. Das Ersparte ist vergleichsweise sicher angelegt und - im Fall von Tagesgeld - auch täglich verfügbar. Allerdings drohen angesichts der niedrigen Zinsen und etwas Inflation real bei vielen Konten sogar Verluste. Denn die meisten Banken und Sparkassen geizen gerade bei den Zinsen. Wer eine erträgliche Rendite einfahren will, muss sich mit Hilfe der verfügbaren Tagesgeldrechner über die aktuell besten Angebote informieren und möglicherweise den Kontoanbieter wechseln. Oft sind es Direktbanken, die beim Tagesgeld die besten Zinsen bieten. Wer sein Geld bei einer ausländischen Bank parkt, sollte sich informieren, wie die Einlagensicherung geregelt ist. Diese greift im Fall einer Pleite der Bank in der Regel für Einlagen bis 100.000 Euro. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms

Das klingt kaum machbar; das müsste in einer Nacht- und Nebel-Aktion durchgeführt werden, sonst käme es wohl vorher zu Kapitalflucht.

Immobilien können schon mal nicht flüchten. Aber Sie haben schon recht: es müssten sofort Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden; wahrscheinlich müsste man auch für kurze Zeit die Grenzen schließen.

Was sagen ihre Kunden, Manager von Dax-Konzernen etwa, zu diesen Szenarien?

Da gibt es zwei Gruppen: Die einen sagen: ’Schön und gut, aber damit hab ich nichts zu tun; ich sitze nur noch hier, weil ich muss. Privat habe ich mein Geld längst in Singapur, der Schweiz oder in Kanada.’ Das ist aber zum Glück eine Minderheit. Die größere Gruppe, ist zunächst skeptisch, dass derart drastische Maßnahmen drohen. Dann gehen wir die Fakten durch, und am Ende sagen sie: ’Gut, was kann jeder von uns tun? Ich bin bereit, meinen Teil zur Lösung der Schuldenkrise beizutragen.’

Was können die Manager denn tun?

Mehr Druck ausüben über ihre Lobbyverbände auf die Politik: Hört auf mit dem Schuldenmachen und dem Spiel auf Zeit! Aber auch: Tut mehr für reales Wachstum. Schafft endlich mehr Kita-Plätze und bessere Bedingungen für ältere Arbeitnehmer, wir brauchen das Know-how der Eltern und der Älteren. Macht eine vernünftige Einwanderungspolitik. Wir brauchen nicht ’Kinder statt Inder’, ein extrem dummer Spruch übrigens, sondern Kinder und Inder. Was wir nicht brauchen, ist ungesteuerte Zuwanderung in unser Sozialsystem, das muss man allerdings auch sagen. Die Politik muss mehr tun für Bildung und gezielte Integration, zugleich aber sollten wir ineffiziente Bereiche radikal beschneiden.

Welche?

Den ganzen Lohn-Ersatz-Sektor. Ich plädiere für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Wollen Sie für die Piraten kandidieren?

Keineswegs, ich folge als Unternehmensberater einer rein wirtschaftlichen Logik: Der größte Ausgabenbatzen im Haushalt sind, neben den Beamtenpensionen, Sozialleistungen wie Hartz IV. Ich mache Ihnen hier nicht den Sarrazin und sage: Das kann man mit dem Rasenmäher kürzen. Aber Fakt ist: Ein großer Teil des Sozialetats geht für Verwaltungsaufwand drauf. Wenn wir jedem, sagen wir, 800 netto Euro geben, ohne ihn zu kontrollieren, was er damit macht, zahlen wir nicht mehr als zurzeit aus, sparen aber sofort Milliarden an Verwaltungskosten. Und ich bin sicher: 95 Prozent der Menschen würden trotzdem arbeiten gehen, 60 bis 70 Prozent weiter Karriere machen wollen und mehr leisten für mehr Geld. Die letzten fünf Prozent, die nichts tun wollen, mogeln sich auch schon durchs jetzige System. Die muss man dann eben auch aushalten können als aufgeklärte Gesellschaft. Zugleich erhöhen wir den Anteil der Arbeitskräfte die für den produktiven Sektor der Wirtschaft zur Verfügung stehen und nicht nur Umverteilen. Gerade vor dem Hintergrund der Demographie ist das wichtig.

Schön und gut, aber: mehr Bildung, mehr Integration, das alles kostet. Gleichzeitig wettern Sie gegen neue Schulden.

Deswegen müssen wir ja einen Teil der alten Schulden streichen, damit wir wieder Luft bekommen. Statt für Zins und Tilgung müssen wir Geld in die Zukunft investieren können; es klingt ein bisschen pathetisch. Zugleich muss der Staat das Geld anders verwenden. Weniger konsumtive Ausgaben und dafür mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Wenn wir das nicht tun, gehen wir in Europa den Weg des späten Roms.

Was heißt das für die Anleger?

Sie werden vermutlich einen Teil ihres Vermögens verlieren, egal, wie sie sich aufstellen. Eine individuelle Lösung, mit der sich Einzelne vor dem Schicksal der Masse retten können, gibt es nicht.

Investieren in Bildung

So steht es um die deutsche Bildung
Ein Studium und eine gute Berufsausbildung zahlen sich in wirtschaftlichen Krisenjahren besonders aus. So gibt es für Akademiker und Meister in Deutschland laut dem aktuellen Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nahezu Vollbeschäftigung. Nur 2,4 Prozent von ihnen waren in der Bundesrepublik 2011 erwerbslos - während es im Schnitt der 30 wichtigsten OECD-Industrienationen 4,8 Prozent waren. Aber selbst für EU-Krisenländer wie Griechenland und Spanien gilt: Je höher die Qualifikation, desto niedriger die Arbeitslosenquote. Quelle: dpa
Laut dem Bericht ist die Zahl der Studienanfänger in Deutschland zwischen 2005 und 2011 von 36 auf 46 Prozent eines Altersjahrganges gestiegen - im Schnitt der anderen Industrienationen im gleichen Zeitraum von 54 auf 60 Prozent. 28 Prozent der jungen Deutschen zwischen 25 und 34 verfügen über einen akademischen Abschluss (OECD-Schnitt: 39 Prozent). Quelle: dpa
Als besonders positiv für die Bundesrepublik wird der überdurchschnittliche Anstieg der Studienanfängerzahlen in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern herausgestellt. Und bei den Abschlüssen in diesen Disziplinen dringen zunehmend Frauen nach vorn: So ist in den Naturwissenschaften der Anteil der weiblichen Absolventen innerhalb von zehn Jahren von 27 Prozent auf 42 Prozent (2011) gestiegen. Quelle: dpa/dpaweb
Viele Akademiker lohnen sich auch für den Staat: Pro ausgebildetem Akademiker erhält der Staat in Deutschland über das gesamte Lebenseinkommen gerechnet im Schnitt 115.000 Euro mehr an Steuern zurück als er in die Studienkosten investiert hat. Erstmals hat der OECD-Bericht auch Nebenaspekte wie die Gesundheit von unterschiedlich gebildeten Bevölkerungsgruppen untersucht. Danach neigen Akademiker seltener zu Fettsucht und rauchen auch deutlich weniger. Quelle: dpa/dpaweb
Und eine gute Ausbildung zahlt sich aus: Akademiker verdienten 2011 nahezu zwei Drittel mehr als Absolventen einer Lehre. Im Jahr 2000 waren dies erst 40 Prozent mehr. „Bei Spitzenqualifikationen hat die Bundesrepublik nach wie vor Nachholbedarf“, sagte OECD-Experte Andreas Schleicher. Dies schlage sich auch in den hohen Gehälter für Akademiker nieder. In Deutschland ist der Einkommensunterschied zwischen Akademikern und beruflich ausgebildeten Fachkräften in den vergangenen zehn Jahren laut OECD sprunghaft gestiegen, und zwar um 20 Prozentpunkte. Das ist mehr als in jeder anderen Industrienation. Quelle: dpa
Doch auch eine sehr gute Ausbildung schützt nicht vor Gehaltsunterschieden: In Deutschland verdienen Frauen nur etwa 74 Prozent des Gehalts der Männer. Besonders deutlich wird der Unterschied bei Spitzenfunktionen. So erhalten 43 Prozent der Männer mit akademischer Qualifikation mehr als das doppelte des Durchschnittseinkommens. Bei den Frauen sind dies hingegen nur 11 Prozent. Als eine mögliche Begründung verweist der Bericht darauf, dass 56 Prozent der Frauen mit akademischem Abschluss nur Teilzeit beschäftigt sind, während dies nur für 19 Prozent der Männer gilt. Quelle: dapd
Bei den Doktorarbeiten liegt Deutschland im weltweiten Vergleich an der Spitze. 2,7 Prozent eines Altersjahrganges schließen ihre akademische Ausbildung mit einer Promotion ab. Nur in der Schweiz (3,2 Prozent) und Schweden (2,8) werden mehr Doktorhüte vergeben. Quelle: dpa

Viele kaufen Gold oder Immobilien.

Auch das wird nichts nutzen. Gold ist zwar wahrscheinlich eine gute Versicherung gegen manche Extremszenarien, es wirkt aber auch nicht in jedem Fall. Nach dem Untergang Roms fand man noch im Mittelalter immer wieder Gold in Fundamenten von Patrizierhäusern. Dass es noch da lag, Jahrhunderte später, ist ein Indiz, dass seine Besitzer nicht viel damit anfangen konnten. Oder aber nicht drankamen.

Aber, wenn nicht gleich die Barbaren einreiten und uns dem Erdboden gleichmachen, dann müssten Sachwerte wie Immobilien doch eine gute Idee sein, vor allem, wenn sie an Schuldenschnitt oder Inflation glauben?

Das ist leider nicht konsequent zu Ende gedacht. Sachwerte verlieren zwar nicht durch Schuldenschnitt oder Inflation, aber danach würde es politisch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine große Koalition der Verarmten geben; und die wird die Wenigen, die ihr Vermögen gerettet haben nicht unbehelligt lassen. Reiche werden in irgendeiner Form ihren Obolus bringen müssen. Wer Immobilien besitzt, kann davor nicht weglaufen.

In einer Art Lastenausgleich, wie 1952?

Ja, wir haben da eine Tradition in Deutschland.

Was raten Sie Anlegern?

Wenn sie jung sind: Investieren Sie vor allem in ihre Bildung und in die ihrer Kinder. Wegen der weltweiten Überalterung werden gut ausgebildete Fachleute in der Welt gesucht sein und wieder gut verdienen können.

Und wenn sie älter sind?

Ich will nicht zynisch sein, aber dann können Sie wirklich nur Schadensbegrenzung betreiben. Man sollte sein Geld streuen. Gegen eine selbst bewohnte Immobilie – in bescheidenem Rahmen – ist nicht viel einzuwenden. Die wird wahrscheinlich nicht besteuert. Wenn Sie viel Geld besitzen, sollten Sie es verteilen, auf mehrere Banken im In- und Ausland, aber auch auf mehrere Assetklassen wie solide Anleihen, Edelmetalle, Bargeld, sehr viel Bargeld möglicherweise verteilt auf mehrere Währungen, und natürlich gehören Aktien absolut dazu, auch wenn sie zurzeit nicht mehr wirklich billig sind. Und engagieren sie sich politisch: wir müssen die Politik dazu bringen, den Kurs zu ändern und weiteren Schaden von uns abzuwenden.

Sie sind seit 14 Jahren Co-Autor einer der größten und renommiertesten Investment-Studien zum weltweiten Aktienmarkt, welche Aktien empfehlen Sie?

Eine Faustregel sollte sein: Aktien von Unternehmen, die nicht von einem Kunden, einem Land als Markt, einem Zulieferer, einem Produkt oder staatlicher Regulierung abhängen. Eine zweite: der Firmensitz sollte in einem Land mit stabilen Eigentumsrechten liegen, wie Kanada, Schweiz, Norwegen. Die Umsätze sollten weltweit erzielt werden.

Also Papiere internationaler Konzerne, wie Apple, Nestlé, Unilever?

Zum Beispiel, ja. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ihr ganzes Vermögen verlieren, ist mit so einer Aufstellung sehr gering. Der Wert eines Portfolios aus solchen Konzernen wird nicht auf Null fallen.

Hätten Sie mit einer Organisation wie BCG im Rücken nicht einfacher einen Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten können?

Nach 23 Jahren bei BCG werde ich erst mal eine Auszeit nehmen und überlegen, wo ich mich in Zukunft engagiere. Das Thema wie wir konstruktiv mit den erheblichen Herausforderungen umgehen, beschäftigt mich sehr und ich werde sicherlich versuchen, meinen Beitrag zur Lösung zu leisten.

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