Geldanlage in der Krise "Die Turbulenzen werden zurückkehren"

Vermögensverwalter Joachim Paul Schäfer kennt sich aus in Griechenland. Er ist nach der Wahl nicht euphorisch, warnt aber vor Panikmache. Über drohende Kursverluste und was er Anlegern jetzt rät.

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Joachim Paul Schäfer, Partner der PSM Vermögensverwaltung Langen von der Goltz & Dr. Prinz in München Quelle: Armin Brosch für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Schäfer, Sie gehören zu den erfahrensten Geldanlage-Managern Deutschlands. Haben sie eine so tiefe Verunsicherung der Anleger wie in den vergangenen Wochen schon einmal erlebt?

Schäfer: In außergewöhnlichen Situationen neigen die meisten Menschen zur Dramatisierung, im Nachhinein sieht es oft weniger schlimm aus, als es in der jeweiligen Situation selbst erschien, dennoch muss ich sagen: Nein, eine so tiefgehende Verunsicherung breiter Anlegerschichten wie zurzeit haben wir noch nicht erlebt.

Welche Ängste plagen die Anleger konkret?
Das geht von einer allgemeinen, diffusen Unsicherheit über die Stabilität des Euro bis zu Extremszenarien wie DM-Rückkehr, Währungsreform und Hyperinflation, die wir immer öfter diskutieren müssen. Viele sind sich mehr oder weniger sicher, dass das Ende des Euros naht, haben aber keine konkrete Vorstellung davon, wie das aussehen soll. So eine Situation ist natürlich auf Dauer schwer erträglich. Leider spielen auch Teile der Medien eine unrühmliche Rolle, die eher zur Verunsicherung als zur Aufklärung beitragen. Die meisten unserer Kunden sind allerdings relativ ruhig, da wir frühzeitig in risikoarme Anlagen umgeschichtet haben.

Halten sie denn solche Szenarien nicht für denkbar?

Für denkbar schon, aber auch für alles andere als wahrscheinlich.

Was bedeutet der Ausgang der Wahl in Griechenland am Wochenende nun für den Euro?

Zunächst überwiegt die Erleichterung, aber es gibt noch keine, auch nur im Ansatz tragfähige Lösung der Probleme. Ich rechne damit, dass die Turbulenzen in den kommenden drei Wochen zurückkehren.

Wieso das?

Egal, welche Regierungskoalition nun in Griechenland zustande kommt, im Moment sieht es ja nach einer eher eurofreundlichen Variante aus. Sie wird gegenüber EU und Troika nachverhandeln, denn sie hat gar keine andere Wahl. Die derzeitigen Bedingungen würgen das letzte bisschen griechische Wachstumspotenzial ab; so oder so hat Griechenland ab etwa Mitte Juli kein Geld mehr; dann werden die Deutschen und die EU mit ihnen verhandeln müssen, ob sie wollen, oder nicht. Griechenland hat dabei eine bessere Verhandlungsposition als viele denken, denn eine Rückkehr zur Drachme wollen die EU-Politiker unter allen Umständen verhindern.

Wäre sie denn wünschenswert aus Anlegersicht?

Aber nein! Der Euro kommt uns wohl noch teuer, aber die Drachme wäre für Deutsche, Holländer oder Franzosen noch viel teurer

Dennoch: Es mehren sich die Stimmen, die lieber ein Ende mit Schrecken als einen Schrecken ohne Ende wollen: sprich: einen Austritt Griechenlands befürworten.

Damit muss man vorsichtig sein; das könnte einen furchtbaren Schock für das Finanzsystem bedeuten. Der Interbankenmarkt könnte einfrieren und die Wirtschaft erneut ins Bodenlose taumeln. Außerdem würde das die Spekulation gegen andere schwache Länder wie Irland und Portugal wohl erst richtig befeuern, denn aus Sicht der Spekulanten heißt das: warum sollte nicht wieder funktionieren, was schon einmal geklappt hat? Die Probleme würden nicht kleiner, sondern eher schlimmer.

War der so genannte GREXIT, der Austritt der Griechen aus dem Euro, nicht schon in den Marktkursen drin? Überraschen kann er doch nach den vergangenen Wochen niemanden?

Das denke ich schon; ganz sicher haben die Marktteilnehmer dieses Szenario längst auf dem Radar gehabt; dennoch ist bei allen die Angst vor einem Dominoeffekt oder einem chaotischen Ablauf dieses Grexits sehr groß. Dann könnte es durchaus noch einmal zu sehr schmerzhaften Verlusten am Aktien- und auch Anleihemarkt kommen.

Vermögen liquide halten

Wie viel der Euro wirklich wert ist
Euro oder Gold
Der Euro im Währungsmix...
...und gegenüber dem DollarGemessen an der US-Währung hatte der Euro einen schwachen Start – dann stieg er kräftig an und erreichte im April 2008 mit fast 1,60 Dollar seinen höchsten Wert. Doch mit Ausbruch der Finanzkrise sackte er ab.
Bislang kein Teuro
Schwellenländer holen aufDie Währungen der BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) gewinnen an Bedeutung. Der Euro wertete seit Ausbruch der Krise gegenüber diesen Währungen ab (Index 2000 = 100; Quelle: Thomson Reuters).

Wie geht es jetzt weiter an den Märkten?

In den nächsten drei Wochen dürfte sich die Krise zunächst wieder zuspitzen: nun kommt es darauf an, wie sich die Europäische Zentralbank verhält: Ringt sie sich zu großanlegten Aktionen durch, oder versucht sie weiterhin zu kleckern? Im letzteren Fall wären Aktien und auch Anleihen keine gute Wahl.

Sind die Banken aus ihrer Sicht genügend auf solche Extremszenarien vorbereitet?

Die Banken nicht, weil sie es gar nicht können, aber die Zentralbanken sind darauf vorbereitet. Wenn es in den nächsten Wochen oder Monaten zum Gau, das heißt zu einem Euroaustritt Griechenlands mit anschließendem Übergreifen auf Italien, Spanien usw. kommt, wird die EZB massiv eingreifen. Das weiß sie auch und hat entsprechende Pläne, dessen bin ich sicher. Ein solches Szenario ist ja auch unter einer neuen griechischen Regierung noch denkbar, darüber sollten wir uns wie gesagt vom Wahlausgang nicht täuschen lassen.

Viele fürchteten sogar einen Bankrun und um die Sicherheit ihrer Bankeinlagen.

Dazu wird es aber nicht kommen, weil die EZB, egal, was sie heute sagt, vorher massiv intervenieren und alle Spareinlagen garantieren, sowie die Banken mit Liquidität regelrecht fluten würde. Sie hat dazu auch gar keine Alternative. Die US-Zentralbank Fed hat 2008, um einen Crash des Finanzsystems zu verhindern, insgesamt mehr als 8000 Milliarden Dollar ins System gepumpt; verglichen damit sind die so genannten Dicken Berthas der EZB noch winzig. Auch die japanische Notenbank und die Bank of England haben ganz andere Summen in die Krisenbekämpfung gesteckt als die EZB.

Droht damit nicht Inflation?

Zunächst muss man den brennenden Dachstuhl retten, erst danach kann man sich Gedanken darüber machen, ob das Löschwasser vielleicht langfristig Schimmel in den Wänden verursacht. Außerdem landen die Geldmittel noch nicht im Konsum, also werden wir erst von Inflation reden, wenn erhebliche Anstrengungen für Wachstum gemacht werden. Bisher reden wir ja nur vom Sparen.

Viele Leute dürften dies als zynische Verharmlosung werten.

Sie haben sich dann eben noch nicht genügend Gedanken um die Nachteile der Alternativen gemacht. Wollen sie lieber eine Depression wie in den 1930ern mit 35 Prozent Arbeitslosen? Dann sollten sie eine weiterhin abwartende Haltung der EZB befürworten.

Wie sollten sich Anleger verhalten? Sollen sie sich Notgroschen in anderen Währungen, etwa Norwegen-Krone, Franken oder Dollar zulegen?

Nur mit einem kleinen Teil des Geldes... Die meisten Währungen sind viel zu klein, um als Ersatz für den Euro zu taugen, sollte der wirklich schnell und dynamisch seinen Außenwert verlieren. Der Schweizer Franken etwa macht nur 0,4 Prozent der weltweiten Währungsreserven aus, der könnte größere Kapitalflüsse niemals aufnehmen. Das selbe gilt erst recht für Krone und auch australische oder kanadische Dollar. Der US-Dollar wiederum steht langfristig meiner Meinung nach vor noch größeren Problemen als der Euro, er taugt allenfalls als kurzfristiger Hafen für ganz, ganz Vorsichtige.

Sollten sie auf dem aktuellen Niveau noch Gold kaufen?

Ja, wer noch keines hat, auf jeden Fall. Aber auch hier gilt; nicht übertreiben; auch Gold macht erhebliche Schwankungen mit. Wenn die EZB sich so verhält, wie wir glauben, sprich: stärker interveniert und auch die USA weiter dasselbe tun, wird Gold noch eine Weile davon profitieren. Aber es besteht auch eine realistische Gefahr - wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit - dass die europäische Notenbank weiter zögert und zaudert. Das Potenzial von Gold im dann unvermeidlichen Depressions-Szenario halte ich für begrenzt. Dann kann es auch schnell zu herben Verlusten kommen, weil alle plötzlich wieder Bargeld brauchen.

Was sollen Anleger sonst tun?

In der derzeit unübersichtlichen Situation: einen Großteil ihres Vermögens liquide halten, auch, wenn es keine Zinsen bringt. Um die Inflation und die langfristig verheerenden Auswirkungen der negativen  Realzinsen kann ein Privatanleger sich immer noch kümmern, wenn sie denn kommt. Derzeit geht es vielmehr darum, zu verhindern, dass das Geld vorher schon verzockt wird, also: kurzlaufende sichere Anleihen, Gold, und solide Aktien sind immer noch der beste Mix. Die Krise wird uns in den kommenden Jahren zwar noch begleiten, aber die Welt wird nicht untergehen. Es werden noch Chancen mit Aktien kommen, dann braucht man die Liquidität, um sie nutzen zu können, nicht jetzt.

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