Jetzt ist wieder alles im Lot? Der Zins der zehnjährigen Bundesanleihe liegt nur bei 0,60 Prozent.
Die Renditen sind dahin gestiegen, wo sie auch hin müssen – theoretisch können sie sogar noch ein Stück höher klettern. Insofern rückt der Zeitpunkt für den Wiedereinstieg näher. Wir sagen unseren Kunden, den ersten Schritt in den Markt zu machen, bedeute noch lange nicht, dass man alles investieren muss. Im institutionellen Markt gibt es eine 20-20-Regelung, also für 0,20 Prozentpunkte mehr Anleiherendite jeweils zwanzig Prozent der geplanten Liquidität zu investieren. Dann bin ich von der aktuellen Basis aus nach einem Renditeanstieg um ein Prozent auch vollständig investiert. Das ist mental manchmal nicht ganz einfach umzusetzen, aber besser, als den Einstiegszeitpunkt zu verpassen.
Ist diese Strategie, in Schritten vorzugehen, die übliche Vorgehensweise?
Ja – und das auch zu Recht. Ich bezweifle, dass das Gros der Investoren in die Anleihenmärkte hineinspringt. Da ist die Angst viel zu groß, dass die Kursverluste noch viel weiter gehen könnte. Gerade nach dem starken Renditeanstieg von Mitte April bis Juni war die Zurückhaltung enorm. Der Mensch agiert aufgrund seiner Psyche recht zyklisch. In so ein fallendes Messer reinzugreifen, fällt den Investoren schwer. Für sich wartet jeder Investor darauf, dass der Markt seinen zyklischen Wendepunkt hinter sich lässt. Das halte ich für eine relativ schwierige Strategie. Die Zinsen werden nicht ins Unendliche steigen, nicht mit einer Notenbank, die per se noch über eine gewisse Zeit die Zinsen niedrig halten wird.
Womit rechnen Sie also bei Anleihen?
Mittelfristig folgen die Staatsanleihen dem konjunkturellen Trend und der ist aufwärts gerichtet. Vor diesem Hintergrund können wir uns für deutsche Bundesanleihen einen moderaten Renditeanstieg auf 1,00 bis 1,25 Prozent vorstellen. Dann aber wäre der zyklische Höhepunkt schon wieder erreicht.
Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt einmal jährlich im Auftrag von pro aurum die Deutschen nach ihren Anlagestrategien. Hier die Ergebnisse vom Juni 2015 - im Vergleich zu den Vorjahren. Zuerst wurden den Bürgern fünf Geldanlagen genannt, mit der Bitte, anzugeben, welche davon aus ihrer Sicht derzeit am besten als langfristige Geldanlage mit mindestens drei Jahren Laufzeit geeignet ist.
Gold platziert sich zum fünften Mal in Folge an erster Stelle, diesmal allerdings deutlicher vor Aktien, die seit 2011 Zuwächse erzielten, aber aktuell in der Anlegergunst gesunken sind: 30 Prozent der Bürger würden sich heute für Gold entscheiden, weil sie vermuten, dass diese Anlage nach mindestens drei Jahren Laufzeit im Vergleich zu den vier anderen Geldanlagen den meisten Gewinn bringt. Gold konnte somit um zwei Prozentpunkte zulegen.
Nur noch 23 Prozent halten Aktien für besonders lukrativ, wenn es um langfristige Geldanlagen geht. Im Vorjahr hatte dieser Wert mit 27 Prozent offenbar einen Gipfel erreicht.
Es folgen Fondsanteile mit zwölf Prozent. Fonds sind in der Gunst der Anleger wieder leicht gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 hatte dieser Wert mit 13 Prozent noch ein Hoch erreicht, war aber 2014 auf elf Prozent zurückgefallen.
Fest- beziehungsweise Termingeld hielten sieben Prozent der Befragten für die lukrativste langfristige Geldanlage. Seit 2011 ist diese Anlageklasse deutlich ins Hintertreffen geraten, damals glaubten noch 22 Prozent der Befragten, Termin- und Festgelder würden auf drei Jahre betrachtet den meisten Gewinn abwerfen.
Drei Prozent nannten Anleihen als aussichtsreichste Anlageklasse, im Vorjahr waren es nur zwei Prozent. Anleihen spielen somit für Privatanleger praktisch keine Rolle. Ernüchternd: Knapp jeder vierte Bürger (24 Prozent) kann nicht sagen, welche dieser Anlagen am besten geeignet wäre, um langfristig möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Angaben "weiß nicht" oder "keine davon" kamen bereits in den Vorjahren ähnlich häufig vor.
Und womit rechnen Sie am Aktienmarkt?
Auf der Aktienseite sehe ich das umgekehrte Szenario. Die Aktienmärkte sollten von der konjunkturellen Erholung profitieren – in Europa sogar noch stärker als in Übersee. Damit wäre für Dax und EuroStoxx der Weg frei für eine rasante Kursrally in diesem Jahr.
In dem Maß, wie die Sorgen um Griechenland nach der Einigung geschwunden sind, scheinen sie aber in Bezug auf Chinas Wirtschaft, die global viel bedeutsamer ist, zuzunehmen. Würgt China den Aktienboom in Europa gerade ab?
Davon gehen wir nicht aus. Wir sehen im jüngsten Aktienmarkteinbruch in China eine notwendige Korrektur, die zum Abbau von Übertreibungen beiträgt. Die negativen Folgen für die Realwirtschaft dürften sich in Grenzen halten. Ebenso sehen wir kaum Ansteckungsgefahren für die internationalen Finanzmärkte. Wir erwarten vielmehr eine zyklische Wiederbelebung der chinesischen Konjunktur im zweiten Halbjahr.
Die starken Schwankungen am Aktienmarkt machen es Anlegern schwer, eine Richtung auszumachen. Was können Sie Ihnen raten?
Was im Aktienmarkt jetzt passiert, ist das Ergebnis einer Risikostreuung: Die Korrekturen sind eher technischer Natur und sind nicht durch fundamentale Wirtschaftsdaten begründet. Insofern sind die korrigierten Aktienmärkte im Moment eher auf einem Einstiegsniveau. Wir empfehlen unseren Kunden, eine Stabilisierung in China zu nutzen, um in den nächsten Wochen wieder konsequent die Aktienpositionen aufzubauen.
Welche Vermögensaufteilung verfolgen Sie derzeit?
Dort, wo wir es uns aussuchen und Aktien sowie Anleihen frei gewichten können, sind wir faktisch wie ein Anleihefonds mit kurzen Restlaufzeiten investiert. Wir haben die Aktienbestände verkauft und ein Zinsänderungsrisiko von etwa zwei Jahren. Die Gründe dafür waren aber unterschiedlich. Wir glauben einfach nicht, dass der Renditeanstieg schon zu Ende ist. Deshalb haben wir die Anleihebestände weitgehend über Zins-Futures abgesichert. Bei steigenden Renditen fangen wir wieder an, die Absicherungen aufzulösen und die Laufzeiten sukzessive zu erhöhen, ohne auf die letzte Renditestelle nach dem Komma zu warten. Dass wir in Aktien derzeit nicht investiert sind, steht im Widerspruch zu unserer mittelfristigen konjunkturellen Meinung. Es ist einzig und allein eine Maßnahme der Risikobegrenzung.