Geldmanager Jens Ehrhardt "Den Dax würde ich nicht mehr kaufen"

Der beste Zeitpunkt für den Börseneinstieg ist vorbei. Der Anlageprofi Jens Ehrhardt erklärt, warum Aktien langfristig trotzdem in jedes Depot gehören.

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Obwohl die EZB weiter Geld drucken will, ist die Deflationsgefahr nicht gebannt. Mit welchen Aktien Sie trotz Deflation durchstarten können.
von Sebastian Kirsch

WirtschaftsWoche: Herr Ehrhardt, der Dax hat die 10.000 Punkte erreicht. Kommt die nächste Stufe der Rally?

Ehrhardt: Man sollte diese runden Marken nicht unterschätzen. Sie sind oft zähe Widerstände; fallen sie aber, kann darauf ein langer, stabiler Aufwärtstrend folgen, weil mehr Leute ermutigt werden, Aktien zu kaufen. Zauderer sehen: Die Marke hält, sie legen ihre Bedenken ab. Beim Dow Jones zumindest war es so. Der Dow nahm drei Anläufe und brauchte zehn Jahre – 1972 bis 1982 –, um die damals gigantisch erscheinende Marke von 1000 Punkten zu überwinden.

1982 stand die Weltwirtschaft am Beginn des Globalisierungsbooms, die Börsen profitierten vom Abbau von Handelsbeschränkungen.

Insofern ist das schwer mit der heutigen Situation vergleichbar, schon richtig. Vor allem waren Aktien damals billig; nach der langen Seitwärtsphase von 1966 bis 1980 gab es viele Papiere mit einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) und hohen Dividendenrenditen.

Das ist heute anders?

Ja, Aktien sind im historischen Vergleich nicht mehr günstig. Die KGVs sind zwar noch nicht so hoch wie in echten Blasenzeiten. In Deutschland hatten Aktien 1999/2000 ein durchschnittliches KGV von fast 45; zehn Jahre davor, in der japanischen Spekulationsblase, waren die Werte in Tokio sogar noch teurer. Heute liegen die Bewertungen eher im historischen Mittel oder leicht darüber. Aber: Die Kurse sind jetzt mehr als zwei Jahre lang gestiegen, während die Unternehmensgewinne stagniert haben. Das macht sich in gestiegenen Bewertungen bemerkbar. Wirklich günstige Aktien findet man kaum noch. Vor allem arbeiten die meisten Unternehmen schon mit rekordhohen Gewinnmargen, das macht ihre Gewinne anfällig und die Aktien verwundbar. Trotzdem können die Kurse, unter dem Gesichtspunkt der Bewertungen, gut und gerne noch 20, 30 Prozent steigen, bevor es wirklich bedenklich wird.

Zur Person

Was macht Sie da so zuversichtlich?

Erstens ist die Stimmung noch nicht euphorisch genug, es ist keine Hausfrauen- oder Taxifahrer-Hausse wie Ende der Neunzigerjahre. Damals redete alle Welt von Aktien; Börsenlaien verschuldeten sich, um Aktien auf Pump zu kaufen. Die Unternehmenschefs vom Neuen Markt waren Popstars, es herrschte Goldgräberstimmung. So weit sind wir bei Weitem nicht. Die Aktie gilt breiten Anlegerschichten noch immer als riskant, übrigens nicht nur Kleinsparern, sondern besonders auch den Großen, wie etwa Versicherungen.

Also fehlt noch das große Finale vor dem nächsten Crash?

Ich denke schon. Zudem enden die meisten lang anhaltenden Haussen nicht, weil den Marktteilnehmern auf einmal dämmert, dass Aktien zu teuer seien und sie anfangen zu verkaufen.

Nicht? Viele glauben das.

Das wird meist als Erklärung im Nachhinein für einen Abschwung angeboten. Eine fundamentale Überbewertung ist fast nie der Auslöser einer Talfahrt.

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