Wo werden die Renditen zuerst nach oben drehen, in Deutschland oder in den USA?
In Deutschland. Ich gehe davon aus, dass sich Europa im Laufe der nächsten Jahre vom Projekt Euro verabschiedet. Dann hört die Kapitalflucht nach Deutschland auf und die nationalen Währungen kommen zurück. Dann kann es sein, dass für eine gewisse Zeit eine neue D-Mark, oder wie die neue Währung auch heißen mag, auch tiefe Zinsen hat. Die heutige Zinssituation ist absolut unnatürlich. In dieser ganzen Phase der europäischen Unsicherheit werden wahrscheinlich die USA der bevorzugte Zufluchtsort sein.
Das findet übrigens schon heute statt, weil ein Teil der Fluchtgelder aus der Peripherie auch in den Dollar drängt. So gesehen wird eigentlich der Dollar die neue Zufluchtswährung. Der Dollar wird fester und die Zinsen in Amerika fallen. Erst mit etwas Verzögerung wird man feststellen, dass auch die USA auf Dauer kein geeigneter Zufluchtsort sind. Dann fließt das Geld in Häfen, die längerfristig bessere Renditen und mehr Stabilität versprechen. Das könnten dann einige Schwellenländer sein. Aber es ist noch zu früh, diese heute schon zu definieren.
Werden die Renditen in den USA im Verlauf des Jahres in Richtung ein Prozent fallen?
Davon gehe ich weiter aus. Als ich das beim Roundtable des US-Anlegermagazins „Barron‘s“ im Januar gesagt habe und zehnjährige US-Treasuries bei 2,2 Prozent Rendite zum Kauf empfohlen habe, haben meine Kollegen mit dem Kopf geschüttelt und mich ungläubig angeschaut. Inzwischen ist die Rendite auf 1,7 Prozent gesunken...
...und die Kurse der Staatsanleihen sind entsprechend gestiegen.
Neben der Kapitalflucht wirkt noch ein anderer Effekt. Im Kreditsystem wird heute nur noch gegen Sicherheiten Geld ausgeliehen. Doch es gibt immer weniger Wertpapiere auf der Welt, die als Sicherheiten akzeptiert werden. Solange das System noch hält, gibt es eine künstliche Verknappung vermeintlich erstklassiger Papiere. Dazu zählen US-Treasuries und deutsche Bundesanleihen. Relativ gesehen zur weltweiten Kreditpyramide gibt es immer weniger solcher Papiere.
Viele Ökonomen haben nicht vor der Krise gewarnt, aber alle produzieren jetzt Lösungsvorschläge. Willem Buiter, der Chefökonom der Citigroup, spürt offenbar so starken deflationären Druck, dass er von den Notenbanken fordert, das Geld notfalls mit Hubschraubern abwerfen zu lassen, um die Wirtschaft zu stimulieren. Was halten Sie von der Idee?
Sie ist unsinnig und verantwortungslos. Wir haben gesehen, was diese großen Geldschöpfungen bringen, nämlich nichts. Auch der konjunkturelle Aufschwung, den wir hatten, war kein Resultat geldpolitischer Übungen, sondern von fiskalpolitischen. Mit neuen Schulden wurde kurzfristig Wachstum erkauft. Dafür hat man jetzt noch mehr Schulden. Sie können die Schuldenproblematik nicht mit noch mehr Schulden bekämpfen. Das ist Unsinn. Man will die Medizin, also die Restrukturierung von verschuldeten Wirtschaftssubjekten nicht, weil damit zu viele Schmerzen verbunden sind. Wenn ein Kranker aber eine Therapie verweigert, muss er zu einem späteren Zeitpunkt eine möglicherweise tödliche Operation ertragen.
Warum lehnen viele Ökonomen die Vergabe der richtigen Medizin ab?
Das sind schon alles intelligente Leute, aber die vertreten irgendwelche Interessen, wenn es auch nur der eigene Stuhl ist, den man retten will.
Wer Geld anzulegen hat, hat heutzutage ein Problem.
Das ist so. Mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte hat jeder natürlich den Ehrgeiz, eine gute Rendite zu erarbeiten. Aber heute geht es nicht mehr um Rendite. Es geht darum, das Kapital zu erhalten und über die Runden zu bringen. Auf uns kommt eine völlig neue Welt zu. Es wird eine sehr dirigistische Welt sein. Die Regierungen werden totalitärer werden. Der freie Kapitalverkehr wird wahrscheinlich zu Ende gehen oder zumindest massiv eingeschränkt werden. Anleger sollten sich daher einige elementare Fragen stellen.