Und was passiert in den Schwellenländern?
Das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft hat sich dramatisch verlangsamt. Die publizierte Wachstumsrate von zuletzt acht Prozent ist weit höher als die tatsächliche. Ich gehe davon aus, dass China nur noch bescheiden wächst. Das sieht man auch am Elektrizitätsverbrauch, der praktisch nicht mehr zunimmt. Aufs Jahr gerechnet sind das noch 0,7 Prozent Wachstum. So gesehen stagniert die chinesische Volkswirtschaft.
Wird China wieder große Stimulierungsprogramme auflegen?
Nein. Die Regierung hatte damit völlig übertrieben, aber jetzt eingesehen, dass die letzten Konjunkturprogramme eigentlich kontraproduktiv waren. Man hat sich langfristige Probleme eingehandelt, etwa einen überhitzten Immobilienmarkt, und soziale Konflikte angeheizt. Die Regierung wird eingreifen, um das System nicht kollabieren zu lassen, aber geordnet und relativ spät. Große Programme wird es nicht geben.
Was bedeutet das für Aktien?
Die Schwellenländer, die Lieferanten von Rohstoffen, die Zulieferer der Investitionsgüter und Halbfertigprodukte werden weniger verkaufen. Die Folge sind schwächere Unternehmensgewinne und Druck auf die Gewinnmargen. Der Aktienmarkt quittiert das in der Regel mit Kursabschlägen.
Also sollten Anleger jetzt besser keine Aktien kaufen?
Aktien sind interessant, man muss langfristig welche haben. Aber ich gehe davon aus, dass die nächsten zwölf bis 18 Monate für Aktien sehr gefährlich werden. Aktuell notieren viele auf hohem Niveau. Da drohen Abstürze, vor allem im nächsten Jahr.
Immer mehr Anleger erinnern sich an die Nifty-Fifty aus den frühen Siebzigerjahren und schwören wieder auf Blue Chips globaler Konzerne mit großer Preismacht, einer soliden Bilanz und sicheren Dividenden. Stimmt dieser Ansatz?
Die Strategie ist eigentlich richtig, aber sie schützt nicht vor großen Kursverlusten. Wir gehen von der alten Welt, die von großen Exzessen geprägt, aber eine sehr freie Welt war, in eine neue Welt, die dirigistisch und totalitärer wird. In diesem Umfeld werden sich Großkonzerne mit starken Marktstellungen und Produktionsanlagen in allen Ländern dieser Welt besser behaupten können. Sie haben Verhandlungsmacht auch gegenüber den Regierungen. Beim Übergang von der alten in die neue Welt ist der Besitz solcher Aktien eine kluge Idee. Das Problem ist, dass wir derzeit in einem Ausscheidungsrennen stecken.
Von 45 Aktienmärkten, die ich statistisch verfolge, weisen weniger als 30 Prozent einen steigenden 200-Tages-Durchschnitt auf. Nach einer einfachen, aber bewährten Regel, befinden sich also über 70 Prozent in einem Bärenmarkt. Und mit Blick auf einzelne Aktien ist das genauso. Immer weniger Aktien sind in einem Bullenmarkt. Am Schluss korrigieren dann auch die Henkels, Beiersdorfs, Coca-Colas und Apples dieser Welt – und zwar massiv. Auch solche Werte werden im Verlauf der kommenden zwölf Monate stark unter Druck kommen. Jetzt ist nicht die Zeit, um große Aktienbestände zu fahren. Ich erwarte aber, dass wir nächstes Jahr interessante Kaufmöglichkeiten bekommen werden.