Geldprofi Felix Zulauf "Unendliches Leid über Europa"

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Der Prozess ist noch lange nicht beendet

Wird Griechenland aus dem Euro und in die Pleite entlassen?

Die Stimmung hat gedreht. Hinter der Kulisse wird der Austritt von Griechenland vorbereitet. Und ich gehe davon aus, dass Griechenland noch in diesem Jahr zum zweiten Mal zahlungsunfähig wird.

Stehen wir erst am Anfang einer Phase mit Staatsbankrotten und Austritten aus der Währungsunion?

Ja, dieser Prozess ist noch lange nicht beendet. Griechenland allein wäre ja noch überhaupt kein Problem für Europa und die Eurozone, aber es ist eben nur der Anfang eines Problems, das sich unter der Oberfläche massiv ausweitet. Griechenland wird vermutlich im zweiten Halbjahr als erstes Land die Eurozone verlassen. Im nächsten Jahr folgen weitere Länder, zunächst wahrscheinlich Portugal und Irland, aber dann kommt Spanien. Die Frage ist, ob die Eurozone bereit ist, das Projekt Euro zu beerdigen und zurück zu nationalen Währungen zu gehen.

Wird sie das?

Ich vermute, dass wird noch nicht passieren. Die Politik hängt derart an diesem Fantasieprojekt, dass sie es vor sich her trägt wie ein Dogma, koste es, was es wolle. Es wird unendliches Leid über Europa gebracht. Die Krise wirkt fast so wie ein Krieg. Sie zerstört wirtschaftliche Strukturen, Unternehmen und Existenzen. Hier spielt sich ein Drama ab. Möglicherweise kommt Italien noch in eine ähnliche Zwangslage wie Spanien, möglicherweise auch noch Frankreich. Frankreich ist, wenn es sich Reformen verweigert, noch stärker gefährdet als Italien.

Warum wurde die Sprengkraft des spanischen Immobilienmarktes so lange ignoriert?

Die Manager-Elite agiert heute sehr kurzfristig. Vorstände stehen unter Druck, ihren Aktionären Gewinne zu präsentieren. Ich habe einmal mit dem Vorstandschef einer europäischen Großbank diskutiert, ob eine Bank nicht ihr Geschäft bremsen müsste, sobald am Horizont Probleme auftauchen, zum Beispiel eine Immobilienkrise. Der Bankchef sagte, wenn er zu früh bremse, verliere er seinen Stuhl. Wer eine Welle länger mit reitet, holt kurzfristig eben mehr für seine Aktionäre heraus.

Und wenn er zu spät bremst?

Dann verliert die Bank Geld und Vermögen und er verliert möglicherweise ebenfalls seinen Stuhl. Es ist also eine Frage des Timings.

Kein gutes Timing hatten vor allem die spanischen Sparkassen. Statt bei der Vergabe von Immobilienkrediten zu bremsen, wie es etwa die Großbanken Santander und BBVA seit 2007 machen, haben sie dann erst kräftig Gas gegeben.

Die beiden Großbanken bringen mehr internationale Erfahrung mit, weil sie ein großes Lateinamerika-Geschäft haben und auch in den USA aktiv sind. Sie haben die Gefahren früher erkannt. Die lokalen Institute und Provinzbanken haben diese Erfahrung nicht.

Die Regierung zwingt sie jetzt, Kredite zu kündigen und ihre Immobilien zu verkaufen.

Damit wird die zweite Phase des Immobiliendebakels eingeleitet. Wenn um jeden Preis verkauft werden muss, stürzen die Immobilienpreise in Spanien vom heutigen Niveau nochmals um 40 bis 50 Prozent ab. Dann werden auch Kredite faul, die sonst vielleicht nicht faul geworden wären. Diese Abwärtsspirale befördert das gesamte spanische Bankensystem in die Pleite. Es führt kein Weg vorbei an großen Verstaatlichungen spanischer Banken.

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