Geldprofi Felix Zulauf "Unendliches Leid über Europa"

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Staatsanleihen und eine Portion Gold

Wachstumsstrategien für Europa
François Hollandes Mission lässt sich auf einen kurzen Nenner bringen: Wachstum. Der neue französische Präsident hat sich zum Ziel gesetzt, Europa die seiner Meinung nach einseitige Ausrichtung auf die Sanierung der Staatsfinanzen auszutreiben und den Kontinent damit aus der Wirtschaftskrise zu führen. Das Thema ist keine Erfindung Hollandes - die EU-Regierungschefs haben sich immer wieder damit beschäftigt, wie der Kontinent Rezession und Arbeitslosigkeit entrinnen kann. Aber die Debatte um die richtige Strategie erhält durch die Wahl des Sozialisten eine ganz neue Dynamik. Quelle: dpa
Die Leitfrage dabei lautet: Wie lässt sich die Wirtschaft ankurbeln, ohne dafür viel Geld in die Hand zu nehmen? Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme gelten nicht als Option - schließlich sind die Staatskassen leer. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso propagiert daher, "auf wachstumsfreundliche Art und Weise zu sparen". Nach Ansicht vieler Ökonomen lässt sich die Konjunktur nur dann ankurbeln, wenn Wirtschafts- und Finanzpolitiker sowie Notenbanker einige bislang als unantastbar geltende Prinzipien aufgeben. Quelle: dpa
1. Weniger SparenDie heftigen Sparprogramme in Griechenland, Spanien, Italien und Co. sind nach ihrer Einschätzung Teil des Problems, nicht Teil der Lösung: „Der derzeitige Austeritätskurs ist zu hart“, sagt der Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn. Die Sparziele sollten auf vier bis fünf Jahre gestreckt werden. Ähnlich argumentiert Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank: „Wer Wachstum will, darf die Austeritätspolitik in den Krisenländern nicht übertreiben.“ Quelle: dapd
Barroso setzt dabei unter anderem auf die von ihm vorgeschlagenen Projektbonds. Damit will die EU-Kommission dieses und nächstes Jahr private Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte in den Bereichen Verkehr und Energie anstoßen. Die EU selbst soll die privaten Investitionen mit 230 Millionen Euro ins Rollen bringen. Quelle: dapd
2. Unkonventionelle GeldpolitikDie Europäische Zentralbank kann nach Auffassung von Ökonomen mehr für das Wachstum tun. Die EZB sei deutlich restriktiver als die Notenbanken in vielen anderen Industrieländern, betont etwa Patrick Artus, Chefvolkswirt der französischen Investmentbank Natixis. So seien die kurz- und langfristigen Zinsen nach Abzug der Inflationsrate deutlich höher als in den USA oder Großbritannien. Um Abhilfe zu schaffen, könnte die EZB die Leitzinsen von derzeit einem Prozent auf die Untergrenze von null senken - so, wie es die Zentralbanken in den USA und in Großbritannien schon vor mehreren Jahren getan haben. Quelle: dpa
Noch wichtiger ist nach Ansicht vieler Beobachter aber, dass die EZB die Panik auf dem Markt für Staatsanleihen bekämpft - indem sie signalisiert, dass sie im äußersten Notfall als Käufer agiert. Europas Kernproblem sei die Gefahr, dass die kleineren Länder größere Staaten wie Italien anstecken, so Schmieding. „Das Risiko einer Finanzmarktpanik könnte die EZB mit solch einer Ankündigung in den Griff bekommen“, glaubt der Volkswirt. An den Finanzmärkten würden die Risikoaufschläge sinken, Staaten wie Unternehmen könnten sich leichter refinanzieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde die EZB eine solche Ankündigung gar nicht einlösen müssen, sagt IMK-Chef Horn: „Das ist wie im Kalten Krieg: Da hat es gereicht, seine Atomwaffen zu zeigen.“ Quelle: Reuters
3. Sanierung der BankenEin stabiles, funktionierendes Bankensystem ist Grundvoraussetzung für eine prosperierende Volkswirtschaft - viele Geldinstitute in der Euro-Zone gehen aber nach wie vor am Stock und zaudern bei der Vergabe von Krediten. „Wir brauchen dringend eine Sanierung und Rekapitalisierung der Banken“, betont Oxford-Professor Clemens Fuest. „So kann die Politik einen katastrophalen Absturz der europäischen Wirtschaft verhindern.“ Zudem brauche die Währungsunion eine einheitliche Bankenaufsicht und Regeln dafür, wie in Schieflage geratene Banken saniert werden. Quelle: Reuters

Welche?

In welcher Region will ich zuhause sein? Wo sind die Schmerzen am geringsten, die auf mich zukommen? In welcher Währung will ich engagiert sein? Mit welchen Vermögensklassen kann ich am besten überleben? Das höchste Gut ist eigentlich, handlungsfähig und geistig beweglich zu sein, um auf die sich immer wieder neu ergebenden Umstände reagieren zu können.

Welche Vermögensklassen helfen dabei?

Seit vielen Jahren empfehle ich, einen kleinen Aktienbestand zu halten, aber eher um mit Aktien mittelfristige Kursschwankungen auszunutzen und damit langfristig einen Bestand an unternehmerischer Substanz zu besitzen. In großem Umfang habe ich Staatsanleihen empfohlen von so genannten erstklassigen Schuldnern – und eine Portion Gold. Das finde ich immer noch richtig.

Keine Immobilien?

Man kann auch Immobilien halten. Aber besser in Staaten, denen man zutraut, dass sie nicht totalitär werden. Es wird neue Steuern geben, weil die Staatskassen ja leer sind. Der Staat aber kann sich Geld nur dort holen, wo es welches zu holen gibt und das nicht flüchtet. Ich kann mir vorstellen, dass es in Deutschland eines Tages in größerem Ausmaß eine Besteuerung von Immobilienbesitz geben wird. Das Eigenheim wird vielleicht geschont werden, aber zusätzlicher Immobilienbesitz vermutlich nicht.

Wie entwickelt sich der Goldpreis?

Ich sehe Gold nach wie vor in einem langfristigen Aufwärtstrend. Der Goldpreis ist seit seinem Hoch bei über 1900 Dollar pro Unze im vergangenen September in einer zyklischen Korrektur. Diese wird vermutlich im Lauf dieses Sommers enden, wenn der Austritt Griechenlands aus dem Euro kommt.

Warum sollte ausgerechnet ein Austritt Griechenlands der Auslöser sein?

Ein Austritt Griechenlands dürfte von den Märkten zunächst gefeiert werden nach dem Motto: Endlich sind wir dieses Problem los. Danach werden die Märkte heftig überrascht werden, weil der nächste Aussteiger schon in der Schlange steht. Temporär wird in dem dann angerichteten Chaos die Notenbank wieder einspringen müssen. Zudem wird man in Amerika mit Blick auf den Wahltermin möglicherweise versuchen, die Aktienmärkte durch neue Notenbankenprogramme wieder etwas nach oben zu schieben. Die könnten dann der Auslöser sein für die nächste zyklische Avance von Gold.

Die US-Schuldengrenze sollte ursprünglich bis 2013 nicht überschritten werden. Was passierte, wenn die Grenze schon im Spätsommer, also zum Höhepunkt des Präsidentschaftswahlkampfs, erreicht wird?

Dann wird die Schuldengrenze einfach nach oben geschoben. Das sind Kleinigkeiten, semantische Dinge. Die hohe Politik hält sich doch schon lange nicht mehr an Gesetze und Vorschriften.

In den USA laufen Ende des Jahres Steuererleichterungen und Konjunkturprogramme aus. Von 2013 an starten automatische Ausgabenkürzungen. Wie wird die US-Wirtschaft diese verkraften?

Nach den Wahlen werden die USA versuchen, das Fiskaldefizit von gegenwärtig fast zehn Prozent etwas zu beschränken. Dann wird sich der Kongress mit dem Präsidenten zusammensetzen und sagen: Jetzt sind die Wahlen vorbei, jetzt müssen wir an unserem Haushalt Änderungen vornehmen und das Defizit zurückführen. Sobald die USA die Ausgaben des Staates zurückfahren, geht die Konjunktur in die Rezession. Die US-Konjunktur trägt sich nicht mehr selbst, wie fast überall in der industrialisierten Welt.

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