Geldregen durch Erbschaften So vererbt Deutschland

Die Deutschen profitieren von Erbschaften der ersten Nachkriegsgeneration. Jeder Fünfte erbt künftig mehr als 250.000 Euro. Aber Verteilung und Form des Erbes sind sehr unterschiedlich – aus nachvollziehbaren Gründen.

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Immobilien und Finanzkapital: So vererbt Deutschland.

Deutschland wird zu einem Land der Erben. Die erste Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg die lange Friedensphase nutzen konnte, um sich einen gewissen Wohlstand aufzubauen, hinterlässt selbigen ihren Kindern. Zwei Drittel der Deutschen können sich dabei über eine Erbschaft von mehr als 100.000 Euro freuen, für sechs Prozent der Erben überstieg der Wert des Nachlasses bereits eine Viertelmillion Euro - Tendenz stark steigend.

Diese Zahlen hat eine Studie der Quirin Bank mit dem Markforschungsinstitut YouGov für die Studie „Erbschaften in Deutschland 2017“ ermittelt, für die deutschlandweit mehr als 7400 Interviews geführt wurden und die so für die 16 Bundesländer zu repräsentativen Ergebnissen kommt.

Jeder Dritte hat geerbt

Demnach haben 35 Prozent der Befragten bereits einmal geerbt, bei den über 55-Jährigen liegt dieser Anteil schon bei mehr als der Hälfte. „Die Themen Erben und Vererben werden in Deutschland immer wichtiger“, sagt Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Bank. Die Studie fragte dabei nicht nur nach bereits erhaltenen Erbschaften, sondern auch wie viel die Generation der Erben künftig selbst an die Nachfahren übertragen will. Dafür haben die Studienautoren die Höhe künftiger Erbschaften in zehn Stufen abgefragt, von weniger als 5000 Euro bis hin zu mehr als zwei Millionen.

So viele Deutsche erben mehr als 100.000 Euro

Die Antworten zeigen, dass dem privaten Wohlstand ein deutlicher Schub bevorsteht. Demnach wird im Bundesdurchschnitt jeder Fünfte künftig ein Vermögen von einer Viertelmillion Euro oder mehr für seine Erben hinterlassen. Elf Prozent wollen 50.000 bis 99.000 Euro vererben. Bei je einem weiteren Fünftel soll die Erbschaft unterhalb von 50.000 Euro liegen oder einen Wert von 100.000 bis 249.000 Euro haben.

29 Prozent der Befragten wollten keine Angaben dazu machen, wie hoch der Wert ihres Nachlasses sein dürfte.

Hohe Nachlässe ist Hessen, niedrige in Sachsen-Anhalt

Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Die größten Erbschaften verzeichnet demnach Hessen. Hier gaben 24 Prozent der Befragten an, dass ihre Erbschaft über 100.000 Euro lag. Bayern und Hamburg liegen hier ebenfalls über 20 Prozent. Solche hohe Erbschaften kommen im Saarland (zehn Prozent), in Berlin (acht Prozent) und allen neuen Bundesländern deutlich seltener vor. In Sachsen-Anhalt liegt der Anteil der Erbschaften oberhalb von 100.000 Euro bei nur fünf Prozent, in Sachsen bei sechs Prozent.

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Hessen verfügt als Spitzenreiter bei den hohen Erbschaften mit dem Hochtaunuskreis über eine Region in der Nähe zu Frankfurt mit besonders hoher Millionärsdichte und dem laut GfK höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland.

Auch bei den Erbschaften im Volumen von 250.000 bis 500.000 Euro liegt Hessen mit einem Anteil von sieben Prozent noch vor den Bayern mit sechs Prozent und Hamburg mit fünf Prozent. Insgesamt liegen die Erbschaften in Westdeutschland in 19 Prozent der Fälle oberhalb von 100.000 Euro, in Ostdeutschland ist das nur in sieben Prozent der Erbfälle so.

Viel Vermögen liegt in Immobilien

Die hohen Erbschaften haben ihre Ursache zunehmend in hinterlassenen Immobilien. Dass die Erbschaften im Osten damit niedriger ausfallen, dürfte daher vor allem daran liegen, dass in Ostdeutschland der Anteil vererbter Immobilien noch deutlich unter dem Westdeutschlands liegt. So gaben nur 26 Prozent der Ostdeutschen an, schon eine Immobilie geerbt zu haben. In Westdeutschland ist dieser Anteil mit 37 Prozent deutlich höher.

In beiden Teilen Deutschland wird die Zahl vererbter Immobilien voraussichtlich steigen. So gaben 55 Prozent der Westdeutschen an, Haus, Wohnung oder Grundstück vererben zu wollen. Ostdeutsche Sparer planen dies zu 43 Prozent. Damit dürften es vor allem Immobilien sein, die die künftigen Erbschaften in die Höhe treiben.

Bundesweit gaben 34 Prozent an, bereits eine Immobilie geerbt zu haben, künftig wollen 53 Prozent der Deutschen Haus und Grund vererben. Besonders häufig haben die Rheinland-Pfälzer Immobilien hinterlassen, nämlich zu 46 Prozent. Am seltensten geschah dies bisher in Sachsen bei nur 22 Prozent der Erbschaften.

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Gerechte Verteilung unter Erben und Informationslücken

Nur etwa ein Viertel der Immobilienerben nutzt die geerbte Immobilie selbst, die Mehrheit profitiert somit von Mieteinnahmen oder Verkaufserlösen. Die seit Jahren steigenden Immobilienpreise wirken sich somit stark auf die Höhe der Erbschaften aus. Allerdings konzentriert sich dieser Effekt vor allem auf die Ballungsgebiete und begehrten Großstädte.

Über kaum ein finanzielles Thema wird in Deutschland so oft vor Gericht gestritten wie bei Erbschaften. Dass sich eine Erbengemeinschaft über Verteilung und Verwendung des Erbes einig ist, scheint eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Umso erstaunlicher ist die Einstellung der Deutschen zu einer gerechten Verteilung des Erbes.

„Überrascht hat mich das ausgeprägte Gerechtigkeitsempfinden der Deutschen“, sagt Bankchef Schmidt. „Immerhin die Hälfte spricht sich für ein gleichmäßiges Aufteilen des Erbes unter den Beteiligten aus. Jeder Fünfte findet sogar, dass die, die es nötig haben, mehr bekommen sollten oder sogar alles.“

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Allerdings herrscht beim Thema Erben und Vererben auch noch verbreitet Unsicherheit. Erst 42 Prozent der Deutschen fühlen sich hier ausreichend informiert. „Der Informations- und Aufklärungsbedarf zu Erbschaftsthemen ist enorm hoch. Fast jeder zweite Deutsche fühlt sich dazu nicht ausreichend informiert“, sagt Schmidt. „Damit steigen die künftigen Anforderungen an Bankberater, die zunehmend in die Rolle eines Finanz-Coachs für wichtige Lebens- und Finanzthemen ihrer Kunden hineinwachsen müssen.“

Am meisten interessieren sich die Befragten dabei für das Thema Erbschaftssteuer. Auch bei Testament und Notarpflichten ist der Informationsbedarf hoch.

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