Das Bild wirkt sympathisch: Zwei Hände umfassen ein rundes, rotes Sparschwein mit Schweizer-Kreuz. „Volksvermögen schützen – Ja zur Goldinitiative“. Mit diesem Motiv haben die Initianten des Vorstoßes derzeit die Zürcher Innenstadt vollgepflastert.
Doch das harmlose Plakat täuscht: Dahinter steckt ein brisantes Vorhaben, dass die Gold- und Devisenmärkte durchschütteln könnte. Die Macher der Initiative „Rettet unser Gold“ fordern, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) 20 Prozent ihrer Anlagen in Gold halten muss. Ferner soll sie nie wieder Goldbestände verkaufen dürfen.
Die Goldreserven der Staaten
Goldschatz: 8.133,5 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 75,7 Prozent
Stand: Januar 2014
Goldschatz: 3.387,1 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 72,8 Prozent
Goldschatz: 2.814 Tonnen
Goldschatz: 2.451,8 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 72,1 Prozent
Goldschatz: 2.435,4 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 70,5 Prozent
Goldschatz: 1.054,1 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 1,7 Prozent
Goldschatz: 1.040,1 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 10,6 Prozent
Goldschatz: 1.015,1 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 9,5 Prozent
Goldschatz: 765,2 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 3,2 Prozent
Goldschatz: 612,5 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 59,7 Prozent
Goldschatz: 557,7 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 9,9 Prozent
Goldschatz: 502,1 Tonnen, Anteil an den Währungsreserven: 32,9 Prozent
Und alle Gold-Bestände sollen in der Schweiz gelagert sein. Die Initianten wie der SVP-Abgeordnete Luzi Stamm wollen so einem befürchteten Wertverfall des Schweizer Franken entgegenwirken. „Papier zerfällt, Gold hält“, so sein Wahlspruch. Ein Blick in die Bilanz der Schweizer Notenbank macht die Brisanz des Vorstoßes klar: Sie umfasst derzeit rund 522 Milliarden Franken. Diese aufgeblähte Bilanz ist Folge der Devisenpolitik; denn um den Franken nicht über 1,20 Franken je Euro aufwerten zu lassen, kaufte die Notenbank im Milliarden-Volumen Euro auf. Von dieser Riesen-Bilanz der Notenbank entfallen bisher aber nur rund 40 Milliarden Franken auf Goldbestände von 1040 Tonnen plus Forderungen aus Goldgeschäften.
Die Notenbank müsste also Gold im Wert von 65 Milliarden Franken nachkaufen, um die Anforderungen der Initiative zu erfüllen, bliebe die Bilanz auf dem heutigen Niveau. „Das wären mindestens 1500 Tonnen Gold“, rechnet Carsten Menke vor, Edelmetall-Analyst bei der Privatbank Julius Bär.
Fakten zu den deutschen Goldreserven
Außer der US-Notenbank, die mehr als 8000 Tonnen hat, besitzt keine andere Institution so viel Gold wie die Bundesbank. In einem am Montag veröffentlichten Bericht an der Bundesbank zeigt sich der derzeitige Wert des Goldschatzes: Er beläuft sich auf 3395,5 Tonnen im Wert von rund 150 Milliarden Euro. Genauer gesagt 150,373 Milliarden Euro.
Das meiste Gold sammelte sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren ein. Vor dem Hintergrund des Koreakriegs stieg damals die weltweite Nachfrage nach deutschen Anlagen, Maschinen und Kraftfahrzeugen. Das Ergebnis waren deutlich höhere Leistungsbilanzüberschüsse. Da die Regeln der damaligen Europäischen Zahlungsunion (EZU) bestimmten, dass Schuldnerländer auflaufende Salden durch Goldzahlungen ausgleichen mussten, füllten sich die deutschen Tresore. Zudem kaufte der Internationale Währungsfonds in den Sechzigerjahren für Gold Deutsche Mark in Frankfurt, um die Währungsreserven aufzufüllen. Damit wuchs das Goldvolumen der deutschen Bundesbank übermäßig.
Verwahrt werden die Barren von der Bundesbank in eigenen Tresoren in Frankfurt, aber rund zwei Drittel lagern an drei Stellen im Ausland: bei der US-Notenbank Fed in New York, der französischen Nationalbank in Paris und der britischen Zentralbank in London. Ein großer Teil des Besitzes, aber weniger als die Hälfte, lagert in den USA.
Die Deutsche Bundesbank ist weltweit die einzige Zentralbank, die ihre Goldreserven im Ausland lagert. Hintergrund dafür ist noch immer vor allem der Kalte Krieg. Der Einfall sowjetischer Truppen in Westdeutschland hätte bedeutet, dass die Reserven schnell in Feindeshand gewesen wären.
Hinzu kommt die Idee, das Gold diene der Bundesbank als Reserve. Im Krisenfalle könnte es in New York schnell und einfach als Sicherheit für Dollar-Geschäfte dienen. Ein weiterer Teil des deutschen Goldes lagert in London und Paris. Die Antwort der Bundesbank dazu bleibt aber mehr als schwammig: "Es gibt nach wie vor gute Gründe, das Gold in New York oder London zu lagern.“
Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestages muss die Bundesbank für die Gold-Verwahrung in New York und Paris nichts bezahlen. Dagegen würden in London pro Barren und Nacht 0,035 Pfund fällig. Zudem bestehe kein Versicherungsschutz. Wegen dieser Kosten baut die Bundesbank seit Jahren ihren Bestand in London ab.
Die in Frankfurt verwahrten Bestände bestehen aus 82.857 Barren, die überwiegend in verplombten Containern mit je 50 Barren lagern. Diese werden in vier separat verschlossenen Tresorboxen aufbewahrt. 6183 Barren lagern in Regalen in einem separaten Tresor - der Goldkammer. Zu den Sicherheitsmaßnahmen heißt es: "Der Tresoraußenverschluss steht unter Zweifach-, die Innenverschlüsse und die Goldkammer unter einem Dreifachverschluss."
Anders als bei den Lagerstellen im Ausland hat die Bundesbank die von ihr bewachten Gold-Barren dem Rechnungshof zufolge mindestens einmal gezählt und gewogen. Die Bundesbank hält es nicht für notwendig, die Barren, die im Ausland lagern, selbst zu zählen und den Goldgehalt zu prüfen - sie vertraut dem guten Ruf ihrer Partner-Notenbanken.
Diese Frage geistert seit einigen Jahren durch die deutsche Politik. Tatsächlich hat die Bundesbank 1997 erstmals verliehen, allerdings nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Seit 1999 bezeichnet die Bundesbank aufgrund von EZB-Vorgaben den ehemaligen Posten „Gold“ mit „Gold und Goldforderungen“ unterteilt. Nach einer diesbezüglichen Anfrage des CSU-Politikers Peter Gauweiler gab es dann im November 2010 von Staatssekretär Hartmut Koschyk eine Antwort darauf: „Aktuell ist kein Gold verliehen.“ Das hat die Bundesbank bestätigt. Sie verleiht seit 2008 kein Gold mehr.
Verschwörungstheorien sprechen sogar davon, dass es die Reserven teilweise gar nicht mehr gibt. Nährboden bekommen sie etwa durch die Tatsache, dass die Goldreserven lange nicht mehr in Augenschein genommen wurden. In London oder Paris bekommen selbst Bundestagsabgeordnete keinen Zugang dazu – angeblich weil Besuche organisatorisch nicht möglich seien. Die Gerüchte um diese Frage werden sich deshalb solange weiterranken, bis Einblick gewährt wird. So wie bei den Goldreserven in New York: Während einige Nachrichtenagenturen 2011 mutmaßten, die Tresore seien zur Hälfte geräumt oder gar völlig leer, verlangten Bundestagsabgeordnete vor Ort einen Blick auf die Reserven - aber ihnen wurde der Zutritt ebenfalls verwehrt. Anderslautende Meldungen erwiese sich als Ente. Jetzt muss wohl abgewartet werden, bis die vom Bundesrechnungshof verlangte Inventur und Prüfung des deutschen Goldes durch die Bundesbank abgeschlossen ist.
Die Ankerfunktion für das Währungssystem, wie es sie zu DM-Zeiten noch gab, haben die Goldreserven verloren. Trotzdem lehnt die Bundesbank Goldverkäufe im großen Stil ab, um damit die Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Sie glaubt daran, dass die Reserven vor allem auch eine psychologische Wirkung haben. Die Zentralbank geht davon aus, dass sie damit ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit bewahren besser kann.
Man muss kein Finanzexperte sein, um sich auszumalen, was das für den Goldpreis heißen würde. „Die Annahme der Initiative könnte die Einstellung der Anleger zum Gold ändern“, so Menke. Denn derzeit dominierten am Terminmarkt eher die Goldverkäufe.
Keine Seite hat eine Mehrheit
Die Experten einer großen Schweizer Privatbank sind vorsichtiger: Sie taxieren den unmittelbaren Preiseffekt bei einer Annahme der Initiative auf rund 100 Dollar je Unze; bei einem aktuellen Goldpreis von rund 1228 Dollar je Unze wären das also nicht einmal zehn Prozent.
Sollte die Initiative angenommen werden, müsste die Notenbank auch nicht gleich am Montag darauf die 1500 Tonnen Gold ordern. Die Initiative gibt der SNB insgesamt fünf Jahre Zeit, ihre Bilanz anzupassen – auch das dürfte den Preis-Effekt in Grenzen halten. Nach einer Umsetzungszeit für die Verfassungsänderung von zwei Jahren schließt sich laut Initiative eine Periode von drei Jahren an, binnen derer die Notenbank ihre Goldbestände an die Vorgaben anpassen muss.
Wie Anleger die Geldanlage Gold beurteilen
Die deutliche Mehrheit – 76 Prozent – der Bürger ist der Meinung, dass Gold eine gute Ergänzung zu anderen Geldanlagen ist.
68 Prozent halten Gold für eine sichere Geldanlage.
58 Prozent finden, dass Gold für risikoscheue Anleger geeignet ist.
Der Aussage 'Gold ist zur Zeit eine lohnende Anlage, weil die Kurse steigen werden' stimmt knapp jeder zweite Bürger zu.
Würde die Notenbank ihre Bilanz bis dahin nicht radikal abschmelzen, so müsste sie dann pro Jahr rund 500 Tonnen Gold kaufen. „Das ist so viel, wie alle Notenbanken zusammen im Schnitt pro Jahr kaufen“, so Menke. „Das wäre also ein beachtliches Volumen.“
Ob es wirklich so viel würde, hängt indes auch von den Preisreaktionen ab, die vorab nicht exakt zu prognostizieren sind. Je höher der Goldpreis auf eine Annahme der Initiative reagieren würde, desto weniger müsste die Schweizer Notenbank am Ende Gold kaufen.
Auch wenn alle großen Parteien geschlossen gegen die Initiative sind: Laut der ersten Umfrage des Instituts gfs.Bern für das Schweizer Fernsehen ist nicht ausgeschlossen, dass das Vorhaben durchkommt. Laut der Erhebung seien 44 Prozent der Befragten dafür, 39 Prozent dagegen und 17 Prozent noch unentschlossen. „Keine Seite hat eine Mehrheit, deshalb steht es im Moment unentschieden für die Initiative“, so Claude Longchamp, der Leiter von gfs.Bern.
Sollten die Schweizer wirklich „ja“ zur Gold-Initiative sagen, wär ein steigender Goldpreis programmiert. „Aber der einzige, der davon nichts hat, ist die Schweizer Nationalbank“, so UBS-Experte Tom Flury, „denn sie darf keine Gewinne durch Goldverkäufe realisieren.“