Griechenland-Krise Die Anleihemärkte resignieren

Das politische Chaos in Griechenland verunsichert die Anleger. Was ein Euro-Austritt Griechenlands für die Anleihemärkten bedeuten würde.

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Ein Mann spiegelt sich auf einem Bildschirm an der griechischen Börse Quelle: dapd

Es geht wieder um, das Euro-Krisengespenst: Nachdem die Regierungsbildung in Athen endgültig scheiterte und Staatspräsident Karolos Papoulias Neuwahlen für Mitte Juni ankündigte, rechnen immer mehr Investoren mit einem Euro-Austritt Griechenlands - nehmen die übrigen Schuldenstaaten offenabr gleich in Sippenhaft.

Schlechte Stimmung an Aktienmärkten

Für Spanien hat sich die Lage am Anleihemarkt erneut verschlechtert. Die Rendite für Anleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren kletterte am Mittwoch von 6,322 auf 6,508 Prozent. Damit liegt der Risikoaufschlag zu deutschen Papieren, die immer noch als sehr sicher gelten, bei 5,07 Prozentpunkten - so hoch wie noch nie.

Die Risikoprämie für spanische Anleihen hatte bereits am Vortag einen Rekordstand erreicht. Auch die Prämie für Kreditausfallversicherungen (CDS) für zehnjährige spanische Staatsanleihen stieg auf einen neuen Höchstwert von 504,72 Basispunkten. An der Madrider Börse machte sich Panik unter den Investoren breit. Der führende spanische Aktienindex Ibex fiel im frühen Handel um 111,30 auf 6589 Punkte - auf den niedrigsten Stand seit Juni 2003. Die Aktie des in der vorigen Woche teilverstaatlichten Geldhauses Bankia verbuchte zeitweise mit 10,10 Prozent den stärksten Verlust.

Auch an den Aktienmärkten ist die Stimmung schlecht. Der Dax fiel zeitweise auf dem niedrigsten Stand seit Mitte Januar, ebenso der EuroStoxx50. Die Kurse an der Mailänder Börse sanken auf ein Drei-Jahres-Tief und die Madrider Börse notierte ihren niedrigsten Stand seit Juni 2003.

Auf der Verkaufsliste standen auch die Anleihen anderer hoch verschuldeter Euro-Länder wie Italien, Spanien oder Irland. Der europäische Bankenindex büßte 0,6 Prozent ein. Selbst Rohöl, Kupfer und Co. litten unter der Verunsicherung über die wirtschaftliche Zukunft Europas und unter der Aufwertung des Dollar.

Investoren trennten sich außerdem vom Euro. Die Gemeinschaftswährung fiel auf ein neues Vier-Monats-Tief von 1,2679 Dollar. Die Renditen deutscher Bundesanleihen haben in den vergangenen Wochen ein Rekordtief nach dem anderen markiert. Auf ihrer Suche nach einem „sicheren Hafen“ nahmen Anleger Bundesanleihen mit nur 1,438 Prozent Rendite in ihr Depot - gerade einmal 0,4 Ticks über dem bisherigen Rekordtief.

Auch die Griechen verlieren das Vertrauen: Scharenweise plündern sie ihre Konten, seit Wochenbeginn wurden den Banken so 900 Millionen Euro entzogen. Die fließen jetzt in Bundesanleihen oder schlummern unterm Kopfkissen.

Zahlungsunfähigkeit in Sicht

Börsianer befürchten, dass bei den anstehenden Neuwahlen in Griechenland die Sparkurs-Kritiker weiteren Zulauf erhalten und die neue Regierung den Sanierungspakt mit EU und Internationalen Währungsfonds (IWF) aufkündigt. Investoren gehen davon aus, dass das hoch verschuldete Land damit auf die Zahlungsunfähigkeit zusteuert. „Die unmittelbaren Kosten eines Euro-Austritts wären für Griechenland zwar enorm, aber beherrschbar“, sagte Finanzmarkt-Expertin Michala Marcussen von der Societe Generale. „Unsere Sorge gilt den Ansteckungseffekten. Eine schnelle und kraftvolle Reaktion wäre nötig. Dies ist eine Frage des politischen Willens.“

Das sieht auch Harald Preissler so, Chefvolkswirt bei Bantleon, einem Anleihemanager aus Hannover. „Die Märkte werden momentan im Ungewissen gelassen, wie es weitergeht. Von Seiten der Politik ist es derzeit erstaunlich still. Ohne klare Signale heißt das für viele Anleger, dass sie im Zweifel lieber verkaufen und die Flucht in Bundesanleihen antreten. Und das, obwohl selbst die 30-jährige Bundesanleihe bei lachhaften zwei Prozent rentiert.“

Preissler sieht die aktuelle Marktreaktion auf die gescheiterte Regierungsbildung in Athen als einen Reflex der Anleger, zumal auch die europäischen Konjunkturdaten in den vergangenen Wochen eher schwach waren. Einen Euro-Austritt Griechenlands hält er zu seinem Bedauern für unausweichlich. „Die Situation hat eine gewisse Hoffnungslosigkeit erreicht. Das ist einfach Resignation“, sagt Preissler.

Pleite-Szenario für griechische Banken

Das sind die Schuldenkönige Europas
A general view of the old town of Tallinn, Estonia Quelle: AP
Speaker of the Parliament of Finland Eero Heinaluoma,president-elected Sauli Niinisto, president Tarja Halonen Quelle: dapd
LuxemburgDer kleinste Flächenstaat der Welt hat 2011 nur 0,6 Prozent des BIPs an neuen Schulden aufgenommen. In Euro macht das putzige 253 Millionen Euro. Genauso hoch wie Luxemburgs Neuverschuldung war das operative Ergebnis der VW-Tochter MAN im ersten Quartal 2012. Quelle: dpa
Ein Aufkleber mit der Aufschrift «Made in Germany» und dem EU Symbol klebt auf einem Solarkollektor Quelle: dpa
View of the new embassy of Malta in Berlin Quelle: AP
Blick auf das hell erleuchtete Riesenrad im Prater in Wien Quelle: dpa
Europäische Länder-Flaggen hängen schlaff vor dem Europäischen Parlament in Brüssel, Belgien Quelle: dpa

Jochen Felsenheimer, Anleihenexperte bei der Fondsboutique Assénagon Credit Management in München, ist sich da nicht so sicher. Zwar sei durch das ungeschickte Agieren der Politik in den vergangenen zwei Jahren sowie durch die verschiedenen Rettungsmaßnahmen der Euro-Austritt Griechenlands wahrscheinlicher geworden, aber zwingend sei er keinesfalls. „Im Wesentlichen wird es darum gehen, wie der Prozess der Krisenbewältigung abläuft. Ökonomisch ist es aus Sicht der EU vollkommen gleichgültig, ob Griechenland im Euro bleibt oder nicht. Die große Gefahr lauert darin, dass ausländische Investoren das Vertrauen in die gesamte Euro-Zone verlieren und Europa den Rücken kehren.“ Im April hätten ausländische Investoren binnen kurzer Zeit 20 Milliarden Euro allein aus spanischen Staatsanleihen abgezogen, weil das Vertrauen in den Euro schwand. „Die ausländischen Investoren brauchen wir aber zwingend für die Käufe von Staatsanleihen. Ohne sie kann sich kein Euro-Staat auf Dauer refinanzieren.

Keine Auswirkungen auf Banken in Europa

Griechenland ist für Felsenheimer sicher der schlimmste Fall in der Euro-Zone, Irland und Island seien nach ihrer schmerzhaften Bankenkonsolidierung sogar schon fast wieder über den Berg. Einen Euro-Austritt Griechenlands hält er ohne weiteres für verkraftbar. Wenn sich griechische Banken nach einem Währungswechsel in Drachmen refinanzieren müssten, würde das zwar Pleiten und eine hässliche Restrukturierung der Branche nach sich ziehen, monetär seien die Folgekosten und Ansteckungsgefahren für andere Banken in Europa nach dem Schuldenschnitt jedoch beherrschbar. „Wichtiger ist der psychologische Effekt – insbesondere im Ausland. Für Griechenland wäre das katastrophal“, so Felsenheimer. „Hoffentlich verstehen die Griechen, dass die Einhaltung der Sparzusagen zwar schlimm, der Euro-Austritt für sie jedoch viel schlimmer ist. Ohne Euro wird es sehr lange dauern, bis die Griechen wieder zu mehr Wachstum und Wohlstand gelangen.“ Das niemand so recht an eine Zukunft Griechenlands ohne Euro glauben mag, zeigen auch die neuen Anleihen, die nach dem großen Schuldenschnitt an Anleger ausgegeben wurden: Obwohl sie nominell nur noch 47 Prozent der alten Schulden verbriefen, sinkt ihr Wert. Die Hoffnung darauf, dass Griechenland irgendwann seine Schulden begleicht, schwindet weiter.

Was aber würde bei einem Euro-Austritt Griechenlands an den Anleihemärkten passieren? Auch Preissler befürchtet, dass nach dem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone die griechischen Banken pleite gingen, weil sie ihre Euro-Schulden mit der dann schwachen Drachme begleichen müssten und der Staat kein Geld für die Rettung aufbringen kann. Dass hätte sicher auch Auswirkungen auf die übrigen Euro-Länder. „Zwar hat sich das europäischen Bankensystem in den Krisenjahren schon weitgehend entflochten, aber es bleibt dennoch einige Unsicherheit über die Stabilität der Banken und ihre Abschirmungsmaßnahmen.

Bestehender Optimismus

Dennoch bleibt dem Anleiheexperte Grund zum Optimismus. „Ich glaube nicht an eine Krebszelle die sich in der restlichen Euro-Zone ausbreitet“, sagt Preissler. „Im Gegenteil, irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die Investoren denken, jetzt seien alle Schreckensnachrichten eingepreist. Sie werden sich dann fragen, was eigentlich so schlimm an einem Euro-Austritt Griechenlands wäre. Am Ende dürfte sich sogar Erleichterung breit machen – und die Risikoprämien engen sich ein.“

Dennoch: In den von Bantleon betreuten Portfolios sind derzeit Euro-Staatsanleihen – vor allen der Peripheriestaaten – untergewichtet und dafür Unternehmensanleihen sowie Pfandbriefe übergewichtet.

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