Sind die Erdölvorkommen in Mississippi wirklich so werthaltig wie von der OGI erhofft, stünde den Investitionen ja zumindest ein echter Gegenwert gegenüber. Als weitere Sicherheit für die Privatanleger sollen die „Erdöl-Wertbriefe“ deshalb von einem Treuhänder in das „OGI-Erdöl-Vorratsverzeichnis eingetragen und treuhänderisch verwaltet“ werden.
Anwalt Kälberer hält dieses Konstrukt für „völlig intransparent“. Auf die Frage nach der offiziellen, rechtlichen Bedeutung des Verzeichnisses, an anderer Stelle auch „Erdöl-Quellen-Verzeichnis“ genannt, bestätigt die OGI nur dessen Existenz.
Dass der beauftragte Treuhänder gleichzeitig OGI-Aufsichtsrat ist, könnte zu Interessenkonflikten führen. Geschlossenen Fonds zum Beispiel schreibt die Finanzaufsicht BaFin mittlerweile vor, dass eingesetzte Treuhänder im Regelfall nicht gleichzeitig Aufsichtsrat sein dürfen. Die OGI sieht in der Doppelfunktion keinen Interessenkonflikt.
Fakten zum Rohölpreis
Die Fachleute unterscheiden zwischen Reserven und Ressourcen. Reserven sind Rohstoffe, die mit heutigen Mitteln wirtschaftlich gefördert werden können, also zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Ressourcen sind weitere Vorkommen eines Rohstoffs in der Erdkruste, die aber noch nicht zugänglich sind. Die Ölreserven betragen, je nach Quelle, ungefähr 220 bis 240 Milliarden Tonnen, davon etwa ein Fünftel aus unkonventionellen Quellen wie Schieferöl und Ölsände. Den bisherigen Verbrauch seit Beginn des Ölzeitalters beziffert die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 175 Milliarden Tonnen.
Bei heutigem Verbrauch noch mehr als 50 Jahre. Die Nachfrage und der Verbrauch werden jedoch in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Öl ist mit einem Anteil von einem Drittel der wichtigste Energieträger. Damit hat es zwar relativ an Bedeutung verloren; vor 40 Jahren hat Öl noch fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs abgedeckt. Aber der Energieverbrauch steigt weltweit weiter an und damit auch der Ölverbrauch. Nach der Prognose von BP erhöht er sich bis 2035 von heute 90 auf 109 Millionen Barrel pro Tag. Andere Prognosen sind niedriger, die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet mit 104 Millionen Barrel bis 2040.
Da streiten die Gelehrten. Es gibt zwei Denkschulen. Die Anhänger der Peak-Oil-Theorie gehen davon aus, dass bei konventionellem Öl bereits das Fördermaximum erreicht ist und nur mit teuren unkonventionellen Methoden wie Fracking von Ölschiefer und Förderung von Ölsänden noch Produktionssteigerungen möglich sind. „Nur Nordamerika trug in den Jahren seit 2005 überhaupt zu einer Steigerung der globalen Ölförderung bei. Ohne Berücksichtigung der USA und Kanada ist die Welt bereits seit neun Jahren auf dem Ölfördergipfel“, heißt es auf einer Internet-Seite der Peak-Oil-Fraktion. Sie sieht stark steigende Ölpreise bereits vor 2020 voraus.
Die Peak-Oil-Theorie hat eher an Zustimmung verloren; auch weil ihre Befürworter den Zeitpunkt für den Ölgipfel schon mehrfach verschieben mussten. „Die Dinge stehen nicht still in der Energieindustrie“, sagt Daniel Yergin, einer der weltweit führenden Ölexperten. Durch technische Innovation könnten immer neue Ressourcen entwickelt und zu förderbaren Reserven werden. Für jedes geförderte Fass Öl würden so 1,5 neue Fässer den Reserven hinzugefügt. Yergin erwartet, dass sich die Ölförderung gegen Mitte des Jahrhunderts auf einem Plateau befindet, ehe dann die Förderung und die Nachfrage langsam nachgeben.
Der Wissenschaftler Leonardo Maugeri hat bereits 2012 eine Ölschwemme und fallende Preise ab 2015 vorhergesagt, weil die Kapazitäten zur Ölförderung auf der Angebotsseite erheblich ausgeweitet würden. „Der Schiefergas-Ölboom in den USA ist keine Blase, sondern die wichtigste Revolution im Ölsektor seit Jahrzehnten“, schrieb er in einer Studie. Es gebe enorme Mengen von konventionellem und unkonventionellem Öl, das zum Teil noch gar nicht entdeckt sei. Ein Fördergipfel, ein Peak-Oil, sei nicht in Sicht. So ist es gekommen. Es gibt Öl im Überfluss und die Preise sind verfallen. Das Förderkartell Opec hat sich vorläufig selbst aus dem Spiel genommen und will den Ölhahn nicht mehr zudrehen. Sondern ganz marktwirtschaftlich versuchen, seine Kostenvorteile bei der Förderung auszuspielen.
Kurzfristig ist der Ölpreis einer Vielzahl von verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, von Kriegen oder Krisen über Handelsembargos und Finanzspekulation bis hin zu Naturkatastrophen und Wetterverhältnissen. Diese kurzfristigen Preisschwankungen kann niemand vorhersehen. Mittelfristig erwarten die meisten Experten eine Periode mit eher gemäßigten Preisen und gut versorgten Märkten für mehrere Jahre. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die bereits jetzt Rohöl für deutlich unterbewertet halten und vor einem Preisanstieg warnen, etwas bei den Bankanalysten. Die BGR vertritt einen mittleren Kurs. Erdöl, so die Behörde, sei der einzige Energierohstoff, bei dem sich eine Limitierung abzeichnet.
Kretschmers Fans sollten bei Klamotten bleiben
Noch liegt das Erdöl im fernen Mississippi ohnehin tief unter der Erde – etwa 5000 Meter Gestein trennen die OGI und ihre Anleger vom erhofften Ölgewinn. Die müssen erst mal überwunden werden. Wagentrotz’ persönliche Garantie soll die Privatanleger als Letztes absichern, falls aus dem großen Ölboom doch nichts wird.
Das Problem: Die Anleger müssen darauf vertrauen, dass bei Vorstand Wagentrotz dann genug zu holen ist und sie wirklich an ihr Geld kommen. „Die Werthaltigkeit dieser Garantie kann von außen niemand einschätzen“, sagt Anwalt Kälberer. „Wir haben am grauen Kapitalmarkt schon oft gesehen, dass angebliche Garantien oder Sicherheiten letztlich nicht viel wert waren.“ Einen belastbaren Nachweis über das Millionenvermögen des Vorstands bekommen Anleger nicht.
Die notariellen Protokolle zu den Hauptversammlungen der OGI vom Januar und August 2014 nennen bei Vorstand Wagentrotz als Ortsangabe die Karibik-Insel Saint Lucia. Diese Adresse würde es Privatanlegern sicher nicht erleichtern, Ansprüche durchzusetzen. Laut Wagentrotz ist die Karibik-Anschrift aber nur die eines Feriendomizils. Er habe einen Wohnsitz in der Schweiz; Ansprüche könnten „dort jederzeit gerichtlich durchgesetzt werden“.
Bleibt zu hoffen, dass Anleger das nie testen müssen. „Wenn jeder so demokratisch und verantwortungsvoll handeln würde, wie die OGI AG, sähe die Welt besser aus“, teilt OGI-Vorstand Wagentrotz in seiner Stellungnahme mit.
Kretschmer-Fans sollten trotzdem lieber bei Klamotten bleiben – und ihr Idol am besten auch.
Nachtrag: Die OGI AG legt Wert auf die Feststellung, dass am 21. Januar 2015, einen Tag vor Redaktionsschluss der gedruckten Fassung dieses Artikels, eine detaillierte Prognoserechnung auf der Website der OGI AG veröffentlicht worden ist. Ein Postversand der Prognoserechnung wird nach Angaben von OGI an Interessenten kurzfristig erfolgen, wenn die Übersetzung und der Druck abgeschlossen sind.