Hertha BSC Ein Million Euro von den Fans als nette Geste

Über das Internet leiht sich der Bundesligist Hertha BSC eine Million Euro von Privatinvestoren. Denen winkt ein Zins von 4,5 Prozent. Warum macht der Verein das?

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Fans von Hertha BSC. Quelle: dpa

Geld von Fans einzusammeln ist für Bundesligisten zunächst nichts Neues. Dass es aber nur neun Minuten und 23 Sekunden dauerte, bis die Summe zusammen war, überraschte selbst die Optimisten beim Hauptstadtclub Hertha BSC Berlin. Angesetzt war das Angebot immerhin für 60 Tage.

Die Hertha hatte bereits in der Vergangenheit Anleihen und Genussscheine ausgegeben. Nun sammelte sie eine Million Euro ein – und zahlt dafür 4,5 Prozent jährlich bei drei Jahren Laufzeit. Dass die ungewöhnlich hohe Verzinsung viele Investoren locken würde, damit war zu rechnen. Ungewöhnlich aber war auch der Weg, den die Hertha-Verantwortlichen dieses Mal wählten: online, über die Website des Berliner Fintech-Startups Kapilendo - und ohne, dass eine Bank im Spiel war.

Freigeschaltet wurde das Angebot am vergangenen Samstag, kurz vor dem Spiel gegen Ligakonkurrent Ingolstadt. Zwischen 100 und 10.000 Euro konnten Fans und Interessierte per Computer, Tablet und Smartphone anlegen – wenn sie denn schnell genug waren. Die Fintech-Branche feiert den Kredit wegen des Volumens als Zeitenwende. Kampagnen für Darlehen, die über eine Internetplattform von vielen Menschen vergeben wurden, brauchen für gewöhnlich einige Wochen und kommen selten über einen Gesamtbetrag von 100.000 Euro hinaus. Mehr einzusammeln, das war bisher Banken vorbehalten.

Hier boomt die Kreditvergabe durch den Schwarm
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„Der Vorteil dieser Plattformen ist, dass es eine große Gruppe potenzieller Kapitalgeber gibt. Außerdem lassen sich auf diesem Weg Projekte finanzieren, die bei einer Bank eher auf Ablehnung stoßen“, sagt Jürgen Kurz von der Anlegerschutzvereinigung DSW. Zwar seien mittelständische Unternehmen im Durchschnitt derzeit sehr gesund und könnten den Kapitalbedarf über Banken decken. Das Crowdlending aber sei eine Möglichkeit, einen Teil ihrer Finanzierung bankunabhängig zu gestalten.

Risiko ohne Sicherheiten

Banken fordern Sicherheiten und können, wenn es nicht gut läuft, Druck auf das Unternehmen ausüben. Diese unerwünschten Begleiterscheinungen fallen bei Crowdlending-Krediten weg. Und die Branche wächst seit Jahren stark. In diesem Jahr werden dort weltweit voraussichtlich mehr als 36 Milliarden Euro an Krediten generiert. Bis 2020 wird der Markt laut Prognosen ein Transaktionsvolumen von fast 300 Milliarden Euro erreichen.

Die durchschnittliche Investition pro Anleger lag bei der Hertha im dreistelligen Bereich. Dabei kann das Geschäft durchaus riskant sein. Im Gegensatz zu Privatanlegern können Banken Ausfälle durch ihre Größe auffangen, berechnen im Voraus eine bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit ein. Bei Crowdlending-Angeboten muss der Investor selber prüfen, wie vertrauenswürdig das Unternehmen, wie riskant das Geschäftsmodell ist.

Das Scoring der Analysten ist aber meist der einzige Anhaltspunkt, den Anleger zur Beurteilung haben. „Jedem muss klar sein, dass die Höhe des Zinses immer auch ein Maßstab für das mit dem Investment verbundenen Risiko ist“, sagt Anlegerschützer Kurz. „Kann man nicht beurteilen, wie hoch die Gefahr eines Ausfalls ist, oder liegen nicht ausreichend Informationen über das Unternehmen vor, ist Vorsicht geboten.“ Für den Fall einer Insolvenz des Vereins gibt es keine Einlagensicherung, das Geld wäre dann weg. 

Was bewegt den Verein also, einen solchen Schritt zu gehen?

Kapital auf herkömmlichem Weg über einen Bankkredit zu beschaffen ist derzeit günstig wie seit Jahren nicht mehr. Die Geldhäuser sind im aktuellen Niedrigzinsumfeld knauserig. Vor allem kleine Unternehmen und der Mittelstand geraten durch die restriktive Kreditvergabe ins Hintertreffen. Bei Crowdlending-Plattformen fällt die Entscheidung hingegen nicht ein Einzelner, sondern jeder Anleger selbst.

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