Inflationsangst und Nullzins So begegnen Sparer dem Vermögensschwund

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Der Realzinsverlust ärgert Anleger

Zwar beruht der jüngste Preisschub vor allem auf einem statistischen Sondereffekt: Anfang vergangenen Jahres war der Ölpreis auf unglaublich niedrige 28,50 Dollar je Fass gesunken. Mittlerweile hat er sich wieder auf 55 Dollar erhöht, also fast verdoppelt. Und die Energiepreise machen eben einen gewichtigen Anteil des Warenkorbs aus, mit dem Ökonomen die Inflation berechnen. Deswegen treibt ein starker Anstieg der Energiepreise die Inflationsrate. In den nächsten Monaten dürfte dieser Effekt wieder auslaufen – vorausgesetzt, die Ölpreise setzen nicht zu einem Höhenflug an.

Das Inflationsgespenst werde daher ebenso schnell wieder in der Besenkammer der ausgedienten Klischees verschwinden, wie es auf der Bildfläche erschienen ist, argumentieren viele Ökonomen und wohl auch Europas oberster Währungshüter. Und diese Annahme ist für den Euro-Raum als Ganzes auch womöglich gar nicht so verkehrt. Vor allem für die Länder im Süden der Euro-Zone mag sie stimmen. Denn dort sind die Arbeitslosenquoten ein Graus, zweistellig allesamt. Die hohe Arbeitslosigkeit drückt auf die Löhne. Die Gefahr, dass der Anstieg der Verbraucherpreise in eine Lohn-Preis-Spirale mündet, ist daher gering.

Anders sieht es aber eben in Deutschland aus: Schon kurzfristig ärgert hier der Realzinsverlust Anleger, und mittel- bis langfristig sprechen viele Indikatoren dann eben doch für ein Anziehen der Inflation: Experten rechnen für dieses Jahr mit einem Wachstum der Wirtschaft zwischen 1,5 und 2,0 Prozent. Die Unternehmen arbeiten am Anschlag. Viele suchen händeringend nach Fachkräften. „Früher hätte eine solche Situation zu kräftigen Lohn- und Preissteigerungen geführt“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Wie die Deutschen ihr Geld anlegen
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Diesmal aber scheint es zwar zunächst kurzfristig noch anders zu sein. Von einer Lohnsause wie in den Siebzigerjahren oder nach der Wiedervereinigung ist bisher nichts zu sehen. Im Schnitt legten die Tariflöhne im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent zu. Krämer führt dies auf den preisdämpfenden Effekt der Globalisierung zurück. Das Drohpotenzial der Unternehmen, bei allzu starken Lohnerhöhungen die Produktion in Billiglohnländer zu verlagern, schwebe noch immer über den Tarifverhandlungen vieler Branchen und halte die Gewerkschaften in Schach.

Die Frage ist nur: Wie lange noch? „Der Druck der Globalisierung auf die Löhne und Preise wird geringer“, sagt Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Maschinen und Menschen, die sie bedienen sollen, nach China zu verlagern, sei nicht mehr so einfach wie vor ein paar Jahren. Die jüngsten Tendenzen zu mehr Protektionismus und nationaler Abschottung erschwerten das Outsourcing zusätzlich. Das könne die Lohnabschlüsse hierzulande in den nächsten Jahren deutlich nach oben treiben, rechnet Mayer vor. Löhne hoch, Preise hoch. Das ist der Boden, auf dem Inflation gedeiht.

Dazu kommt, dass die Zeiten, in denen China billige Waren exportierte und den Zentralbanken der Industrieländer so die Inflationsbekämpfung erleichterte, zu Ende gehen. So kletterten die Produzentenpreise in China zuletzt mit Raten von über fünf Prozent. Bis vor wenigen Monaten waren sie noch gesunken. Die Politik der chinesischen Regierung, die den Wechselkurs der Landeswährung Renmimbi um jeden Preise oben halten will, verhindert zudem, dass China die Welt mit billigeren Produkten überschwemmt.

Die größten Inflationstreiber aber sind Doktor Draghi selber und seine Politik des scheinbar unendlich günstigen Geldes, die offenbar so lange anhält, bis neben der Wirtschaft Deutschlands auch jene der Südländer im Euro wieder besser laufen. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung nur noch rund 1,08 Dollar. Zum Vergleich: Vor dem Ausbruch der Euro-Krise lag der Wechselkurs noch bei knapp 1,50 Dollar. „Wertet der Euro weiter ab, verschafft die EZB den Gewerkschaften und Unternehmen in Deutschland freie Bahn, um Löhne und Preise kräftig zu erhöhen“, sagt Mayer. Denn wenn die Währung billig ist, sind die Unternehmen auch dann noch international wettbewerbsfähig, wenn sie zu Hause hohe Löhne zahlen.

Je weicher die EZB den Euro also spült, desto geringer wird der Druck auf die Unternehmen, mit Produktionsverlagerungen ins Ausland auf überzogene Lohnabschlüsse zu reagieren.

Mayer fürchtet, dass Deutschland eine Entwicklung droht wie Italien in den Siebziger- und Achtzigerjahren unter der damaligen Geldpolitik der Banca d’Italia. In den Siebzigerjahren nutzten die Gewerkschaften in dem Mittelmeerland die lockere Geldpolitik, um überzogene Lohnforderungen durchzusetzen. Die Unternehmen erhöhten daraufhin die Preise für ihre Produkte, die Inflation schoss in die Höhe. In der Folge wertete die Landeswährung kräftig ab. Das wiederum verteuerte die Importe und führte zu weiteren kräftigen Lohnsteigerungen. Das Ergebnis war eine Spirale aus Abwertung und Inflation. Unter den realwirtschaftlichen Folgen leidet das Land noch heute.

Um das Abdriften in eine italienische Währungsunion zu verhindern, müsste die EZB das Zinsniveau wieder anheben. Doch damit rechnet niemand. Denn die Länder der Euro-Zone ächzen unter einem gigantischen Schuldenberg.

Stoppte die EZB den Ankauf von Staatsanleihen und erhöhte die Leitzinsen, trieben die steigenden Zinsausgaben die Regierungen in den Staatsbankrott. Das wäre das sichere Ende der Währungsunion. „Die EZB hat sich in eine Sackgasse manövriert und ist zum Diener der Finanzminister geworden“, urteilt Mayer. Aus Rücksicht auf die desaströse Lage der Staatsfinanzen werde es die EZB nicht wagen, kraftvoll auf die Bremse zu treten – selbst dann nicht, wenn die Inflation ins Laufen kommt.

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