Initial Coin Offering "Schwarze Schafe dominieren den Markt"

Neben dem Bitcoin existieren weltweit rund 1300 weitere Kryptowährungen. Um die unter Nutzern leichter handelbar zu machen, will das Start-up Herdius will eine dezentrale Handelsplattform schaffen. Quelle: REUTERS

Balazs Deme sammelt für sein Start-up Geld über einen ICO ein, eine digitale Finanzierungsrunde. Warum er sich gegen klassisches Risikokapital entschied, und wie er sich vom schlechten Ruf der ICOs befreien will.

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Herr Deme, erklären Sie uns kurz, was Sie mit Ihrem Start-up Herdius vorhaben.

Wir wollen eine dezentrale Handelsplattform für Kryptowährungen aufbauen.

Was wird daran anders sein, als bei den etablierten Börsenplätzen für Kryptowährungen, wie Kraken oder Bittrex?

Bei uns sollen wirklich alle denkbaren Kryptowährungen handelbar werden. Bislang setzen die größten Börsen ja vor allem auf Bitcoin und Ethereum.

Der größte Unterschied ist aber wohl, dass unser dezentrales Handelsnetzwerk ohne Mittelsmann auskommen soll. Das war ja der Grundgedanke hinter Kryptowährungen: ein dezentrales Netzwerk, das nur im direkten Austausch zwischen Nutzern funktioniert. Davon hat sich die Szene heute weit entfernt.

Zur Person

Inwiefern?

Die großen Handelsplätze ziehen natürlich Gebühren ein, für den Service, den sie Kryptoanlegern bieten. Wir entwickeln die Herdius Plattform aber als Open Source-Projekt, mit dem wir als Unternehmen keine Gewinne machen wollen. Dezentrale Handelsplattformen sind unserer Meinung  nach die Zukunft der Kryptowährungen.

Balazs Deme, Gründer des Berliner Blockchain-Start-ups Herdius Quelle: PR

Für die Entwicklung brauchen Sie zunächst aber auch Geld.

Fünf Millionen Euro wollen wir in einem ICO-Vorverkauf jetzt im Dezember einsammeln. Kommt diese Summe nicht zusammen, werden wir die Entwicklung abblasen müssen. Was ich nicht hoffen will. Denn unser Plan ist, mit dem öffentlichen ICO  im Frühjahr 2018 noch einmal 25 Millionen einzusammeln. Damit sollten wir bis Ende 2018 eine erste Testversion auf den Markt bringen können.

Eine stattliche Summe, zumal Sie sich für eine digitale Finanzierungsrunde entschieden haben, den ICO.

Wir sind uns bewusst, dass fünf Millionen im ersten Schritt  bereits eine hohe Summe sind. Aber wir machen auch kein Geheimnis daraus, dass unser Projekt sehr ambitioniert ist und schwer zu entwickeln sein wird. Schließlich wollen wir eine eigene Blockchain entwickeln.

Ein digitales Register, das auch hinter dem Bitcoin steckt. Ihre Investoren erhalten aber keinen Anteil an Herdius. Sondern Sie geben wie alle anderen Start-ups beim ICO Tokens an die Anleger aus. Eine Art Gutschein, den sie später für Dienstleistungen bei Ihnen einlösen können. Warum keine klassische Finanzierungsrunde mit ein paar Start-up-Investoren?

Weil wir der Meinung sind, dass wir nur durch ein ICO in der Szene bekannt werden. Und nur darüber die Investoren erreichen können, die das Projekt verstehen. Denn Sie sollen künftig auch als wichtige Infrastruktur-Betreiber an unserer Blockchain beteiligt sein.

Haben Sie deshalb den ICO in eine Vorverkaufsphase jetzt im Dezember und eine öffentliche Phase im Frühjahr 2018 unterteilt?

Genau. Je höher die Investition unserer Token-Käufer, desto größer ihr Einfluss in der Herdius-Blockchain. Wir wollen jetzt erst mit professionellen Investoren ins Gespräch kommen, bevor sie sich beteiligen. Denn unser Konzept funktioniert nicht, wenn ein Spekulant einen hohen Anteil besitzt, sich aber nicht mit seinen Tokens bei Entscheidungen zur Entwicklung unserer Blockchain einbringen will.

Erst wenn also mit strategischen Investoren sichergestellt ist, dass unser Konzept funktionieren kann, wollen wir im Frühjahr 2018 auch den öffentlichen Teil des ICOs starten.

"In zwei Jahren haben ICOs einen besseren Ruf"

Für Privatanleger mag das nach Zwei-Klassen-Gesellschaft  klingen: Profis können sich bevorzugt beteiligen, vielleicht sogar mit einem Rabatt gegenüber den Anteilspreisen beim öffentlichen ICO. Der Charme eines ICOs liegt doch potenziell gerade darin, dass jetzt jeder mit auch nur geringen Investitionen die Chance hat, sich an jungen Geschäftsmodellen zu  beteiligen und die Anteile zu handeln.

Die Rabatte für strategische Investoren gehen natürlich mit einer gewissen Verantwortung einher. Sie dürfen ihre Tokens je nach Investitionshöhe nicht unmittelbar handeln, sondern müssen zwischen sechs und 24 Monaten dabei bleiben. So stellen wir sicher, dass sie auch langfristig daran interessiert sind, unser Projekt zu fördern, wie wir es von einem Frühphasen-Investor erwarten. Wer unseren HER-Token im öffentlichen ICO erwirbt, wird diese Haltefrist nicht haben.

Aber ich gebe Ihnen Recht: ICOs waren eine wunderbare Innovation, um Kapital einzusammeln und Unternehmensanteile handelbar zu machen. Leider dominieren derzeit schwarze Schafe den Markt. Viele einflussreiche Gründer, Entwickler und Investoren, die bewiesen haben, welches Potenzial in Kryptowährungen steckt, distanzieren sich mittlerweile von den grenzwertigen ICOs.

von Niklas Hoyer, Georg Buschmann, Sebastian Kirsch

Werden die Herdius-Tokens handelbar sein? Schließlich treten Sie mit ihrem Geschäft in Konkurrenz zu den etablierten Börsen.

Natürlich sollen unsere Tokens auch an einer Kryptobörse gelistet werden. Dafür müssen wir je nach Börsenplatz bis zu 50.000 Euro zahlen. Eine enorme Summe für ein Start-up. Mittlerweile gibt es so viele ICO-Dienstleister, von Beratern bis zu den Börsen, dass ein ICO kein besonders günstiger Weg mehr ist, um sich als Start-up Kapital zu besorgen.

Die zehn größten Kryptowährungen
Platz 10 nach Marktkapitalisierung: MoneroQuelle: Coinmarketcap Stand: 28. November 2018, 14 Uhr
Platz 9 nach Marktkapitalisierung: IOTAQuelle: Coinmarketcap Stand: 28. November 2018, 14 Uhr
Platz 8 nach Marktkapitalisierung: Ethereum ClassicWie beim Bitcoin teilte sich auch Ethereum bereits in zwei verschiedene Varianten. Beide konnten in diesem Jahr satt zulegen. Classic mit 2169 Prozent jedoch deutlich weniger als der große Bruder Ethereum. Quelle: Coinmarketcap Stand: 28. November 2018, 14 Uhr
Platz 7 nach Marktkapitalisierung: DashQuelle: Coinmarketcap Stand: 28. November 2018, 14 Uhr
Platz 6 nach Marktkapitalisierung: LitecoinQuelle: Coinmarketcap Stand: 28. November 2018, 14 Uhr
Platz 5 nach Marktkapitalisierung: Bitcoin Gold Der Coin hat sich erst vor wenigen Wochen vom Bitcoin abgespalten. Er verlor seitdem jedoch an Wert. Quelle: Coinmarketcap Stand: 28. November 2018, 14 Uhr
Platz 4 nach Marktkapitalisierung: RippleQuelle: Coinmarketcap Stand: 28. November 2018, 14 Uhr

Wie versuchen Sie sich mit ihrer eigenen Finanzierungsrunde von der Grauzone um die ICOs abzusetzen?

Es ist wahnsinnig schwierig, überhaupt wahrgenommen zu werden. Die Zahl der Angebote ist für Anleger mittlerweile ja fast unüberschaubar geworden. Also setzen wir auf offene Kommunikation und verstecken uns als Team nicht. Und wir treffen uns mit Investoren und versuchen sie von unserer Idee zu überzeugen, wie jedes andere Start-up auch.

Will die Finanzaufsicht Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz Bafin, bei einem deutschen ICO mitreden?

Sie hätte unsere Unterlagen nicht prüfen müssen. Aber wir sind bewusst auf die Bafin zugegangen – und haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie haben geprüft, ob wir mit der Finanzierungsrunde einer Erlaubnispflicht unterliegen.

Also für Finanzdienstleistungen eine schriftliche Erlaubnis oder Registrierung der Bafin benötigen.

Was bei uns nicht der Fall ist. Der Austausch mit der Bafin verlief wie eine Art Sparring. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, sie bei einem ICO nicht zu beteiligen.

Glauben Sie, dass die Szene den Ruf des ICO noch retten kann – und auch Unternehmensbeteiligungen künftig darüber möglich sein werden?

Momentan ist es aus rechtlicher Sicht fast unmöglich, Unternehmensanteile, also sogenannte Equity Tokens, über ein ICO abzugeben. Dafür müsste sich an der Regulierung etwas ändern. Da sich in der Branche aber in so kurzer Zeit so viel getan hat, bin ich sicher, dass wir bereits in zwei bis drei Jahren so weit sein werden. Das dürfte dem Ruf der ICOs helfen. Allerdings sind Equity Tokens sicher nicht der einzige Weg, über einen ICO auf seriöse Art Kapital einzusammeln – auch das möchten wir mit Herdius ja unter Beweis stellen.

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