Kundin: Jetzt kommt eine rote Kerze.
Betreuerin: Das ist gut, weil Sie haben auf sinkende Kurse gesetzt. Jede Bewegung nach unten, davon profitieren Sie. (...) Oh, das sieht sehr gut aus.
Kundin: Jetzt hat es mich rausgeschmissen. Ich habe 450 Euro Gewinn.
Betreuerin (jubelt): Wahnsinn! Überlegen Sie mal! Wie lange sitzen wir hier? Und Sie sind ungeübt. Was meinen Sie, was Sie machen, wenn das sitzt!? (...)
Kundin: Ist das immer so einfach?
Betreuerin: Es verändert sich rein gar nichts.
Großzügige 50.000 Euro Spielgeld hat der Online-Broker FXdirekt der Kundin auf das fiktive Konto gebucht. Die enthusiastische Betreuerin im Callcenter lenkt sie am Telefon gezielt in eine Wette auf einen fallenden Dax. Und, oh Wunder, sie geht auf.
Verzögerung bei Demo-Konten?
Was die Kundin nicht ahnen konnte: Die Betreuerin sah womöglich, dass der Dax in den nächsten Minuten fallen würde. Nicht, weil sie hellseherische Fähigkeiten hätte, sondern weil Daten offenbar mit Verzögerung in die Demo-Konten von FXdirekt laufen. Eine Stichprobe der WirtschaftsWoche zeigt, dass eine Kundin im Demobetrieb andere, in dem Fall für sie bessere Kurse bekam, als zu den von FXdirekt ausgewiesenen Zeiten an der Börse gehandelt wurden. Die Bank bestreitet, dass Demokonten zeitverzögert laufen.
Kundin: Funktioniert das Demokonto so wie das Livekonto?
Betreuerin: Live funktioniert besser. (...) Das System hat ein paar Extras, die das Demo nicht hat. Sie bekommen zum Beispiel Hilfen vom System. Das wird mathematisch berechnet. Da werden Impulse gegeben, dass Sie wissen, ich habe jetzt gedacht, ich kaufe, und das System bestätigt das noch. Also solche kleinen Unterstützungen. (...)
Kundin: Habe ich hier einen Livechart?
Betreuerin: Es ist 99,9 Prozent gleich. Es wird regelmäßig aktualisiert, mehrmals am Tag und live angepasst.
Neue Kunden für den Broker
Job der Betreuerin ist es, für den Broker neue Kunden ranzuschaffen. Nach dem Test mit Spielgeld sollen die möglichst schnell echte Euro einzahlen. „Wenn Interessenten im Demo-Betrieb Tausende verdienen, erleichtert dies den Entschluss, ein echtes Konto einzurichten, ungemein“, sagt ein Aussteiger. Wer binnen Minuten Hunderte Euro Spielgeld abräumt, fängt an, sich reale Gewinne zurechtzuträumen.
Doch wer Vertrauen schöpft und harte Währung einzahlt, muss bei der Oberhausener FXdirekt um sein Erspartes bangen. Das Institut betreut nach eigenen Angaben 40.000 Kunden. Es beschäftigt über 100 Mitarbeiter, die Kunden keilen und, so sagen ehemalige Mitarbeiter, nach allen Regeln der Kunst ausnehmen sollen – und das unter den Augen der Finanzaufsicht BaFin, die die Bank beaufsichtigt.
Die Kunden kaufen und verkaufen Produkte, die außerbörslich gehandelt werden. Am beliebtesten sind Wetten auf Steigen oder Fallen von Währungen wie Dollar oder Yen (Forex) und Differenzkontrakte (Contracts for Difference, CFDs). Mit letzteren wetten Anleger auf Preisänderungen von Aktien, Indizes oder Rohstoffen. Die Wetten sind gehebelt, das heißt, mit kleinem Einsatz ist ein Vielfaches an Gewinnen möglich. Angenommen, eine Allianz-Aktie kostete 100 Euro, dann müsste ein Anleger, der wettet, dass die Aktie steigt, 100 Euro für eine Aktie einsetzen. Geht die auf 101 Euro, hat er vor Kosten ein Prozent Gewinn gemacht.
Hochspekulative Produkte
Beim CFD aber setzt der Anleger nur einen Bruchteil der gehandelten Summe ein und überlässt seinem Broker nur eine Sicherheit (Margin), zum Beispiel ein Prozent. Stiege die Allianz-Aktie auf 101, bekäme er die Differenz ausbezahlt, gehebelt. Bei einem Prozent Margin wären es 100 Prozent Gewinn. „Verändert sich der Kurs bei einem Hebel von 100 um ein Prozent, hat der Anleger sein eingesetztes Kapital verdoppelt oder verloren“, sagt Torsten Gellert, Deutschland-Chef vom Online-Broker FXCM.
In Deutschland wetten rund 43.000 Anleger mit den hochspekulativen Produkten. Die Zahl der aktiven Trader stieg binnen eines Jahres um 34 Prozent. So steigt auch die Zahl der Broker rasant: Laut CFD-Verband sind derzeit 28 Anbieter auf dem deutschen Markt tätig. Viele seien „erst in jüngster Zeit“ auf den Markt gekommen.
Ein Pferd
Betreuerin: Normalerweise haben Sie ein Pferd gekauft und schicken das ins Rennen. Bei CFDs kaufen Sie kein Pferd, Sie investieren gar nicht so viel Geld, sondern Sie nehmen nur einen klitzekleinen Teil – in diesem Fall ein Prozent – von dem, was das Pferd sonst kosten würde und setzen Ihr Geld drauf und sagen: „Ich wette, das Pferd wird gewinnen oder verlieren.“ Für Sie rennt das gesamte Pferd.
Der Haken an diesen Wetten: Schon mit Eintritt in die Geschäftsbeziehung unterschreiben Kunden verklausuliert, dass die Bank die Kurse bestimmt, zu der sie diese Produkte handeln. Schon minimale Abweichungen gegenüber den tatsächlich an Börsen gehandelten Kursen spülen der Bank, weil hier mit einem Hebel von meist 100 gehandelt wird, viel Geld in die Kasse.
Offenbar Tricks der Bank
Unabhängig voneinander haben jetzt mehrere Insider ihr Schweigen gebrochen und der WirtschaftsWoche offengelegt, wie FXdirekt Anleger seit Jahren abkassiert haben soll. „Ich habe in meiner Zeit keinen Kunden erlebt, der sich einen Gewinn hat auszahlen lassen können. Ich habe Konten gesehen, auf denen waren innerhalb von einer halben Stunde Tausende Euro weg. Viele rufen an und weinen“, sagt ein Aussteiger. „Wer mit 4000 Euro ein Konto eröffnet, kann nach 48 Stunden platt sein. Bei 15.000 Euro dauert es vielleicht eine Woche. Am Ende sind die meisten platt“, sagt ein anderer. Dass kein Kunde unter dem Strich Gewinne mache, sei „mit Sicherheit auszuschließen“, teilt die Bank dazu mit.
Die Direktbank Cortal Consors kooperiert mit FXdirekt. Die Tochter von BNP Paribas wirbt über ihre Internet-Seite für Konten bei dem Broker. Wer über Consors ein Konto eröffne, habe mit FXdirekt „einen starken Partner“ an seiner Seite, heißt es. Viele Tricks hat die Bank über Jahre offenbar so geschickt verfeinert, dass Aufseher kaum eine Chance haben, das Geschäft ohne die Hilfe von Insidern zu durchschauen. Viele machen sich auch die Mühe gar nicht – allzu komplex sind solche Untersuchungen, und irgendwie sind die Geprellten doch selbst schuld.
Beschwerdebrief
Der WirtschaftsWoche liegt ein Beschwerdebrief eines ehemaligen Kunden an die BaFin vor, in dem bereits 2009 von Kursmanipulation die Rede war. Viele andere haben sich ebenfalls beschwert. Die Finanzaufsicht weiß seit Jahren von Problemen bei der Bank. Passiert ist offenbar wenig. Die BaFin wollte sich zu einzelnen Instituten zwar nicht äußern.
Ein Aufseher sagte jedoch: „Das sind hochriskante Geschäfte, die Gefahr, Geld zu verlieren, ist groß.“ Ein anderer BaFin-Mitarbeiter schrieb an einen Kunden, er habe seine Beschwerde „zur Kenntnis“ genommen – und rät darüber hinaus zu einem Anwalt.
Doch es ist ein Unterschied, ob Kunden bei riskanten Geschäften verlieren – oder ob die Geschäfte, wie es bei FXdirekt offenbar der Fall ist, darauf angelegt sind, Kunden um ihr Geld zu erleichtern.
40.000 Euro zurückgeholt
Anleger haben versucht, Geld zurückzuerhalten. Der WirtschaftsWoche liegt ein Vergleich zwischen FXdirekt und einem Ex-Kunden über 40.000 Euro vor. Und vor dem Landgericht Duisburg läuft ein Prozess der Schindler-Vermögensberatung gegen FXdirekt (21 O 46/12). Es geht um 25.000 Euro Schadensersatz. In der ersten Verhandlung verpasste der Anwalt des Klägers den Termin. Daher erging ein Versäumnisurteil. Der Einspruch liegt nun vor. Die nächste Verhandlung ist am 13. Dezember.
Für die Masche der Bank sind drei Bereiche wichtig: Das erste Team, intern Hosting New Customers genannt, betreut Interessenten. Sie sprechen mit potenziellen Kunden, die noch kein Konto eröffnet haben, aber die Handelsplattform über ein Demo-Konto testen. Die Kundin im Demo-Test wurde regelrecht mit Anrufen bombardiert. Wann sie endlich ein Konto eröffne?
In Positionen mit hohen Kosten lenken
Zahlt der Kunde Bares ein, kommt das zweite Team ins Spiel: Es betreut die Live-Kunden, also Anleger, die handeln sollen. Aufgabe dieser Mitarbeiter ist es nach Aussage von Ex-Mitarbeitern, Kunden in Positionen mit hohen Kosten zu lenken. Das können zum Beispiel exotische Währungspaare oder Silber sein. Dabei geben die Mitarbeiter, die offiziell nicht beraten dürfen, dem Kunden Hinweise, wo sie nun gefälligst aktiv zu werden haben. Die Bank sagt, das sei falsch.
Der WirtschaftsWoche liegt allerdings der Screenshot eines Kunden vor, in dem ein FXdirekt-Mitarbeiter per Chat schreibt: „Bitte usdjpy short!!!!“ Der Anleger sollte im Währungspaar US-Dollar/Yen auf den steigenden Yen wetten. „Wenn der Umsatz nicht stimmt, geht der Boss zur Kundenbetreuung und sagt: Ruft die Kunden an, schickt sie in Silber“, sagt ein Insider. Die Bank bestreitet, dass es Anweisungen gebe, schon gar nicht vom Gründer, Alleinaktionär und Vorstandschef Wolfgang Stobbe.
Handel anfällig für Manipulation
Das dritte Team bilden die Händler. Die meisten Orders werden nicht an überwachte Börsen geleitet, sondern hausintern gestellt. Online-Broker lassen sich in zwei Kategorien teilen: die einen routen Aufträge an regulierte Börsen weiter. Die anderen haben einen eigenen Handel, der Kurse stellt. Letzterer ist anfällig für Manipulation. Eine Handelsüberwachung gibt es außerbörslich nicht.
Aufgabe der FXdirekt-Händler soll es sein, Kurse zu bewegen und Informationen, die der Kunde der Bank gegeben hat – etwa über Kurslimits, zu denen er verkaufen würde –, gegen diesen zu nutzen. Der Handel müsse auf Anweisung zeitweilig „die Kurse künstlich teurer machen“, sagt ein Insider. Fliege es auf, rede sich die Bank raus: „Ziehen wir den Kurs irgendwo hin und machen Umsatz, dann war der Preis eben da. Wir sind Market Maker“ – die Bank macht den Markt in ihren Produkten.
Reset-Funktion?
Wird der Preis hochgezogen, könnten andere Kunden sich im selben Moment über den gestiegenen Kurs freuen und auf „Verkauf“ klicken. Die Bank würde Minus machen. Die Händler müssen also aufpassen. „Wir hatten im Handel einen Reset-Button. Wollte jemand zu manipulierten Kursen verkaufen, fiel der Kurs wie ein Stein zurück“, sagt ein Ehemaliger. Verkäufe werden zum ursprünglichen oder noch niedrigeren Kurs ausgeführt. Die Bank sagt, eine Reset-Funktion gebe es nicht und bestreitet Manipulationen.
Die Arbeit von Handel und Telefonverkäufern soll laut Insidern aufeinander abgestimmt sein. Betreuer würden Anleger darauf trimmen, sich vor Verlusten mit Stop-Loss-Limits abzusichern. Sie suggerierten, dass das sicherer sei – für Kunden. In Wahrheit gehe es darum, Umsatz für die Bank zu holen, sagen Ex-Mitarbeiter. Ein Stop-Loss ist ein Auftrag, der die Bank berechtigt, bei Durchbrechen der Kursmarke sofort zu verkaufen.
Was Verkäufer in der Finanzbranche verdienen
Die folgenden Euro-Beträge für verschiedene Produkte von Versicherungen, Banken, Bausparkassen und Fonds wurden anhand üblicher Provisionssätze und marktgängiger Anlagesummen berechnet. Die Rangliste liefert einen Anhaltspunkt über die Bedeutung der jeweiligen Provisionsart für Vermittler.
Quelle: www.monero.de, Vermittler, Finanzunternehmen, eigene Berechnungen
Sachversicherung
11,25 Euro für einen 1-Jahresvertrag in der Haftpflichtversicherung
Sachversicherung
45 Euro für einen 1-Jahresvertrag in der Hausratversicherung
Krankenzusatzversicherung
90 Euro für eine Zahnzusatzversicherung
Sachversicherung
200 Euro für einen Fünf-Jahresvertrag in der Hausratversicherung
Bausparvertrag
325 Euro für einen Vertrag mit einer Bausparsumme von 25.000 Euro
Fondsanlage
450 Euro für ein Investment mit einer Anlagesumme von 10.000 Euro
Lebensversicherung
1440 Euro für einen Vertrag mit einem Monatsbeitrag von 100 Euro, Laufzeit 30 Jahre
Immobilienfinanzierung
1500 Euro für einen Vertrag mit einer Kreditsumme von 200.000 Euro
Krankenversicherung
2100 Euro für eine PKV-Vollversicherung mit einem Monatsbeitrag von 350 Euro
Unternehmerische Beteiligungen
3000 Euro für einen geschlossenen Fonds mit einer Anlagesumme von 30.000 Euro
Limits fischen?
Händler sehen offenbar, wo Stops der Kunden liegen. Wieso also warten, bis der Kurs fällt, wenn man die Kurse selbst stellen darf? Der Kunde wird gläsern, wenn er Limits eingibt. „Die Limits mehrerer Kunden ergeben gebündelt Millionenumsätze, die müssen wir holen. Es ist Aufgabe der Händler, lukrative Stops abzufischen“, sagt ein Insider. Laut einem anderen Insider können Rechner der Bank Kurse sogar automatisch an die Stops heranführen: „Wenn man der Maschine sagt, sobald der Kurs zehn Punkte vor dem Stop ist, dann hol den Umsatz –, ja dann macht die Maschine es.“ Die Bank bestreitet, Limits zu fischen.
Kunden werden von der Betreuung außerdem darauf getrimmt, die Funktion MKT zu wählen, sagt ein Ehemaliger. Das steht für eine Market Order, also einen Auftrag, bei dem der Kunde den nächsten handelbaren Preis akzeptiert.
Wer etwa auf MKT-Verkaufen klickt, riskiert, dass der Händler den Preis drückt. Der Markt hat sich eben bewegt und prüfen kann es ja doch niemand. Die Bank bestreitet, dass sie Kunden auf die Funktion MKT trimme und Kurse gezielt zugunsten der Bank verändere.
Zugriff auf fast alles?
Betreuerin: Gehen Sie einfach mit der Maus auf Ihr Chartfenster und machen Sie einen Rechtsklick. Es geht so eine Leiste auf. (...) Sehen Sie Kaufen MKT oder Verkaufen MKT? MKT steht für die Marktorder, das ist die schnellste Art, reinzugehen.
Handelsmitarbeiter haben laut Insidern auf fast alles Zugriff: Kontostand, Positionen, Limits, Stops, Margins. Eine wichtige Übersicht ist, ob der Kunde off- oder online ist. „Bei Online-Kunden ist man vorsichtiger, da sie vor dem Bildschirm sitzen könnten – bei Offline-Kunden wird sich ungeniert verhalten.“
Margincall
So sehen Händler offenbar, wie weit der Kunde vom Margincall entfernt ist. Bekommt er einen solchen, muss er Geld nachschießen. Der Händler weiß, was er tun muss, um bei schleppenden Umsätzen einen Zusatzverdienst zu machen. „Das dauert wenige Sekunden, im entscheidenden Moment wird kurz am Kurs gefummelt und zack bekommt der Kunde den Margincall. Sogar die BaFin war im Haus für eine Sonderprüfung. Komisch, dass die das alles nicht gemerkt hat.“ Die Bank bestreitet, dass Händler sehen, wie weit der Kunde vom Margincall entfernt sei. Sie bestätigt, dass die BaFin „eine Prüfung vorgenommen hat“. Dies sei allerdings Routine.
Schon in der Demo-Konto-Phase, wenn es nicht um echtes Geld geht, beobachten Mitarbeiter der Bank ihre Kunden: Wer ist on-, wer offline? Was wird gehandelt? „Macht einer Spielgeld-Verlust, pusht man sein Guthaben hoch, sobald er offline ist“, sagt ein Mitarbeiter.
Der Kunde wird gelobt
Der Kunde wisse zwar nicht, warum er Gewinne gemacht habe. „Wir loben ihn dann: „Sie haben alles richtig gemacht.“ Macht man das nicht, sitzt man im Büro vom Abteilungsleiter und der sagt: „Ey, warum pushst du nicht das Guthaben hoch?“ Die Bank sagt dazu, dass sie den Saldo auf Kundenwunsch wieder auf einen höheren Betrag setze, damit Interessenten weiterhin die Plattform kennenlernen könnten. Dies klappe aus systemtechnischen Gründen nur, wenn der Kunde offline sei. Im Test der WirtschaftsWoche jedoch ging es auch im Online-Status.
Kundin: Ich habe noch so viele Positionen offen...
Betreuerin: Sie sind aber fleißig! (...) Ich würde sagen, wir machen einfach einen Neuschnitt. Was halten Sie davon? Dann machen Sie gar nichts, ich mache Reset.
Kundin: Oh! Ich habe wieder 50.000 Euro Guthaben.
Betreuerin: Juppi! Genauso einfach geht es!
Hoher Hebel
Der hohe Hebel ist eine wichtige Komponente im System: FXdirekt nimmt mit einem Prozent – also ein Euro bei einer Aktie zu 100 Euro – eine zu geringe Margin. Selbst Profi-Anleger gehen ein so hohes Risiko nicht ein. An der Terminbörse Eurex müssen Institutionelle aktuell mehr als 7,5 Prozent Margin pro Dax-Future-Kontrakt zahlen. Die niedrige Margin ist kein Akt der Menschenliebe, sondern soll Kunden in riskante Wetten treiben.
Geht ein Trade kurz in die falsche Richtung, übersteigen die Verluste bei so hohem Hebel schnell das Guthaben. Folge: Der Kunde bekommt einen Margincall und muss nachzahlen. „Bei Brokern, die auf die Nachschusspflicht verzichten, kann man nicht mehr verlieren, als man eingezahlt hat. Alle Broker haben das Recht und werden davon Gebrauch machen, Positionen manuell oder automatisch zu verkaufen, sobald die Sicherheitsleistung Margin nicht mehr ausreicht“, sagt Gellert von FXCM.
Die Bank behauptet, sie habe kein Interesse daran, dass Kunden Geld verlören. Der Redaktion liegt allerdings der Kontoauszug eines Kunden vor, der fast 8000 Euro nachschießen musste, weil die Bank ihn nicht automatisch ausstoppte.
Geld zurückholen
Anwalt Gerd Krämer von der Kanzlei Meilicke Hoffmann & Partner Rechtsanwälte in Bonn hat das System der Bank durchschaut. Krämer hat für einen geprellten Anleger 2011 vor dem Landgericht Duisburg mit den FXdirekt-Anwälten der Großkanzlei Norton Rose den Vergleich über 40.000 Euro geschlossen.
Krämer hatte zuvor wochenlang Kursabweichungen für die Geschäfte seines Mandanten berechnet und konnte nachweisen, dass die Bank teilweise Kurse in die der Marktentwicklung entgegengesetzte Richtung zog. Die Kurssetzungen seien „fernab der realen Marktgeschehnisse“, stellte er fest. So seien am 16.01.2009 die Kurse des „Automobile Index“ zwischen 12 und 15.42 Uhr um 8,8 Prozentpunkte erhöht worden, während die Märkte eigentlich fielen.
Spektakuläre Urteile gegen Anlagebetrüger
Es ist ein Fall für die Geschichtsbücher: Dem Fondsmanager Bernie Madoff gelang es jahrzehntelang, ein höchst lukratives Schneeballsystem zu betreiben, bei dem die Einzahlungen der neuen Kunden für die Ausschüttungen anderer Kunden verwendet wurden. Mangel an Neukunden kannte Madoff offenbar nicht, denn es gelang im, seine oftmals prominenten und schwer reichen Kunden um insgesamt 65 Milliarden Dollar zu erleichtern. In der Finanzkrise flog der ganze Schwindel auf, weil einige Kunden große Summen abzogen. Im Jahr 2009 wurde Madoff zu 150 Jahren Haft verurteilt.
Im April 2011 sorgte das Urteil gegen den Börsen-Coach, Ex-N24-Moderator, Buchautor und Börsenjournalisten Markus Frick für Aufsehen. Er hatte ebenfalls Aktien öffentlich empfohlen, die er selbst besaß. Dadurch hat er dem Gericht zufolge 20.000 Anleger getäuscht und 42 Millionen Euro erlöst. Das Gericht brummte ihm ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung sowie 420.000 Euro Strafzahlung auf. 80 Millionen Euro wurden sichergestellt.
Er gilt als der deutsche Bernie Madoff: Helmut Kiener hat mit seinen Hedgefonds Anleger und Banken mit einem Schneeballsystem im Laufe der Jahre um mehr als 300 Millionen Euro betrogen. Das Urteil für Kiener im Juli 2011: zehn Jahre und acht Monate Gefängnis. Das Landgericht Würzburg verurteilte den 52-Jährigen wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung. Erst sehr spät im Gerichtsverfahren hatte Kiener ein umfassendes Geständnis abgelegt.
Es waren die ersten Urteile in der sogenannten SdK-Affäre, bei der vor allem - inzwischen ehemalige - Funktionäre der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger wegen Kursmanipulation angeklagt waren. Der geständige Börsenbrief-Herausgeber Stefan Fiebach ist zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, weil er vor allem die Aktien bejubelt hat, die er selbst besaß. Zuvor hatte er die Anschuldigungen gestanden und Kursmanipulation in Mittäterschaft eingeräumt. Nach dem Geständnis von Fiebach räumte auch der ehemalige Sprecher der (SdK), Christoph Öfele, über seinen Anwalt Insiderhandel in 92 Fällen ein und bestätigte damit die Vorwürfe der Anklage in vollem Umfang. Der geständige Öfele war früher neben seinen Börsengeschäften auch Aufsichtsratschef des Fußballclubs 1860 München. Als seine Verwicklung in den Aktienskandal bekannt wurde, legte er den Posten bei den Löwen nieder. Im Gegenzug für das Geständnis verurteilte das Gericht Öfele zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Neben einer Geldstrafe soll Öfele eine Nebenstrafe von rund 220.000 Euro zahlen - was fast dem kompletten Vermögen entspricht, das der 43-Jährige im Verfahren angegeben hat.
Der US-Hedgefondsmanager wurde im Oktober in einem Strafverfahren zur Zahlung von insgesamt 63,8 Millionen Dollar sowie zu elf Jahren Haft verurteilt. In einem weiteren Verfahren wurde ihm eine Strafzahlung von 92 Millionen Dollar aufgebrummt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft fuhr Rajaratnam bis zu 75 Millionen Dollar an illegalen Profiten durch Insiderhandel ein. Er soll auf Grundlage von geheimen Informationen gehandelt haben, die ihm von im Wertpapiergeschäft tätigen Freunden und Kollegen zugesteckt wurden. Rajaratnam galt bei seiner Verhaftung als Milliardär, sein Galleon-Fonds verwaltete zu Spitzenzeiten sieben Milliarden Dollar.
Dem Geschäftsmann aus Texas wird angelastet, tausende Anleger um ihre Ersparnisse im Gesamtwert von sieben Milliarden Dollar gebracht zu haben. Ein Geschworenengericht hat ihn bereits verurteilt, das Strafmaß wird im Juni verkündet. Stanford drohen bis zu 230 Jahre Haft. Die Geschworenen erklärten Stanford des Betruges, der Verschwörung, der Geldwäsche und der Behinderung der Justiz für schuldig. Auf jeden der Anklagepunkte stehen Höchststrafen von bis zu 20 Jahren Haft. Außerdem soll der US-Investor seinen Opfern 330 Millionen Dollar erstatten. Der Fall flog 2009 auf. Mit seiner auf der Karibikinsel Antigua angesiedelten Firma hat Stanford offenbar mehr als 30.000 Investoren aus über einhundert Ländern um ihr Geld gebracht hat. Vor Gericht plädierte er auf nicht schuldig. Wegen Fluchtgefahr verbrachte Stanford die vergangenen drei Jahre hinter Gittern.
Kurse
In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von FXdirekt steht zwar, dass die „angezeigten Kurse“ bei sehr volatilen oder illiquiden Märkten „von den an den Referenzmärkten gehandelten Kursen abweichen“ könnten. Auf der Web-Seite der Bank wird jedoch versprochen, dass CFDs „die Kursentwicklung des Basiswertes nahezu 1:1“ widerspiegelten. Handelsgeschäfte zu nicht marktgerechten Bedingungen sind unzulässig. Die BaFin müsste das prüfen.
Hinter den Kulissen räumen die Anwälte der Bank Differenzen ein. Der Redaktion liegt ein Gerichtsschreiben der Norton-Rose-Anwälte vor: Für Gewinne und Verluste seien „allein die auf dem Online-Markt von der Beklagten gestellten Kurse maßgeblich, nicht die Kurse der Basiswerte“. Die gestellten Kurse seien „selbstverständlich nicht der Börsenkurs“, denn dann würde die Bank „keinen Gewinn machen“.
Zu Ungunsten des Kunden
Gleichzeitig geben sie Kursdifferenzen zu. Tabellarisch listen sie Kurse für zehn Werte auf. Zu sehen sind Datum, Uhrzeit sowie die Höchst- und Tiefstkurse an der Börse in der jeweiligen Minute. Diese Kurse vergleichen die Anwälte mit den von FXdirekt gestellten Kursen. Ergebnis: Die Kurse der Bank weichen zwischen 0,8 und 3,2 Prozent von den Börsenkursen ab. Doch die Anwälte berechneten nur Zahlen für den für die Bank günstigsten Fall. Wer nachrechnet, um wie viel die Kurse im ungünstigsten Fall abweichen konnten, kommt auf andere Zahlen: Im Extremfall wichen sie 4,5 bis 6,4 Prozent von vergleichbaren Börsenkursen ab. Folge: Wer bei Kauf und Verkauf jeweils bis zu 6,4 Prozent verliert, kann kaum mehr Gewinn machen. Besonders weil CFD-Kunden oft innerhalb eines Tages kaufen und verkaufen.
Die Anwälte der Bank räumen ein, dass die Bank Kurse auch im Voraus zu Ungunsten der Kunden verschlechtert: „Ist also mit stark steigenden Preisen für das Deckungsgeschäft zu rechnen, dann muss die Beklagte den gestellten Bezugskurs des CFD entsprechend nach oben ziehen, um nicht Gefahr zu laufen, sich nur noch zu ungünstigeren Bedingungen eindecken zu können und dadurch Verluste zu machen.“
Zwei Spreads?
Rechtsanwalt Krämer vermutet, dass die Bank mit zwei Spreads arbeitet: dem kleinen und großen. Als Spread bezeichnet man die Differenz zwischen An- und Verkaufskurs. Auf der Handelsplattform ist der Spread aus der Werbung zu sehen, der kleine Spread – aktuell ein Punkt im Dax, auf die von der Bank gestellten Kurse. Versteckt wäre der große Spread, die Preise, die der Kunde tatsächlich bekommt, wenn er handelt. Gemeint ist der Aufschlag, den der Kunde zum Börsenkurs zahlt. Die Bank bestreitet die Existenz von zwei Spreads.
Der Anleger, so Krämer, könne sein Risiko nicht mehr kalkulieren. Geschäfte verkämen zur Lotterie. „Schlimmer noch: Die Bank verändert als Lotterieveranstalter nach Spielbeginn die Regeln einseitig und heimlich zulasten des Kunden, nämlich durch stellen neuer, vom realen Marktgeschehen abweichender Kurse“, sagt Krämer. Es sei sittenwidrig, wenn Anleger ihre realen Chancen nicht erkennen könnten.
Basiswerte verstecken
Anwalt Krämer sagt, die Bank verschleiere Manipulationen, indem sie es Kunden erschwere, den Basiswert zu erkennen, der seiner CFD-Wette zugrunde liegt. „Damit die Kunden nicht merken, dass die Kurse von den realen Börsenkursen abweichen, hat die FXdirekt Bank die Bezeichnung der Indizes so gewählt, dass Kunden sie schlecht mit den echten Indizes an der Börse vergleichen können.“ DAI30 für den Deutschen Aktienindex Dax ist da noch relativ einfach zu erkennen. Schwieriger, so Krämer, werde es, wenn hinter dem „Energie&Versorger Index Mrz. 09“ der „DJ Stoxx 600 Utilities“ stehe.
Die Bank begründet das damit, dass Dax oder Dow Jones geschützte Markenzeichen seien, die Lizenzgebühren nach sich zögen. Um das zu vermeiden, führe sie Ersatzbezeichnungen. Beschwerden seien der Bank bislang nicht untergekommen. Das kann nicht sein: Krämer hat im Rechtsstreit mit der Bank genau diesen Zustand bemängelt. Die Verschleierung habe Methode, sagt er, „damit ist ein System eingerichtet, mit dem der Kunde getäuscht wird“.
Automatisiert
Das wirft die Frage auf: Gegen wen wetten Anleger bei der FXdirekt Bank – etwa gegen die Bank? „Sichert der Broker die Geschäfte der Kunden nicht an der Börse ab, sind die Verluste des Kunden eins zu eins die Gewinne des Brokers“, sagt Gellert.
Die Anwälte der Bank schrieben an das Gericht, dass die Bank Kundengeschäfte an Börsen absichere. Wettet ein Kunde also auf fallende Kurse, tut es auch die Bank. „Die Beklagte schließt bei Abschluss eines CFD mit dem Kunden einen Future-Kontrakt mit einem Dritten in gleicher Handelsrichtung ab“, schreiben sie und bringen das Beispiel Dax: Gehe ein Kunde im Dax short, wette er also auf fallende Kurse, „schließt auch die Beklagte einen Dax-Future-Kontrakt ab, bei dem sie die Short-Position einnimmt“. Dieser Vorgang sei automatisiert, sodass die Bank nicht von Fall zu Fall entscheide, ob sie ein Deckungsgeschäft vornehme. „Sie tut es immer.“
Verliert oder gewinnt der Kunde, tut das auch die Bank mit der Absicherung an der Börse. Sie verdiente so nur am Spread, der Differenz zwischen An- und Verkaufskurs.
Ungewöhnlich ist, dass FXdirekt Kleinanlegern Konditionen bietet, die sonst nur Top-Großkunden bekommen. Die Bank könnte nichts verdienen, wenn sie Einkaufspreise eins zu eins weitergäbe.
Extrem niedrig
Kundin: Wie sind die Konditionen bei Euro/Dollar?
Betreuerin: Nur ein PIP. Um das fassbar zu machen. Sie machen den kleinsten Trade überhaupt. Das würde für Sie bedeuten an Kosten knapp 10 Dollar. (...)
Kundin: Was ist der kleinste Trade? (...)
Betreuerin: Mit dem Hebel bewegen Sie 100.000. Sie hinterlassen 1000 als Sicherheit, das bleibt genauso auf ihrem Konto. Nur das wird zur Seite geschoben.
Derzeit verlangt FXdirekt einen Spread von 0,6 PIP bei Wetten auf einen steigenden oder fallenden Dollar – ein PIP entspricht der vierten Nachkommastelle. Das erscheint extrem niedrig: Würde die Bank sich mit einem gleichgerichteten Gegengeschäft absichern, müsste sie die Währung bei Großbanken einkaufen und dabei ebenfalls Spread bezahlen – und der liegt im Geschäft zwischen Banken bei mindestens 0,5 bis 1 PIP pro 100.000 Euro, wie zwei Großbanken der WirtschaftsWoche bestätigt haben. „Würde FXdirekt einen besseren Kurs als den Einkaufskurs weitergeben, wäre sie die Caritas“, lästert ein Insider. Die Bank verweist darauf, dass im besten Fall immer noch 0,1 PIP bliebe. Die Bank finanziere die Kosten für die Absicherung außerdem „durch eigenes Hedging am Markt“.
Hohe Finanzierungskosten
Weitere Falle im System: Wer Positionen nicht am selben Tag schließt, zahlt hohe Finanzierungskosten. Die Position wird um 23:59:59 Uhr automatisch glattgestellt und um 0 Uhr neu eröffnet. Diesen Vorgang nennt man Roll-over. Doch Achtung: Das Geschäft erfolgt zum Roll-over-Kurs. Dieser werde von der Bank „nach billigem Ermessen“ festgelegt, heißt es in den AGB. Übersetzt heißt das: Wer Pech hat, bekommt jeden Tag schlechtere Kurse. Ein Insider: „Hier geht erneut richtig die Post ab. Da wird an allen Schrauben gedreht, so wie sich der Vampir am Opfer vergeht.“
Weiterer Nachteil sind hohe Finanzierungszinsen. Die Finanzierungssätze der FXdirekt belaufen sich für CFDs pro Jahr auf sechs Prozent. Ein Anleger, der auf steigende Kurse setzt, ist wirtschaftlich so zu behandeln, als hätte er sich Geld für den Kauf des Basiswertes geliehen. Bei 1000 Euro Einsatz und Finanzierung von 99.000 würden bei sechs Prozent Zins knapp 6000 Euro im Jahr fällig – oder über 16 Euro pro 1000 Euro Einsatz am Tag. FXdirekt sagt, sie nehme „keine deutlich höheren Zinsen als die Konkurrenz“. Wirklich? „Sechs Prozent Finanzierungszins auf CFDs sind für die Branche ungewöhnlich hoch – normal sind maximal drei Prozent“, sagt Gellert.
Frisches Geld ranholen
Hat der Kunde alles verloren, soll er frisches Kapital einzahlen. Hier kommen die Psycho-Tricks der Live-Betreuung ins Spiel. Mitarbeiter setzen Kunden unter Druck. Ein Insider erzählt: „Live ist aggressiv. Da sagt man: Habe ich geklickt oder haben Sie geklickt? Sie haben den Fehler gemacht, hatten keine Geduld.“ Bei der Anmeldung hat die Bank abgefragt, welches Vermögen der Kunde besitzt. Das Wissen nutzt sie aus: „Neue Chance. Aber nicht mit Peanuts, lassen Sie uns mal mit 150.000 Euro anfangen. Dann haben wir was in Rückstand, wenn es gegen uns läuft. Sie haben Geld verloren. Es kommt auf Sie an, ob Sie es zurückhaben möchten.“ Viele zahlen erneut Bares ein, in der Hoffnung, es gehe genauso schnell auf- wie abwärts.
Die WirtschaftsWoche hat mit Ex-Kunden gesprochen. Aussagen gleichen sich: Daueranrufe und Anlageempfehlungen scheinen bei der Bank Usus zu sein. Geld gewonnen hat unter dem Strich keiner. Ein Kunde berichtet, er habe die FXdirekt-Kurse über ein zweites Tradingfenster mit jenen einer anderen Bank verglichen. „Klickte ich bei FXdirekt, sprang der Preis plötzlich weg, der Preis der anderen Bank blieb, wo er war.“ Seine Positionen konnte er erst schließen, wenn sie im Minus waren.
Höchst gewinnträchtige Kaufsignale
Horst Meier (der echte Name ist der Redaktion bekannt) versenkte gleich am ersten Handelstag 18.000 Euro – nicht nur seinen Einsatz über 10.000 Euro hat er verloren, sondern weitere 8000 Euro, mit denen sein Konto in den Miesen war. Die Kontounterlagen liegen der Redaktion vor.
Ein Mitarbeiter, erzählt er, habe ihn am Telefon zum Handeln gedrängt. Er habe höchst gewinnträchtige Kaufsignale erhalten, soll der Betreuer vorgegeben haben. Gewinnziel: 6400 Euro, bis zum Abend. Meier sagt, er habe sich gesträubt, dann aber das ihm „unbekannte Tradingfenster“ geöffnet. Das Desaster nahm seinen Lauf. Mit nur fünf Transaktionen kam er in die Miesen.
Verluste gutmachen
Meier wollte Verluste gutmachen. „Ich hatte Hoffnung, dass ich das verlorene Geld wieder reintraden kann“, sagt er. Nur drei Tage nach dem horrenden Verlust überwies er erneut 18.000 Euro. Sicher: Der Familienvater handelte riskant. Meier hat mit hohem Hebel auf fallende und steigende Kurse gewettet. Er hat mit japanischen Yen, Kronen und dem britischen Pfund spekuliert. Er hat mit dem frischen Geld an nur vier Tagen gehandelt – und wieder den Einsatz verloren. „Die Kurse sind oft kurz ins Plus gelaufen und dann – zack! – tief ins Minus gefallen“, erinnert er sich.
Wahr ist aber auch: Meiers Gewinnchance war minimal.
Er hatte in einem Börsenbrief von der Bank gelesen. Sie stand bei einer Wahl von brokerwahl.de oben auf der Rangliste. Nach Informationen von einem, der damals dabei war, soll nicht immer alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Ein Insider berichtet, dass 2009 jeder Teilnehmer eine Stimme hatte. Man bekam für die Abstimmung eine Pin aufs Handy geschickt. Die musste man im Internet eingeben, erst dann war die Stimme gültig.
Anweisungen
Also wurden Meetings abgehalten: „Vorgesetzte sagten: Wir wollen Broker Nummer eins sein. Wer ist im Fußballverein? 150 Votes, klappt das? Mitarbeiter mussten Prepaid-Telefonkarten kaufen und falsche Namen eingegeben. Alle mussten abstimmen.“ FXdirekt bestreitet das. Meetings habe es nicht gegeben, auch keine Anweisungen. Aufgrund der „erkennbaren Manipulationen“ bei der Wahl habe sich die Bank allerdings „unter Protest aus der Wahl vorzeitig zurückgezogen“. Bis heute wirbt sie allerdings mit diversen ersten Plätzen: In der Kategorie „Forex Broker“, heißt es, sei sie bei brokerwahl.de in den Jahren 2005 bis 2008 auf Platz eins gelandet.
Betreuerin: Wenn Sie sich jetzt schnell für ein Konto entscheiden würden, kann ich was drauflegen. (...) Ab 50.000 Euro fangen die wirklich interessanten Sachen an. (...) Ein großer Laptop von Apple. Flachste überhaupt. Traum! (...) Zurzeit gibt es diese Möglichkeiten, da kann ich einiges rausschlagen. So, wie ich Sie verstanden habe, überlegen Sie ernsthaft, ein Konto zu eröffnen. Und dann ist es immer besser, das tatsächlich auch zu tun. Für Sie bleibt es nur ein Konto. Die Konditionen haben Sie sicher. (...) Wir müssen im Grunde nur noch sehen, dass es gut für Sie ist und dass es gut für mich ist. Ja?
Gehaltssystem baut auf niedrigen Einkommen auf
Das Gehaltssystem der Bank ist auf niedrigen Einkommen aufgebaut. So verdient ein Einsteiger im Team Hosting New Customers einer internen Präsentation zufolge 1800 Euro. Wer viele Kunden auf die Plattform holt, kann sich zum Key Accounter hocharbeiten und dann 2650 Euro verdienen. Als Ausgleich für das niedrige Gehalt werden Provisionen versprochen. Wer als Key Accounter zehn Konten eröffnet, soll 600 Euro zusätzlich bekommen. Die Bank hält ihre Gehälter für angemessen.
„Man hat die ganze Zeit Druck, weil man Konten eröffnen muss. Die meisten schaffen zwischen 8 und 14 im Monat. Der andere Druck ist, dass man mindestens 100 Telefonate führen muss und davon mindestens 30 länger als zwei Minuten“, sagt ein Mitarbeiter. Selbst Leute, die FXdirekt lange abgewimmelt hatten, werden immer wieder aufs Neue angerufen. Die Bank sagt, sie habe keine Zielvorgaben im Hinblick auf die Zahl der geführten Telefonate.
Mitarbeiterkredite
„Läuft es nicht so gut, werden Meetings durchgeführt, die sind aggressiv. Der Vorgesetzte sagt: Leute, das geht so nicht. Ihr seid zu lieb.“ Um Angst zu schüren, werde lautstark mit Kündigungen gedroht. „Eröffnet Konten, sonst ist hier morgen echt was los“, drohen Führungskräfte. „Alle gehen verschwitzt zurück ans Telefon. Einige sind kurz davor, ihre Eltern anzurufen und zu sagen: Willst du ein Konto?“ Die Bank beteuert, sie drohe nicht mit Kündigungen, falls einer zu wenig Konten eröffne.
Immerhin vergibt die Bank Mitarbeiterkredite zu günstigen Konditionen. Ein Insider: „Der Stobbe denkt auch an seine Mitarbeiter. Falls jemand ein Problem hat, hilft er gerne.“ Wer kündigt, sagen Ex-Mitarbeiter, müsse den Kredit schnell zurückzahlen. Viele können nicht. Und bleiben.
Man komme sich vor, sagt ein noch aktiver Mitarbeiter, wie in einer Sekte. „Ich weiß einfach nicht, wie ich da rauskomme.“
Vielleicht hilft ihm ja die BaFin.