Insider packen aus Die zweifelhaften Geschäfte der FXdirekt Bank

Börsenhändler vor Monitoren Quelle: dpa, Montage

Der Internet-Broker soll über Jahre Kunden ausgeplündert haben – unter den Augen der Finanzaufsicht. Gerichtsakten erhärten den Verdacht, die Bank bestreitet Unregelmäßigkeiten. Ein Report über zweifelhafte Geschäfte abseits regulierter Börsen.

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Kundin: Jetzt kommt eine rote Kerze.

Betreuerin: Das ist gut, weil Sie haben auf sinkende Kurse gesetzt. Jede Bewegung nach unten, davon profitieren Sie. (...) Oh, das sieht sehr gut aus.

Kundin: Jetzt hat es mich rausgeschmissen. Ich habe 450 Euro Gewinn.

Betreuerin (jubelt): Wahnsinn! Überlegen Sie mal! Wie lange sitzen wir hier? Und Sie sind ungeübt. Was meinen Sie, was Sie machen, wenn das sitzt!? (...)

Kundin: Ist das immer so einfach?

Betreuerin: Es verändert sich rein gar nichts.

Großzügige 50.000 Euro Spielgeld hat der Online-Broker FXdirekt der Kundin auf das fiktive Konto gebucht. Die enthusiastische Betreuerin im Callcenter lenkt sie am Telefon gezielt in eine Wette auf einen fallenden Dax. Und, oh Wunder, sie geht auf.

Worauf Bankkunden so alles hereinfallen
„Dies ist very wichtig...“Phishing ist ein großes Problem. Laut Kriminalstatistik sind jedes Jahr mehr als 5000 Fälle des Internetbetruges. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein und jeder Internetnutzer dürfte schon mal eine zweifelhafte E-Mail im Postfach gehabt haben. Betroffene können Phising-Mails bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen einfach in einem Online-Forum melden. Nicht immer sind aber Profis am Werk. Wer die Betreffzeile dieser E-Mail gelesen hat, wird wohl kaum auf den Betrüger hereinfallen. Diese Mail ist wohl das zweifelhafte Ergebnis einer Übersetzungssoftware. Handelsblatt Online zeigt eine Auswahl der kuriosesten Betrugsversuche aus dem Phishing-Radar der VZ-NRW. Quelle:
„Wir alle kennen und respektieren Sparkasse"Die Verfasser dieser E-Mail machten sich augenscheinlich gar nicht erst den Aufwand, die Sätze zu Ende zu formulieren. Doch auch die Absender-Adresse sollte Empfänger skeptisch stimmen: „Sparkaseen" gibt es in Deutschland wahrhaftig nicht. Auch bei weniger missglückten Mail warnen die Verbraucherschützer zur Vorsicht. Wenn Bankkunden die Mail nicht zu hundert Prozent identifizieren können, droht Gefahr. Die Links sollten dann auf keinen Fall angeklickt werden. Vor allem dann nicht, wenn im Browserfenster lange kryptische Anhänge sichtbar werden. Quelle:
„Wir Unmut zu verkünden"Gleiche Abschiedsfloskel, anderer Absender: Die Betrügeradresse hat nun ein „s" hinzugewonnen, doch von dem zusätzlichen „e" will man sich wohl nicht verabschieden. Auch die Deutschkenntnisse haben sich nicht wirklich verbessert. Quelle:
„LinkklickenundbestätigenSie"Nicht immer sind Phishing-Mails lästig, oft haben sie durchaus einen Unterhaltungswert. So auch dieses Beispiel: Der Verfasser dieser E-Mail hatte offensichtlich Probleme mit seiner Leertaste. Quelle:
„Folgen Sie den versorgten Schritten"Schon um einiges professioneller wirkt dieses Exemplar. Wer die E-Mail nur überfliegt, geht leicht in die Falle. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät: Wer auf diesen Links zur "Höflichkeitsmahnung" klickt, hat ein Problem. Kunden sollten die Adresse Ihrer Bank am besten manuell in das Browserfenster eingeben oder direkt als Favorit anlegen. Sichere Verbindungen erkennt man an einem Schlüsselsymbol im Browserfenster oder aber an dem Kürzel „https" am Anfang des Links. Quelle:
„Selbst grosse Weltunternehmen wie wir"In diesem Beispiel wird einfach die Regierung vorgeschoben: Auf Grund eines natürlich äußerst umstrittenen Gesetzes muss die Kreditkarte verifiziert werden - dagegen können auch internationale Großunternehmen nichts ausrichten. Wer einer solchen E-Mail auf den Leim geht, sollte sofort seine Bank informieren und bei der Polizei Anzeige erstatten, rät die Verbraucherzentrale. Quelle:
„Liebe geschätzte deutche Kreditkarteninhaber"Diese Bundesbank kennt den Namen ihres eigenen Landes nicht. Immerhin ist sie höflich, auch wenn es um die "nationale Sicherheit" geht. Quelle:

Verzögerung bei Demo-Konten?

Was die Kundin nicht ahnen konnte: Die Betreuerin sah womöglich, dass der Dax in den nächsten Minuten fallen würde. Nicht, weil sie hellseherische Fähigkeiten hätte, sondern weil Daten offenbar mit Verzögerung in die Demo-Konten von FXdirekt laufen. Eine Stichprobe der WirtschaftsWoche zeigt, dass eine Kundin im Demobetrieb andere, in dem Fall für sie bessere Kurse bekam, als zu den von FXdirekt ausgewiesenen Zeiten an der Börse gehandelt wurden. Die Bank bestreitet, dass Demokonten zeitverzögert laufen.

Kundin: Funktioniert das Demokonto so wie das Livekonto?

Betreuerin: Live funktioniert besser. (...) Das System hat ein paar Extras, die das Demo nicht hat. Sie bekommen zum Beispiel Hilfen vom System. Das wird mathematisch berechnet. Da werden Impulse gegeben, dass Sie wissen, ich habe jetzt gedacht, ich kaufe, und das System bestätigt das noch. Also solche kleinen Unterstützungen. (...)

Kundin: Habe ich hier einen Livechart?

Betreuerin: Es ist 99,9 Prozent gleich. Es wird regelmäßig aktualisiert, mehrmals am Tag und live angepasst.

Neue Kunden für den Broker

Job der Betreuerin ist es, für den Broker neue Kunden ranzuschaffen. Nach dem Test mit Spielgeld sollen die möglichst schnell echte Euro einzahlen. „Wenn Interessenten im Demo-Betrieb Tausende verdienen, erleichtert dies den Entschluss, ein echtes Konto einzurichten, ungemein“, sagt ein Aussteiger. Wer binnen Minuten Hunderte Euro Spielgeld abräumt, fängt an, sich reale Gewinne zurechtzuträumen.

Doch wer Vertrauen schöpft und harte Währung einzahlt, muss bei der Oberhausener FXdirekt um sein Erspartes bangen. Das Institut betreut nach eigenen Angaben 40.000 Kunden. Es beschäftigt über 100 Mitarbeiter, die Kunden keilen und, so sagen ehemalige Mitarbeiter, nach allen Regeln der Kunst ausnehmen sollen – und das unter den Augen der Finanzaufsicht BaFin, die die Bank beaufsichtigt.

Die Kunden kaufen und verkaufen Produkte, die außerbörslich gehandelt werden. Am beliebtesten sind Wetten auf Steigen oder Fallen von Währungen wie Dollar oder Yen (Forex) und Differenzkontrakte (Contracts for Difference, CFDs). Mit letzteren wetten Anleger auf Preisänderungen von Aktien, Indizes oder Rohstoffen. Die Wetten sind gehebelt, das heißt, mit kleinem Einsatz ist ein Vielfaches an Gewinnen möglich. Angenommen, eine Allianz-Aktie kostete 100 Euro, dann müsste ein Anleger, der wettet, dass die Aktie steigt, 100 Euro für eine Aktie einsetzen. Geht die auf 101 Euro, hat er vor Kosten ein Prozent Gewinn gemacht.

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