Insolvenzrechtsreform Privatinsolvenz macht nur wenige schneller schuldenfrei

Die Reform des Insolvenzrechts geht ersten Daten zufolge bislang an der Mehrheit der betroffenen Verbraucher vorbei. Quelle: dpa

Im Sommer 2014 waren die Erwartungen an die Reform des Insolvenzrechts groß: Verbraucher sollen nach einer Pleite schneller wieder auf die Beine kommen. Jetzt liegen erste Daten vor. Das Ergebnis: ernüchternd.

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Es soll eine Chance für einen schnelleren Start in ein schuldenfreies Leben sein: Die Reform des Insolvenzrechts geht ersten Daten zufolge bislang jedoch an der Mehrheit der betroffenen Verbraucher vorbei. Nach einer Auswertung der Wirtschaftsberatung Crif Bürgel gelang bisher etwa 8 Prozent der Menschen, die Privatinsolvenz anmelden mussten, im Zeitraum Juli bis Dezember 2017 der vorzeitige Neustart. „Es ist nicht die breite Masse, die von der Reform profitiert“, sagte ein Crif-Bürgel-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.

Den Angaben zufolge meldeten von Anfang Juli bis Ende Dezember 2014 in Deutschland 49 642 Menschen Privatinsolvenz an. Davon erreichten 4111 Verbraucher im gleichen Zeitraum 2017 die Restschuldbefreiung bereits nach drei statt wie üblich sechs Jahren. Die Reform war im Sommer 2014 in Kraft getreten.

Der Kern der Änderungen: Wer innerhalb von drei Jahren mindestens 35 Prozent der Gläubigerforderungen sowie die Kosten des Verfahrens für das Gericht und den Insolvenzverwalter stemmt, kann bereits dann von der Restschuld befreit werden. „Die Quote von 35 Prozent ist deutlich zu hoch“, kritisierte Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID). Auch Verbraucherschützer hatten die aus ihrer Sicht zu hohen Hürden beklagt.

Vergleichsweise überproportional häufig gelang den Angaben zufolge jungen Menschen der vorzeitige schuldenfreie Neustart. Die Verbindlichkeiten der unter 25-Jährigen, die in die Pleite rutschten, liegen Crif Bürgel zufolge im Schnitt bei knapp unter 10.000 Euro. „Bei 10.000 Euro Schulden reicht schon eine Rate von 125 Euro pro Monat, um innerhalb von drei Jahren die Quote von 35 Prozent und die Verfahrenskosten zu bezahlen“, rechnete Niering vor. „Für junge Menschen mit einem Job ist das sehr häufig machbar.“

Anders sieht es oft bei Älteren aus. Ihre Schulden sind meist deutlich höher, etwa wegen des Kaufs einer Immobilie. Verbraucher, die mit 61 Jahren und mehr Insolvenz anmelden mussten, sitzen Crif Bürgel zufolge im Schnitt auf Schulden von 43.000 Euro. Für sie ist es schwieriger, die Befreiung schon nach drei Jahren zu erreichen.

„Ältere oder gescheiterte Selbstständige, die meist viel höher verschuldet sind, profitieren kaum von der Reform“, sagte Niering. „Denn schon bei 100.000 Euro Schulden müsste der Betroffene monatlich über 1000 Euro zahlen, um die Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung zu erfüllen. So viel haben die wenigsten zur Verfügung“.

Haben Betroffene das Geld für den Insolvenzverwalter und die Gerichtskosten, kann das Verfahren immerhin um ein Jahr auf fünf Jahre verkürzt werden.

Eine andere Möglichkeit ist das Insolvenzplanverfahren. Details der Entschuldung wie Höhe und Zeitraum werden dabei individuell festgelegt, der Schuldner muss die Verfahrenskosten bezahlen. Gläubiger stehen meist etwas besser da als im Regelverfahren.

Dieses Verfahren wird meist genutzt, wenn Verbraucher ein regelmäßiges Einkommen haben, und Dritte, zum Beispiel Verwandte oder Freunde, die Betroffenen finanziell unterstützen.

Die Mehrheit der insolventen Verbraucher steht Crif Bürgel zufolge vor allem bei Kreditinstituten, Versandhändlern, Versicherungen, Behörden, Vermietern, Energieversorgern und Telefongesellschaften in der Kreide. Ausgewertet wurden Daten der Amtsgerichte.

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